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Exoplaneten, Erwartungen und Enttäuschungen

Seit der Entdeckung von 51 Pegasi b im Jahre 1995, des ersten extrasolaren Planeten in der Umlaufbahn eines normalen Sterns, hat sich auf dem Gebiet der Exoplaneten unglaublich viel getan. Die Planetenjäger unter den Astronomen haben mittlerweile einen ganzen Zoo von mehr als 550 Planeten mit den unterschiedlichsten Eigenschaften um andere Sterne aufgetan, die Methoden zu ihrer Entdeckung perfektioniert und Verfahren entwickelt, um die Eigenschaften dieser fernen Welten zu bestimmen. Ein allgemeinverständliches Buch in deutscher Sprache, das dem interessierten Leser die Hintergründe der regelmäßig zum Thema Exoplaneten auftauchenden Schlagzeilen erläutert und ihm den aktuellen Stand der Forschung näherbringt, ist daher schon lange überfällig. Leider kann Sven Pipers "Exoplaneten – die Suche nach einer zweiten Erde" diese Erwartungen nicht erfüllen, stattdessen wird der Leser mit einem schlecht lektorierten Buch konfrontiert, dessen Inhalt kaum über das Niveau der Berichterstattung in einer Tageszeitung hinausgeht.

Schon der Untertitel und Sätze wie "Sind wir allein im Universum?" auf der Rückseite des Einbands wecken die Befürchtung, dass das Thema auf die Suche nach außerirdischem Leben reduziert wird. Regelmäßige Andeutungen im Text und insbesondere die 60 Seiten der Kapitel 9 und 10 zeigen, dass dies für große Teile des Buches tatsächlich der Fall ist. Ob dies von Seiten des Verlages so gewollt war, um zusätzlich zum wissenschaftlich interessierten Leserkreis außerdem die große Zahl der Sciencefictionfans anzusprechen, sei dahingestellt. Umso mehr verwundert es in diesem Zusammenhang allerdings, dass Sven Piper in Kapitel 1 – auf den ersten 38 von insgesamt gerade mal 216 Seiten – scheinbar völlig losgelöst vom Thema des Buches ausführlich mit Astronomiegeschichte loslegt und dort sprichwörtlich bei Adam und Eva, nämlich bei den Sumerern und Babyloniern beginnt.

Das zweite Kapitel, in dem die Entdeckung der beiden ersten Planeten um den Pulsar PSR B1257+12 im Jahre 1992 und schließlich drei Jahre später den "Wettstreit" um den ersten Exoplaneten um einen sonnenähnlichen Stern von Didier Queloz und Michel Mayor auf der einen und Paul Butler und Geoff Marcy auf der anderen Seite beschrieben wird, hätte dagegen als Einstieg in die Thematik völlig ausgereicht. Fast schon anbiedernd wirken allerdings die über das Buch verstreuten Einwürfe eines Ich-Erzählers und damit die Betonung des Umstands, dass Piper als Nichtwissenschaftler einige der Protagonisten persönlich interviewen "durfte".

Ganze zehn Seiten seines Buches widmet Piper den verschiedenen Techniken zur Entdeckung von extrasolaren Planeten, die eigentlich essenziell für das Verständnis der Exoplanetenforschung sind. Eine Erläuterung von Radialgeschwindigkeits- und Transitmethode, die jeweils gerade mal zwei Seiten umfasst, muss dabei zwangsläufig oberflächlich bleiben, es fehlen einfach zu viele grundlegende Hintergrundinformationen und auch die Beschreibungen bleiben schwammig mit teils haarsträubenden Formulierungen, wie zum Beispiel wenn es zum Dopplereffekt heißt, dass "Licht zum rötlichen Spektrum hin verschoben" wird, wenn sich ein Objekt von uns wegbewegt.

Der Autor verzichtet zudem nicht nur auf Formeln, sondern unverständlicherweise im gesamten Buch auch auf Prinzipskizzen und Grafiken zur Erläuterung. Und während der Leser völlig im Unklaren darüber gelassen wird, wie denn nun überhaupt der Zusammenhang zwischen Wellenlängenänderung und Radialgeschwindigkeit ist, darf er eine halbe Seite gespickt mit nicht erklärten Fremdwörtern über die Vor- und Nachteile zweier spezieller Verfahren zur Bestimmung der Radialgeschwindigkeit über sich ergehen lassen – ein Unding, das auch in späteren Kapiteln immer wieder zutage treten wird.

Kapitel 4 über die bei der Jagd nach extrasolaren Planeten eingesetzten Teleskope und Weltraummissionen und ebenso Kapitel 8, das geplante Weltraummissionen im Zusammenhang mit der Entdeckung und Untersuchung von extrasolaren Planeten vorstellt, lesen sich wie eine Ansammlung von Texten aus Werbebroschüren, in denen Unmengen an technischen Details aufgelistet werden – sogar die jeweils am Bau der Instrumente beteiligten Firmen werden explizit genannt. Deutlich wird das auch daran, dass der Aspekt, dass überwiegende Teil der zukünftigen Projekte gar keine Chance mehr auf Verwirklichung hat, völlig außer Acht gelassen wird.

