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Riesenratten, Dauerregen, Lepra und Co

Tim Flannery ist ein bemerkenswerter Mensch: Er entdeckte mehr Tierarten als Charles Darwin, war Australier des Jahres 2007 (ungewöhnlich für einen Biologen) und schreibt lesenswerte Sachbücher. Einem breiteren Publikum wurde er in Deutschland durch das Werk "Wir Wettermacher – Wie die Menschen das Klima verändern und was das für unser Leben bedeutet" bekannt, in dem er die drastischen Folgen des Klimawandels beschreibt.

Doch das ist eigentlich nicht sein Metier. Normalerweise tummelt sich Flannery auf exotischen Inseln, um dort nach unentdeckten oder verschollenen Säugetierarten zu suchen: Baumkängurus auf Neuguinea, Riesenratten auf den Salomonen oder Affengesichtige Flughunde auf den Fiji-Inseln. Naturgemäß finden sich derartige Kreaturen nur an abgelegenen Orten und unter Schwierigkeiten – was Raum und Zeit für allerlei Abenteuer schafft.

Von diesen erzählt der Autor auch in seinem neuen Buch "Im Reich der Inseln", das sich so verlockenden Orten wie eben Fiji, Salomonen oder dem Bismarck-Archipel vor der Küste Neuguineas widmet. Dichter Regenwald bedeckt auch heute noch große Teile dieser Eilande, die lange von westlichen Einflüssen verschont blieben. Entsprechend ursprüngliche Ethnien und Kulturen besiedeln daher diese Region der Erde – und entsprechend viele interkulturelle Erfahrungen und Missverständnisse durfte und musste Flannery und seine Kollegen erfahren. Sie trafen Dikatoren in spe, Stämme, bei denen die Frauen nur nackt unterwegs waren, und Geisterbeschwörer, ohne deren Segen bestimmte Ecken nicht betreten werden durften.

"Im Reich der Inseln" beschreibt vor allem die frühen Entdeckungsreisen des Biologen. Er kämpft mit Finanzierungsproblemen, obwohl oft nur wenige tausend australische Dollar nötig gewesen wären, bürokratischen Hemmnissen und rudimentären Unterkünften und Transportmitteln. Immer aber steht die Jagd nach seltenen Säugetieren im Vordergrund, die Wissenschaftler entweder gar noch nicht oder nur von teils hundert Jahre alten Belegen aus dem Museum kannten.

Und oft waren Flannery und sein Team erfolgreich: Sie entdeckten völlig neue Beuteltier-, Fledermaus-, Flughund- oder Riesenrattenarten oder wiesen nach, dass diese Tiere immer noch lebten, nachdem sie lange Zeit als verschollen galten. Natürlich gehen diese Reisen nicht ohne Probleme ab, was der Autor durchaus unterhaltsam wiedergibt - etwa wenn er hüfthoch in Fledermauskot versinkt, nur weil er kleine Flattertiere am Ende einer Höhle fangen möchte, und er anschließend zwei Einheimische verschreckt, die im Autor auf ihn warten und dann für einen Geist aus der Unterwelt halten. An anderer Stelle erzählt er tragikomische Geschichte eines Gefährten, der nichtsahnend mitten in einer Leprakolonie abgesetzt wird, dies erst nach Wochen merkt, dann Ansteckung fürchtet, sich aber mangels Transportmittel erst einmal nicht absetzen kann.

Geschichten wie diese machen das Buch lesenswert, auch wenn es nicht ganz an die erzählerische Stärke seines Buchs "Dschungelpfade – Abenteuerliche Reisen durch Papua-Neuguinea" herankommt. Der Autor gibt selbst zu, dass er damals in seiner jugendlichen Unbekümmertheit nur wenige Notizen gemacht hat und viel aus dem Gedächtnis rekapitulieren musste. Sehr interessant sind zudem die ganzen Informationen zur Natur und Kultur dieser Region, die nur wenige Reisende selbst kennenlernen dürften. Und sie gewähren einen Einblick in eine ursprüngliche Welt, die seit den ersten Reisen Flannerys zu Beginn der 1980er Jahre langsam "Anschluss" an die moderne Welt gefunden hat – nicht immer zu ihrem Vorteil wie rapide Abholzung, Bürgerkriege und Ausbeutung von Erzen in der Folge zeigten. Wer die Inselwelt Melanesiens zu seinen Sehnsuchtsorten zählt, kommt an diesem Buch nicht vorbei.

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