Ansichten eines Gehirns
Der Sonderband der "Deutschen Zeitschrift für Philosophie" widmet sich einem besonderen Projekt: dem interdisziplinären Dialog zwischen Philosophen, Neurowissenschaftlern, Soziologen, Physikern und Mathematikern. Die Zeitschrift – zu DDR-Zeiten ein linientreues Organ der SED – versteht sich heute als offenes Forum für den Dialog zwischen den philosophischen Kulturen und Schulen.
Der Band vereinigt 21 Beiträge namhafter Wissenschaftler, darunter je zwei von Wolf Singer, Gerhard Roth und Jürgen Habermas, sowie Ergebnisse aus dem Symposium "Hirn als Subjekt", das 2006 am Hanse-Wissenschaftskolleg Delmenhorst durchgeführt wurde.
Neben der Willensfreiheit behandeln die Autoren ontologische, erkenntnistheoretische und methodologische Fragen rund um die Hirnforschung. Die Aufsätze sind für Laien nicht durchweg verständlich. Für akademische Facharbeiten aller Art werden die Beiträge künftig aber zu berücksichtigen sein.
Die Texte gliedern sich in vier Diskussionsrunden, die jeweils von Herausgeber Hans-Peter Krüger eingeleitet werden. Aber haben die Wissenschaftler überhaupt direkt miteinander diskutiert? Einige Autoren verweisen zwar vielfach auf Roth und Singer, meist bequem "im Doppelpack". Singer bezieht sich aber seinerseits auf keinen der übrigen Autoren, und Roth verweist lediglich auf Habermas als einzigen Diskussionsteilnehmer. Man hätte sich mehr direkte Textkritik gewünscht!
Der Titel "Hirn als Subjekt?" spielt auf einen zentralen Punkt in der Auseinandersetzung zwischen Roth und Habermas an: Nach Roths Ansicht werfen Philosophen den Hirnforschern häufig vor, dass sie "auf unzulässige Weise das Gehirn zum Subjekt geistiger oder emotionaler Zustände machen, wenn sie etwa davon reden, dass das Gehirn 'bewertet' ". Roth dagegen beharrt darauf: "Nicht das Ich, sondern das Gehirn hat entschieden!"
Würde aber ein Physiker ernsthaft behaupten, Licht sei nichts anderes als die Prozesse im Wolframfaden einer Glühbirne, die das Licht nach außen werfen, sodass man anstelle des Phänomens Licht getrost die Prozesse im Glühfaden untersuchen könne?
Roth behauptet, die Erklärung von Handlungen aus (subjektiven) Gründen lasse sich durch eine Erklärung aus (objektiven) neurophysiologischen Ursachen vollständig ersetzen. Unter anderem dieser problematischen Position widmet sich Habermas in seinen Einlassungen.
Neben den Beiträgen der drei "Starautoren" sind auch jene der Physiker Ilan Samson und Uwe Kasper sowie des Bonner Mathematikers Reinhard Olivier hervorzuheben. Die erkenntnistheoretischen Konsequenzen der Quantenphysik sind in den Neurowissenschaften bislang kaum rezipiert worden. Dabei ist das Problem des Beobachters, das auch die moderne Physik umtreibt, wohl nirgends so virulent wie in Psychologie und Hirnforschung – denn was ist die objektive Realität eines "mentalen Zustands", wenn dieser nicht beobachtet wird?
Der Band vereinigt 21 Beiträge namhafter Wissenschaftler, darunter je zwei von Wolf Singer, Gerhard Roth und Jürgen Habermas, sowie Ergebnisse aus dem Symposium "Hirn als Subjekt", das 2006 am Hanse-Wissenschaftskolleg Delmenhorst durchgeführt wurde.
Neben der Willensfreiheit behandeln die Autoren ontologische, erkenntnistheoretische und methodologische Fragen rund um die Hirnforschung. Die Aufsätze sind für Laien nicht durchweg verständlich. Für akademische Facharbeiten aller Art werden die Beiträge künftig aber zu berücksichtigen sein.
Die Texte gliedern sich in vier Diskussionsrunden, die jeweils von Herausgeber Hans-Peter Krüger eingeleitet werden. Aber haben die Wissenschaftler überhaupt direkt miteinander diskutiert? Einige Autoren verweisen zwar vielfach auf Roth und Singer, meist bequem "im Doppelpack". Singer bezieht sich aber seinerseits auf keinen der übrigen Autoren, und Roth verweist lediglich auf Habermas als einzigen Diskussionsteilnehmer. Man hätte sich mehr direkte Textkritik gewünscht!
Der Titel "Hirn als Subjekt?" spielt auf einen zentralen Punkt in der Auseinandersetzung zwischen Roth und Habermas an: Nach Roths Ansicht werfen Philosophen den Hirnforschern häufig vor, dass sie "auf unzulässige Weise das Gehirn zum Subjekt geistiger oder emotionaler Zustände machen, wenn sie etwa davon reden, dass das Gehirn 'bewertet' ". Roth dagegen beharrt darauf: "Nicht das Ich, sondern das Gehirn hat entschieden!"
Würde aber ein Physiker ernsthaft behaupten, Licht sei nichts anderes als die Prozesse im Wolframfaden einer Glühbirne, die das Licht nach außen werfen, sodass man anstelle des Phänomens Licht getrost die Prozesse im Glühfaden untersuchen könne?
Roth behauptet, die Erklärung von Handlungen aus (subjektiven) Gründen lasse sich durch eine Erklärung aus (objektiven) neurophysiologischen Ursachen vollständig ersetzen. Unter anderem dieser problematischen Position widmet sich Habermas in seinen Einlassungen.
Neben den Beiträgen der drei "Starautoren" sind auch jene der Physiker Ilan Samson und Uwe Kasper sowie des Bonner Mathematikers Reinhard Olivier hervorzuheben. Die erkenntnistheoretischen Konsequenzen der Quantenphysik sind in den Neurowissenschaften bislang kaum rezipiert worden. Dabei ist das Problem des Beobachters, das auch die moderne Physik umtreibt, wohl nirgends so virulent wie in Psychologie und Hirnforschung – denn was ist die objektive Realität eines "mentalen Zustands", wenn dieser nicht beobachtet wird?
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