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Astronomische Jahrbücher 2012

Es ist kaum überraschend, dass sich die drei Jahrbücher kaum von den Ausgaben der letzten Jahre unterscheiden – schließlich stehen hinter allen ausgereifte Konzepte. Allenfalls in Nuancen lassen sich Veränderungen erkennen. Bereits beim ersten Durchblättern fällt auf, dass die drei Almanache durchaus unterschiedliche Zielgruppen im Auge haben, wobei die Käufer aller drei Bücher eines eint: sie sind allesamt aktive Amateurbeobachter.

Womit der Zweck der Jahrbücher umrissen wäre: Es handelt sich um unverzichtbare Begleiter für lange Nächte am Teleskop, mit dem Fernglas oder auch nur mit den unbewaffneten Augen. Zwar lassen sich Beobachtungsnächte heutzutage auch bequem am heimischen Internetrechner und neuerdings auch per Smartphone und Tablet-PC planen, aber wer sich nachts im Feld ohne Strom und Internetanschluss schon mal über die nächsten Ereignisse der Jupitermonde informieren wollte – und das, ohne sich dabei die Augen zu blenden – wird das gute alte Analogjahrbuch und die gedämpfte Rotlichttaschenlampe zu schätzen wissen.

Der Klassiker: Das Himmelsjahr

Das "Himmelsjahr" aus dem Kosmos- Verlag, seit vielen Jahren herausgegeben von Hans-Ulrich Keller, ist sicherlich der Klassiker unter den deutschsprachigen astronomischen Jahrbüchern. Die Erfahrung von inzwischen 103 Jahrgängen merkt man dem Werk an: Das Himmelsjahr ist einfach eine runde Sache. Die in ihm enthaltenen Informationen sind relevant, übersichtlich zusammengestellt und durch viele qualitativ hochwertige Grafiken anschaulich dargestellt. Jeder Monat wird durch einen Tageskalender eingeleitet, der die wichtigsten Ereignisse enthält und die Mondphase Tag für Tag anschaulich darstellt. Es folgt eine Doppelseite über den Sonnen- und Mondlauf, die über die Nachtlänge und Mondscheindauer informiert – grundlegend für jede Beobachtungsplanung.

Die folgenden Seiten widmen sich dem Lauf der Planeten. Hierbei wird die Sichtbarkeit jedes Planeten kurz beschrieben und durch Grafiken, insbesondere zu Merkur und Venus, sowie zur Stellung der Jupiter- und Saturnmonde – sofern am Nachthimmel sichtbar – illustriert. Die Erscheinungen der Jupitermonde sind zusätzlich minutengenau tabellarisch zusammengefasst. Auch die hellsten Planetoiden werden beschrieben, ebenso die im betreffenden Monat aktiven Meteorströme. Auf den weiteren Seiten werden der jeweils sichtbare Sternenhimmel und einige ausgewählte Deep-Sky-Objekte besprochen.

Eine runde Sache wird das Himmelsjahr aber vor allem durch die Kombination von "harten" Daten und den Monatsthemen, die aktuelle oder auch historische astronomische Themen unterhaltsam und informativ behandeln. Wenn die Dämmerung noch nicht vorbei ist oder die Belichtung läuft, hat man so neben nützlicher Information auch eine Menge Lesespaß zur Hand. Bei der Themenauswahl halten sich zeitlose und für einen bestimmten Monat zugeschnittene Geschichten die Waage. "Was versteht man unter Sternzeit?", "Klimakiller Sonne", "Licht von Dunklen Sternen " und – natürlich – "Der Venustransit vom 5./6. Juni 2012" seien beispielhaft genannt. Die Monatsthemen sind eine ganz entscheidende Stärke des Himmelsjahrs, denn die vielen zeitlosen Texte bleiben auch noch lesenswert, wenn das Jahr 2012 längst Geschichte und die Daten und Tabellen Makulatur sind. So wird ein Jahrbuch sogar zu einem Sammlerobjekt.

