Fragwürdige Praktiken
Dass sich im Gesundheitswesen nicht
alles nur um das Wohlergehen des
Patienten dreht, ist beinahe ein Klischee,
so oft ist dieser Umstand schon pauschal
beklagt worden. In diesem Buch übt die
Fernsehjournalistin Ursel Sieber nun
konkrete Kritik. Am Beispiel des Kölner
Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit
im Gesundheitswesen (IQWiG) demonstriert
die Autorin anschaulich, wie
stark verschiedene, überwiegend finanzielle
Interessen das Gesundheitswesen
beherrschen
und welche bedenklichen
Konsequenzen diese Gemengelage heute
schon hat.
Mit einem der prominentesten Opfer beginnt Sieber ihren Enthüllungsbericht. Peter Sawicki, ehemaliger Leiter des IQWiG, wurde vergangenes Jahr unter fadenscheinig anmutenden Anschuldigungen von seinem Posten gedrängt: Er soll Reisekosten falsch abgerechnet haben. Dass die Angelegenheit inszeniert worden war, um den Institutschef loszuwerden, erscheint plausibel; die Autorin liefert dafür auch eine ganze Reihe von Indizien.
Sawicki hatte sich bei den Pharmalobbyisten wenig Freunde gemacht, als er tun wollte, was ihm von Amts wegen aufgetragen war: Qualität und Wirtschaftlichkeit des deutschen Gesundheitsysstems zu überprüfen. Die Journalistin erläutert, inwiefern dieses Anliegen mit den Interessen von Pharmafirmen, Ärzten und Kassenfunktionären kollidierte, und entlarvt dabei einen Filz aus finanziellen Machenschaften, Behäbigkeit und Karriereambitionen.
Exemplarisch schildert Sieber den Kampf um künstliches Insulin. Sawicki bezweifelte, dass es im Vergleich zum herkömmlichen, günstigeren Humaninsulin Diabetikern tatsächlich einen Vorteil bringe. Die Autorin zeigt auf, wie Arzneimittelhersteller aus einer dünnen Datenlage die gewünschten Ergebnisse heraussiebten und wie sie Ärzte und Selbsthilfegruppen, aber auch Medien und Politiker manipulierten.
Bezeichnend ist auch das Tauziehen um das Alzheimermedikament Memantin, nach dessen Einnahme Patienten in psychologischen Leistungstests immerhin geringfügig besser abschnitten. Das IQWiG wollte nun prüfen, ob sich der Vorteil auch im Alltag nachweisen ließ. Doch die dazu nötigen Daten hielten die Hersteller über Jahre zurück, berichtet Sieber. Derweil wurde das Mittel weiter beworben und von Ärzten verordnet. 2009 kam das IQWiG in einem Abschlussbericht zu dem Ergebnis, ein alltagsrelevanter Nutzen sei nicht zu belegen.
Mitunter lehnt sich die Autorin allerdings zu weit aus dem Fenster: Womöglich, so Sieber, würden die Indikationen für eine Stammzelltherapie bei Leukämie wegen finanzieller Anreize großzügig gestellt. Allzu vage schildert sie die komplizierten Sachverhalte und Probleme auf diesem Gebiet. Das genügt nicht, um den Befürwortern der Stammzelltherapie glaubhaft rein ökonomische Interessen zu unterstellen.
Bemängeln lässt sich auch Siebers naive Gegenüberstellung von wackeren Verfechtern der evidenzbasierten Medizin auf der einen Seite und der gierigen Industrie sowie ihren korrupten Vasallen auf der anderen. Dieses Szenario ist zu schlicht geraten. Dem Gehalt der Lektüre schadet das nicht. Siebers akribische Recherche liefert viele Fakten – und die gilt es zu diskutieren, bevor man ihr Buch als ideologisch abtut. Ein spannender und informativer Report für Ärzte, Journalisten und mündige Bürger.
Mit einem der prominentesten Opfer beginnt Sieber ihren Enthüllungsbericht. Peter Sawicki, ehemaliger Leiter des IQWiG, wurde vergangenes Jahr unter fadenscheinig anmutenden Anschuldigungen von seinem Posten gedrängt: Er soll Reisekosten falsch abgerechnet haben. Dass die Angelegenheit inszeniert worden war, um den Institutschef loszuwerden, erscheint plausibel; die Autorin liefert dafür auch eine ganze Reihe von Indizien.
Sawicki hatte sich bei den Pharmalobbyisten wenig Freunde gemacht, als er tun wollte, was ihm von Amts wegen aufgetragen war: Qualität und Wirtschaftlichkeit des deutschen Gesundheitsysstems zu überprüfen. Die Journalistin erläutert, inwiefern dieses Anliegen mit den Interessen von Pharmafirmen, Ärzten und Kassenfunktionären kollidierte, und entlarvt dabei einen Filz aus finanziellen Machenschaften, Behäbigkeit und Karriereambitionen.
Exemplarisch schildert Sieber den Kampf um künstliches Insulin. Sawicki bezweifelte, dass es im Vergleich zum herkömmlichen, günstigeren Humaninsulin Diabetikern tatsächlich einen Vorteil bringe. Die Autorin zeigt auf, wie Arzneimittelhersteller aus einer dünnen Datenlage die gewünschten Ergebnisse heraussiebten und wie sie Ärzte und Selbsthilfegruppen, aber auch Medien und Politiker manipulierten.
Bezeichnend ist auch das Tauziehen um das Alzheimermedikament Memantin, nach dessen Einnahme Patienten in psychologischen Leistungstests immerhin geringfügig besser abschnitten. Das IQWiG wollte nun prüfen, ob sich der Vorteil auch im Alltag nachweisen ließ. Doch die dazu nötigen Daten hielten die Hersteller über Jahre zurück, berichtet Sieber. Derweil wurde das Mittel weiter beworben und von Ärzten verordnet. 2009 kam das IQWiG in einem Abschlussbericht zu dem Ergebnis, ein alltagsrelevanter Nutzen sei nicht zu belegen.
Mitunter lehnt sich die Autorin allerdings zu weit aus dem Fenster: Womöglich, so Sieber, würden die Indikationen für eine Stammzelltherapie bei Leukämie wegen finanzieller Anreize großzügig gestellt. Allzu vage schildert sie die komplizierten Sachverhalte und Probleme auf diesem Gebiet. Das genügt nicht, um den Befürwortern der Stammzelltherapie glaubhaft rein ökonomische Interessen zu unterstellen.
Bemängeln lässt sich auch Siebers naive Gegenüberstellung von wackeren Verfechtern der evidenzbasierten Medizin auf der einen Seite und der gierigen Industrie sowie ihren korrupten Vasallen auf der anderen. Dieses Szenario ist zu schlicht geraten. Dem Gehalt der Lektüre schadet das nicht. Siebers akribische Recherche liefert viele Fakten – und die gilt es zu diskutieren, bevor man ihr Buch als ideologisch abtut. Ein spannender und informativer Report für Ärzte, Journalisten und mündige Bürger.
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