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Das weibliche Gesicht der Résistance

Der Kampf gegen die boches, den sich die 1940 gegründete Résistance auf ihre blau-weiß-rote Fahne geschrieben hatte, galt lange Zeit als reine Männerdomäne. Das hatte im Wesentlichen einen Grund: Das von nationalem Pathos getragene gaullistische Nachkriegsfrankreich sah den Widerstand ausschließlich durch die militärische Brille. Passte dies doch viel besser ins Bild des von de Gaulle aufgebauten Résistancemythos, wonach 40 Millionen Franzosen aus eigener Kraft das Joch der deutschen Besatzung abgeschüttelt hatten. Kein Wunder also, dass man bei der historischen Aufbereitung des heroischen Kampfs zivile Widerstandsformen sowie das Engagement der Frauen geflissentlich unter den Tisch fallen ließ.

Corinna von List, Neuzeithistorikerin an der Universität Potsdam, behandelt in ihrer Analyse das weibliche Gesicht der Résistance und damit die zivilen Ausprägungsformen des Widerstands, jene vornehmlich von Frauen getragene "logistische Säule" also, ohne die die Widerstandsbewegung nicht hätte agieren können. Hierzu zählen die Einsatzbereiche Kurierdienst, Untergrundpresse, Fluchthilfe sowie die Bereitstellung privater Räumlichkeiten. Wissenschaftlich fundiert werden die Aktivitäten von Frauen in der Résistance, ihre Beweggründe für den Kampf im Untergrund und ihre Bedeutung für Funktion und Aufbau der französischen Widerstandsbewegung herausgearbeitet. Dabei zeigt sich, dass die zivilen Aktivitäten der Frauen im Widerstand längst nicht so risikolos waren wie oftmals behauptet. Fluchthilfe war in den Augen des deutschen Unterdrückungsapparats "Feindbegünstigung" und kam damit "Hochverrat" gleich. Wer deswegen angeklagt wurde, dem drohte Deportation in deutsche Konzentrationslager, Folter und schlimmstenfalls Exekution. "Die Résistance au féminin", so das Fazit der Autorin, "war zwar ein unspektakulärer, aber keinesfalls wirkungsloser und noch weniger gefahrloser Widerstand. Er war nur lange Zeit verkannt."

Von Lists Buch leistet einen wichtigen Beitrag für die im Schöningh-Verlag erscheinende Reihe "Krieg in der Geschichte", zeigt es doch, dass Krieg nicht nur aus militärischen Operationen und Schlachten besteht, sondern ein komplexes historisches Phänomen ist, bei dem nicht zuletzt Frauen eine gewichtige Rolle spielen.

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  • Quellen
epoc 6/2010

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