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Kilometerbäume und Flugwale

Außerirdischen dabei zusehen, wie sie das Leben auf ihren Heimatplaneten gestalten, wie sie fressen, sich miteinander verständigen, ihre täglichen Probleme bewältigen: Heutzutage geht das alles. Seit einiger Zeit gibt es Filme auf dem Markt, die – mit Unterstützung von Wissenschaftlern – das Alltagsleben auf fernen Planeten darstellen. Halb Dokumentation, halb Sciencefiction, gewähren uns diese Streifen einen Einblick in eine Welt, von der kein Mensch weiß, ob es sie gibt. Die Computeranimation macht's möglich.

Das neueste Produkt in diesem Genre heißt "Extraterrestrial – Auf der Spur der Aliens". Es ist eine Filmproduktion für die Fernsehsender Kabel eins und Channel 4 sowie für das Magazin National Geographic. "Extraterrestrial" zeigt das Leben auf zwei hypothetischen, erdähnlichen Himmelskörpern, beide dutzende Lichtjahre von uns entfernt. Der erste dieser Himmelskörper heißt "Blauer Mond" und kreist um einen Gasplaneten, der sich wiederum um einen Doppelstern bewegt; auf der Oberfläche des Blauen Monds herrscht ein dreimal so hoher Atmosphärendruck wie auf der Erdoberfläche. Der zweite heißt "Aurelia" und kreist um einen Roten Zwerg(stern); die Bedingungen auf seiner Oberfläche sind den irdischen recht ähnlich.

Der Zuschauer bekommt einiges geboten: Auf dem Blauen Mond wachsen kilometerhohe Wälder, rudern Flugwale durch die Luft, flattern vogelähnliche Kreaturen umher, die eine ähnliche Sozialstruktur haben wie Staaten bildende Insekten. Auf Aurelia gibt es Tierpflanzen mit Stämmen, Wurzeln und schlagenden Herzen, sechsbeinige Krabbelwesen, die durch den Schlamm robben, und Raubtiere, die irdischen Laufvögeln ähneln.

Die mir vorliegende Version war nur in Deutsch, sie ist vermutlich die Übersetzung einer englischen Vorlage. Beim Übertragen von einer Sprache in die andere ist offenkundig einiges daneben gegangen. So spricht der Film von einer "galaktischen Konstellation Cygnus", gemeint ist wohl das Sternbild Schwan. An anderer Stelle hören wir von "Kohlenstoffen", vermutlich eine fehlerhafte Übersetzung von "hydrocarbons", also Kohlenwasserstoffen. Dann wieder heißt es, der Planet Aurelia hätte noch "hunderte Milliarden Jahre der Evolution vor sich"; wenige Minuten vorher legt der Streifen aber dar, dass der Zentralstern Aurelias noch maximal hundert Milliarden Jahre bestehen wird.

Insgesamt ist jedoch deutlich zu merken, dass die Filmemacher sich Mühe gegeben haben. "Extraterrestrial" hat durchaus Erfolge bei dem Versuch, wissenschaftlich fundiert zu bleiben. So wurden zum Beispiel die gebundene Rotation Aurelias wegen der gravitativen Kopplung an seinen Zentralstern sowie die daraus resultierenden klimatischen Folgen berücksichtigt. Auch die gigantischen Lebewesen auf dem Blauen Mond bleiben nicht ohne Erklärung: Der Film deutet richtig an, dass die höheren Partialdrücke des Sauerstoffs und des Kohlendioxids auf dem Himmelskörper den Riesenwuchs ermöglichen könnten. Auch bei der Konzeption der außerirdischen Lebewesen scheinen sich die wissenschaftlichen Berater etwas gedacht zu haben.

Die Computeranimationen des Streifens können sich allemal sehen lassen. Dass sie nach kurzer Zeit etwas fade werden, liegt daran, dass der Film fast nur Computeranimationen bietet – wie sollte es auch anders sein? "Extraterrestrial" kann das heimische DVD-Regal durchaus bereichern, mehr jedenfalls als die meisten Filme, die man im Laden für den gleichen Preis bekommt.

Bleibt die Frage nach der weiterführenden Bedeutung solcher Streifen. Natürlich ist es richtig und gut, sich außerirdisches Leben vorzustellen. Auch ist nichts dagegen einzuwenden, sich dabei multimedialer Technik zu bedienen. Zudem bietet ein solches Unterfangen die Möglichkeit, allgemein gültige biologische Prinzipien darzustellen. Wenn sich im Lauf der irdischen Evolution mehrmals unabhängig voneinander Augen entwickelt haben, dann scheint es nicht ganz abwegig anzunehmen, dass auch außerirdische Organismen Augen besitzen könnten.

Aber dieser Ansatz hat auch eine gewisse Beliebigkeit. Sicherlich könnte außerirdisches Leben so aussehen wie in "Extraterrestrial" (oder in ähnlichen Streifen) dargestellt. Es könnte aber eben auch anders aussehen. Was bleibt, ist eine seltsame Ratlosigkeit. Sie zeigt sich am ehesten in der filmischen Aussage "Wissenschaftler halten die Existenz solcher Welten in unserer Galaxis für möglich". Das stimmt sicherlich. Aber besagt es etwas?

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