Wer zudem nicht schon in den vorangegangenen Kapiteln die teils etwas eigenwilligen Übersetzungen englischer Fachbegriffe bemerkt hat, dem fallen neben neben dem regelmäßig auftretenden stilistischen Fauxpas alleinstehender Nebensätze ohne zugehörigen Hauptsatz spätestens jetzt Wortschöpfungen wie die "Kommando-, Status- und Gesundheitsmeldungen" des Keplersatelliten ins Auge, während sich an anderer Stelle englische Begriffe wie "stellar interferometry" oder "failed star" häufen, die einfach gar nicht übersetzt werden.

Leider vermeidet Piper es generell, dem Leser bewusst zu machen, wie wenig wir eigentlich über die die bereits gefundenen Exoplaneten wissen und Aussagen über die Unsicherheitsfaktoren zu machen, die hinter all den Zahlenwerten liegen, die er auflistet. Es erfolgt auch keinerlei kritische Betrachtung der präsentierten Forschungsergebnisse, stattdessen werden Theorien, die nicht bestätigt sind, als Fakt dargestellt, wie zum Beispiel die Anzahl der Wolkenbänder in der Atmosphäre eines Heißen Jupiters.

Anschließend an die wenig tiefgründige Erläuterung der Entdeckungsmethoden verzichtet Piper konsequent auf die Beschreibung aller Verfahren, mit denen die Eigenschaften von extrasolaren Planeten bestimmt werden. Das ist insbesondere deshalb schade, weil viele der zugrunde liegenden Effekte auch ohne ein Physikstudium zu absolvieren leicht verständlich sind. So werden zwar die "Geisterfahrer" erwähnt, deren Rotationsachsen stark gegen ihre Umlaufbahn geneigt sind, aber nicht einmal der Name des für die Bestimmung der Neigung der Rotationsachse genutzten Rossiter-McLaughlin-Effektes fällt bei dieser Gelegenheit. Auch Planeten auf stark elliptischen Umlaufbahnen – von Piper unglücklich als "Exzentriker" bezeichnet – wird ein ganzer Abschnitt gewidmet. Wie man aber überhaupt so etwas wie die Exzentrizität der Umlaufbahn eines Planeten ermittelt, den man nicht direkt beobachten kann, bleibt völlig im Dunkeln. Ähnliches gilt auch für die zuvor erwähnte Analyse von Planetenatmosphären mittels Infrarotspektroskopie.

Kapitel 7, in dem eine Reihe von Exoplaneten einzeln vorgestellt werden, wirkt als wären die einzelnen Abschnitte lieblos aus Pressemitteilungen oder Zeitungsartikeln über ihre Entdeckung oder nähere Untersuchung zusammenkopiert worden, tiefergehende Darstellungen werden auch hier erneut nicht geboten. Stattdessen treten gehäuft Wiederholungen aus den vorangegangenen Kapiteln auf, mehrere der vorgestellten Planeten sind zuvor schon beschrieben worden, ohne dass darauf verwiesen wird.

Auffällig ist in diesem Kapitel auch die aufdringliche Illustration der einzelnen Abschnitte mit künstlerischen Darstellungen von Exoplaneten. Auch insgesamt überwiegt die Zahl der künstlerischen Darstellungen gegenüber echten Bildern bei Weitem. Anderweitig beobachtete Daten wie Lichtkurven oder Spektren finden sich dagegen in dem gesamten Buch kein einziges Mal.

Ähnlich wie zu Beginn schweift Piper dann auf den letzten 60 Seiten langsam wieder vom eigentlichen Thema ab. In Kapitel 9 schlägt er von der Entstehung des Lebens auf der Erde einen großen Bogen hin zur Bewohnbarkeit anderer Himmelskörper in unserem Sonnensystem bis hin zur Bedrohung des Lebens durch kosmische Katastrophen wie Gamma Ray Bursts, Vulkanismus oder "Meteoriteneinschäge". Im finalen Kapitel 10 geht es dann ausschließlich um die Suche nach intelligentem außerirdischem Leben. Während zu Beginn noch sachlich die Drake-Gleichung erläutert wird, wirken die Abschnitte über das SETI-Projekt und das Wow-Signal eher wie eine PR-Maßnahme für Ersteres. Im Anschluss wird mit der Klassifikation von Zivilisationsgraden und dem möglichen Aussehen von Außerirdischen die Grenze zwischen Hochspekulativem und Fiktion klar überschritten. Erst mit dem Fermi-Paradoxon hat der Spuk endgültig ein Ende.

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