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Alle Eulen sind jetzt da

Zugegeben: Ein "Owlaholic" bin ich nicht, auch wenn ich die heimlichen Jäger der Nacht gerne beobachte. Bis zu Heimo Mikkolas Buch "Eulen der Welt" wusste ich allerdings auch noch nicht, dass es tatsächlich so viele Enthusiasten weltweit gibt, die alles sammeln, was irgendwie mit Eulen zu tun hat: Figuren, Briefmarken, Bilder, Bücher und vieles andere mehr. Nachvollziehen kann ich aber dieses Engagement, denn faszinierend sind diese Vögel allemal. Auch der Autor des Buchs selbst ist von diesem Fieber fasziniert, und das merkt man dem Buch an.

In einer wohl einmaligen Arbeit hat Mikkola alle möglichen Informationen zu den 249 bekannten Eulenarten der Erde zusammengetragen und fast alle dieser Spezies auch mit Fotos dokumentiert, wobei bis auf wenige Ausnahmen alle dieser Bilder aus freier Natur stammen. Nur bei wenigen Arten musste der Autor auf Aufnahmen von Museumsexemplaren zurückgreifen oder ganz verzichten, weil kein geeignetes Porträt aufzutreiben war. Allein diese Sammlung macht das Buch so wertvoll, denn wer Eulen nur ein bisschen kennt, weiß, wie heimlich sie leben. Viele dieser Nachtvögel tummeln sich zudem auf abgelegenen Inseln oder in ausgedehnten Regenwaldgebieten, was ihre Beobachtung und Dokumentation zusätzlich erschwert. Erst vor Kurzem gaben Ornithologen bekannt, dass sie eine neue Eulenart von der indonesischen Insel Lombok beschrieben haben: Sie hatten an ihren Rufen erkannt, dass die Spezies nichts mit einer weit in Indonesien verbreiteten Eule zu tun haben kann, mit der sie bislang aber verwechselt wurde.

Für den Redaktionsschluss kam dieser Vertreter natürlich zu spät, dafür dürfen sich Vogelfreunde über Raritäten wie den Blewittkauz aus Indien freuen, der über ein Jahrhundert lang als verschollen galt, weil Biologen an der falschen Stelle nach ihm gesucht hatten: Ein betrügerischer Amateurornithologe hatte Museumsexemplare des Tiers gestohlen und umetikettiert, was sein tatsächliches Verbreitungsgebiet verschleierte. Wunderbar abgebildet ist auch eine zweite Ikone der Eulenfreunde: der Peruanerkauz. Er entzog sich lange den Nachstellungen von Vogelbeobachtern und kann bis heute nur an zwei schwer zu erreichenden Orten im peruanischen Bergregenwald einigermaßen zuverlässig gesehen werden. Insgesamt 750 Bilder haben Eingang in das Buch gefunden, die neben den einzelnen Arten auch verschiedene Unterarten, Farbtypen, Jungvögel oder Verhaltensweisen zeigen – darunter auch Bilder, die die einzigen bekannten Aufnahmen dieser Arten überhaupt sind. Dazu kommen 250 Verbreitungskarten.

Jeder Art wird mindestens eine, vielfach aber auch zwei oder drei Seiten gewidmet, auf denen die wichtigsten Daten zum Aussehen, der Stimme, Nahrung und Jagd, Lebensraum und Verbreitung (oft inklusive Bestandsangaben oder Gefährdung), geografischen Unterschieden beziehungsweise Unterarten und ähnlichen Spezies angegeben werden. Dazu kommen die besagten Bilder sowie die Verbreitungskarte. Dieser Abschnitt nimmt mit mehr als 400 Seiten den größten Teil des Buchs ein, und es macht Spaß, einfach hin- und herzublättern und mal hier, mal dort hängenzubleiben und die einzelnen Arten zu studieren. Vor allem die großen, eindrucksvollen Augen der Tiere nehmen einen immer wieder gefangen und lenken die Aufmerksamkeit auf diesen speziellen Eulenvertreter (einer der persönlichen Favoriten ist der Falkenkauz auf S. 457, der einen wirklich durchdringend mustert).

