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Ein ganz besonderes Tier-Bilderbuch

Niemand weiß genau, wie viele Tierarten eigentlich unsere Erde bewohnen. Sicher ist nur, dass die allermeisten Arten zu den Wirbellosen gehören. Und genau diese werden in Lexika, der populärwissenschaftlichen Literatur und auch in manchen Lehrbüchern nicht gebührend berücksichtigt. Bilder von Säugern füllen Bände oder doch zumindest breitformatig ganze Seiten – der kleine Eisbär Knut ist ein Medienereignis –; dabei gibt es von ihnen nur etwa 5000 Arten. Die Besprechung von Insekten, von denen weit über eine Million Arten bekannt sind und immer noch neue entdeckt werden, nimmt in der gängigen Literatur wesentlich weniger Raum ein, gar nicht zu reden von den vielen anderen Wirbellosen, die sich auf unserem Planeten tummeln.

Erst recht nicht gab es bisher ein Buch, welches in Gestalt enorm vieler histologischer Schnitte und einiger mikroskopisch kleiner Totalpräparate Ausschnitte des gesamten Tierreichs zeigt, die Wirbellosen in hinreichender Ausführlichkeit eingeschlossen. Endlich ist eine schon lange klaffende Lücke in der Literatur geschlossen worden. Dem Histologen Heinz Streble von der Universität Hohenheim (nicht nur bei Amateurmikroskopikern bestens bekannt für sein einzigartiges Bestimmungsbuch "Das Leben im Wassertropfen") und seiner Kollegin Annegret Bäuerle ist mit dem "Farbatlas" ein großer Wurf gelungen.

Allen voran stehen die histologischen Dauerpräparate von Wirbellosen, denn das Buch ist systematisch aufgebaut und beginnt bei den ursprünglichsten Lebensformen. Die Bilder der zumeist mehrfarbig gefärbten Präparate sind eine Augenweide. Sie sind fast allesamt gestochen scharf, nahezu sämtliche Präparate sind völlig einwandfrei, und vor allem sind die Fotos mit einer ungeheuren Gründlichkeit beschriftet.

Alle bedeutenden Stämme des Tierreichs werden nacheinander abgehandelt, meistens in Detaildarstellungen von histologischen Schnitten oder, etwa bei kleineren Tieren, in Form von Totalpräparaten. Bei jedem Foto sind zahlreiche Einzelstrukturen (118 Stück bei dem Längsschnitt durch eine Jungmaus) durch Zuweisungsstriche gekennzeichnet; hinzu kommt eine ausführliche Legende zur abgebildeten Gesamtstruktur und zu den Einzelheiten der Präparation.

Weitere Angaben zu dem jeweils abgebildeten Tier sucht man vergebens. Die Autoren geben noch nicht einmal eine Einordnung in einen Stammbaum und unterlassen jeden Hinweis auf homologe oder analoge Strukturen, obgleich die einzigartigen Bilder dazu reichhaltiges Anschauungsmaterial liefern. Die Selbstbeschränkung hat Methode: Die Autoren verstehen ihr Werk ausdrücklich als praxisorientierten Leitfaden zur Bearbeitung zoologischer Dauerpräparate sowie als nützliches Handbuch und Nachschlagewerk in Ergänzung zu den gängigen Lehrbüchern – nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Das ist schade; denn dieser Atlas hätte das Zeug zu einem selbst-verständlichen Werk gehabt, dessen Nutzer ohne ein Lehrbuch und ohne Vorkenntnisse zu den besprochenen Tiergruppen auskommt. Einer kommenden Auflage ist zu wünschen, dass der Verlag ein mit dem Atlas korrespondierendes Lehrbuch empfiehlt und Lehrbuch wie Atlas aufeinander abstimmt.

Hoffentlich erscheinen bald Ausgaben in anderen Sprachen, insbesondere auf Englisch, damit überall auf der Welt der systematik- und strukturinteressierte Profi- oder Amateurzoologe aufseufzen kann: Endlich!

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  • Quellen
Spektrum der Wissenschaft 11/2007

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