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Der Glückliche Homo Mechanikus

Matthew B. Crawford ist promovierter Philosoph, doch manchmal arbeitet er auch als Elektriker oder in seiner Motorradwerkstatt. Mit einer solch wilden Mischung von Expertisen kommt auch sein lobenswertes Buch daher. Zunächst aber ein Verriss – wenn auch nur des deutschen Titels. "Ich schraube, also bin ich": Damit zielt der Verlag schamlos auf Motorradschrauber, die schon mal was von Descartes ("Ich denke, also bin ich") gehört haben, sowie auf Sinnsucher, die hoffen, im Inneren von Motoren nicht nur verbogene Stößelstangen, sondern auch tiefe Befriedigung zu finden. Doch beide Gruppen dürften enttäuscht sein, denn der Übersetzer kann besagte Stößelstange (pushrod) nicht von einem Pleuel (connecting rod) unterscheiden. Außerdem geht es in dem Büchlein nur an wenigen Stellen um die Schrauberei selbst. Zwar gibt es ein paar herrliche, einsichts- und stimmungsvolle Werkstattszenen, eigentlich aber geht es um Kopf und Hand.

Der sperrige Originaltitel "Shop Class as Soulcraft" (in der deutschen Ausgabe falsch zitiert als "Shop Class for Soulcraft") trifft es besser: "Werk(statt)unterricht als Seelenfertigkeit". Der Titel der Übersetzung ist noch dazu grundfalsch, weil dem Autor nichts ferner liegt als der descartessche Dualismus von "Seele" und "Materie", in dessen Dunstkreis er mit dem Titel gerückt wird. Gerade um die Überwindung dieser Differenz geht es – durch Arbeit mit Hand und Köpfchen! Der US-Amerikaner Crawford setzt sich kritisch und mitunter erfrischend bösartig mit der Trennung von Geistesund Handarbeit in der industriellen und postindustriellen Gesellschaft auseinander. Und so ist das Buch ein Essay über die Entfremdung, und zwar nicht nur über die im marxschen Sinn (Arbeit als Lohnarbeit), sondern auch darüber, wie sich Hirne und Hände fremd wurden und die Arbeitswelten in "manuell" und "intellektuell" auseinanderfielen.

Der Autor – mit Blaumännern ebenso vertraut wie mit Schlips und Doktorhut – verwebt historische, soziologische, ökonomische und autobiografische Erzählstränge und philosophiert über die Konstruktion des "Selbst-Seins" im Rahmen dieser Entfremdungen. All das macht er gut und kenntnisreich, erzählt allerdings überwiegend Geschichten aus einem Land, das schon wegen des Fehlens einer formalisierten handwerklichen Berufsausbildung ein ganz anderes Verhältnis zum Handwerk hat als das zunftstolze alte Europa.

Fest draufhauen genügt nicht

Die Botschaft ist zunächst von erschütternder Schlichtheit: Etwas mit eigenen Händen geschaffen oder repariert zu haben, ist ungemein befriedigend. Um diese Einsicht zu gewinnen, sollte man aber das Buch eigentlich nicht lesen, sondern aus der Hand legen. Doch wenn man das tut und sich etwa auf die Mechanik von alten Maschinen einlässt, dann wird man rasch merken, dass es mit dem Handanlegen nicht getan ist: Es muss gemacht und gedacht werden.

Das Objekt ist widerspenstig, man muss ihm den material- und funktionsgemäßen Respekt erweisen und auch mal feste draufhauen. Doch das allein genügt nicht, denn die Diagnose "kaputt" verweist auf Tausende von möglichen Ursachen. Die Methoden der Fehlersuche und Reparatur wollen sorgfältig abgewogen sein – in Hinsicht auf die Ausstattung mit Werkzeugen, die Ersatzteilverfügbarkeit, die eigenen manuellen Fertigkeiten, das Vorwissen sowie das Wissen darum, wer vielleicht wissen könnte, was man selbst nicht weiß.

Man gerät so rasch in ein schwer überschaubares Netz von wechselseitigen Abhängigkeiten, erst recht dann, wenn man die Schrauberei (semi-)professionell betreibt, also auch noch eigene ökonomische Interessen und jene der Kundschaft zum Arbeitsaufwand und zum Risiko des Kaputtreparierens in Bezug setzen muss. Und – dies ist auch die herrlichste Stelle des Buchs – man liegt im steten Kampf mit der persönlichen Neugier, die den Schrauber zwingt, hinter manche Deckelchen und Dichtungsringe zu schauen, hinter die er besser mal nicht geschaut hätte, denn oft werden solche Einsichten mit Schweiß, Geld und Tränen beim Wiederzusammenbauen bezahlt.

An dieser Stelle macht der Autor nun eine anticartesische Wendung: Ein "gutes Leben" führe eben nicht der theoretisch versierte Geist, der über den Wassern schwebt und sich einen von fremder Hand picobello restaurierten Bugatti zulegt. Vielmehr konstituiert sich das Selbst des glücklichen Mechanikus gerade in dem Netz der Abhängigkeiten, in dem der Schrauber jenes Ziel verfolgt, das ihm gut erscheint – die Kiste soll wieder laufen.

Hier gewinnen alle ihre Würde und ihr Wesen zurück, die ihnen die Entfremdung nahm. Crawford paraphrasiert Martin Heidegger, sinngemäß: Wenn man erfahren will, was ein Hammer, das Hämmern, das Gehämmerte und der Hämmerer eigentlich seien, dann nehme man einen Hammer zur Hand und hämmere.

Gott sei Dank ist Crawford nicht so behämmert, all das zu einer politischen Utopie der besseren Gesellschaft aufzublasen. Er bleibt Stoiker, er optiert für die Bescheidenheit. Möge jeder die Nische suchen, in der er ein gutes Leben führen kann! Was er leider nicht sagt: Die postindustrielle Gesellschaft wird es nicht zulassen, dass jedermann sich seine zugleich hand- und kopfwerkende Nischenexistenz einrichtet. Aber vielleicht will das ja auch nicht jeder.
  • Quellen
Gehirn&Geist 10/2010

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