Vor die Beschreibung der einzelnen Eulenarten hat Mikkola noch einen rund 70-seitigen allgemeinen Abschnitt gestellt, in dem er typische Charakteristika der Vögel beschreibt, etwa ihre besonderen Kennzeichen, ihr Verhalten, ihre typische Beute, wie sie sich vermehren, ihre Evolution und Verbreitung oder unsere Beziehung zu den Tieren. Hier erklärt er beispielsweise, warum fast die Hälfte aller Eulen so genannte Federohren tragen (drei Erklärungsansätze kommen in Frage: zum Widerspiegeln der Stimmung, zur Abschreckung von Fressfeinden oder zur Tarnung) und was den extrem leisen Flug der Fleischfresser ermöglicht. Mehr als die Hälfte aller Eulen jagt vornehmlich Insekten, ein Drittel überwiegend kleine Säugetiere und Vögel, was die Eulen zu einem wertvollen Verbündeten in der Schädlingsbekämpfung macht – In Finnland wie in indonesischen Ölpalmenplantagen hängt man daher gezielt Eulennistkästen auf, um Ratten- oder Mäuseschäden in den Griff zu bekommen. Und drei Prozent der Eulen fressen übrigens Fisch, was der eine oder andere vielleicht nicht erwartet hätte. Dazu gehört zum Beispiel der Riesenfischuhu aus dem nordöstlichen Asien, der bei vielen Vogelbeobachtern ebenfalls weit oben auf der Sichtungswunschliste ganz oben steht.

Doch leider gibt es nicht nur den Eulen wohlgesonnene Menschen: Vielerorts verfolgt man sie bis heute aus Aberglaube. Eulen werden als böses Omen gesehen oder stehen mit Hexerei in Zusammenhang – ein negatives Bild, das bis vor gar nicht allzu langer Zeit auch in Europa noch gängig war. So galt der Waldkauz als Totenvogel, dessen "kuwitt"-Ruf als "Komm mit" gedeutet wurde und Sterbende aus dem Leben beförderte. Schleiereulen wurden an Scheunentore genagelt, um Blitzschlag zu verhindern. In Afrika, Indien und Südamerika werden Eulen aus medizinischen Gründen getötet, weil sie als Heilmittel gelten, oder sie dienen als Aphrodisiakum, die das Liebesleben verbessern sollen. Auch das erfährt man in Mikkolas Buch (mit einer weiteren guten Aufnahme eines Steinkauzes auf einem Holzkreuz im Gewitter garniert).

Mehr zu schaffen macht den Eulen jedoch die Lebensraumzerstörung zu schaffen, denn fast drei Viertel aller Arten sind an natürliche Wälder gebunden, wo sie ausreichend Bruthöhlen in alten Bäumen finden. Weltweit schwinden diese Ökosysteme allerdings und machen landwirtschaftlichen Intensivkulturen oder Viehweiden Platz, wo nur noch wenige Spezies ihr Auskommen finden. Mehrere Spezies sind seit Beginn der Neuzeit bereits ausgestorben, von manchen kennt man nur subfossile Reste. Das bislang letzte bekannte Opfer stammt aus den 1930er Jahren – der neuseeländische Weißwangenkauz –, mehrere Arten gelten allerdings als akut gefährdet. Doch gewinnt der Eulenschutz immerhin in den letzten Jahren zunehmend an Unterstützern, so dass es vielleicht doch gelingt, die leisen Jäger weltweit zu bewahren.

Wünschenswert wäre es, denn spätestens seit Harry Potter und dessen Posteule Hedwig (zugebenermaßen eine unsägliche Darstellung, die einigen Eulen ein klägliches Schicksal als Haustier beschert hat) genießen Kauz und Co viele Sympathien in der Bevölkerung. Und spätestens nachdem man Mikkolas "Eulen der Welt" in der Hand hatte, wird man selbst zum Owlaholic.

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