Abgerundet wird das Himmelsjahr mit zusätzlichen Seiten zu den im Jahr 2012 auftretenden Sonnen- und Mondfinsternissen, Ephemeridentabellen der Planeten und hellen Kleinplaneten, Sternbedeckungen, weiteren Tabellen und einem Kalendarium. Ortsabhängige Auf- und Untergangszeiten sind exakt für zehn Grad östlicher Länge und 50 Grad nördlicher Breite berechnet, eine Tabelle und eine Korrekturgrafik ermöglichen die Extrapolation auf beliebige Orte im deutschen Sprachgebiet.

Es fällt nicht leicht, Kritikpunkte am Himmelsjahr zu finden. Allenfalls die Tatsache, dass viele Grafiken immer noch rote Farben verwenden, ist verbesserungswürdig – das gilt für die Konkurrenzprodukte aber ganz ähnlich. Dass diese bei Rotlicht während der Nacht unlesbar sind, dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben. Auch stört aufdringliche Werbung ein wenig den Gesamteindruck des Buchs, insbesondere im Innenteil. Alles in allem ist das Himmelsjahr nach wie vor das Jahrbuch schlechthin, mit dem Einsteiger und fortgeschrittene Amateurastronomen sicher richtig liegen – und an dem sich die Produkte der Konkurrenz messen lassen müssen.

Der Großformatige: Ahnerts Astronomisches Jahrbuch

Ahnerts Astronomisches Jahrbuch hat vor einigen Jahren einen bemerkenswerten Wandel durchlebt – vom reinen Tabellenwerk zum Rundum-Jahrbuch á la Himmelsjahr zu einem völlig neuen Format, in dem es nun bereits zum neunten Mal erscheint. Im Unterschied zu den beiden anderen hier besprochenen Werken kommt der "Ahnert" im großformatigen DIN A4-Gewand daher. Der Vorteil liegt auf der Hand: Die Grafiken sind deutlich größer, damit auch lesbarer als in den übrigen Büchern. Die Tabellen wirken nicht gedrängt, auch wenn sie viele Daten enthalten. Generell wirkt das Layout des Ahnert sehr ansprechend. Auffällig sind die vielen Amateurbilder von Planeten, Sonne, Mond und anderen Himmelsobjekten, die den Seiten einen angenehmen Kontrapunkt zu Tabellen und Grafiken geben. Unverkennbar ist die Handschrift von Sterne und Weltraum, aus dessen Haus der Ahnert kommt. Insgesamt wirkt das Jahrbuch denn auch eher wie ein besonders dickes Sterne-und-Weltraum-Sonderheft als ein Buch, was aber kein Manko sein muss.

Auch der Ahnert eröffnet jeden Monat mit einem astronomischen Tageskalender, wobei dank des Formats mehr Informationen Platz finden als im Himmelsjahr. Sonst ähnelt der Aufbau dem Kosmos- Jahrbuch: Eine Doppelseite zu Sonne und Mond wird gefolgt von den Beschreibungen zu Planeten, einer ganzseitigen Sternkarte und Erklärungen zu den im jeweiligen Monat sichtbaren Sternbildern und wichtigsten Deep-Sky-Objekten. Auch die Monatsthemen fehlen nicht: der Ahnert legt hier einen klaren Schwerpunkt auf konkrete Ereignisse der zugehörigen Monate, was das Verfallsdatum der Themen natürlich herabsetzt, dafür aber Anregungen zur praktischen Beobachtung bietet. Die Themen umfassen zum Beispiel die Marsopposition (Februar), Staubwolken in der Sommermilchstraße (August) oder enge Planetenbegegnungen und -bedeckungen (Juli, beziehungsweise Oktober). Selbstverständlich fehlt auch der Venustransit als das astronomische Ereignis des Jahres 2012 nicht (Juni).

Der erweiterte Teil des Buchs umfasst Informationen zur erwarteten Sonnenaktivität im Jahr 2012, ausführliche Tabellen zu Stern- und Planetenbedeckungen durch den Mond, Planetenephemeriden sowie die Ephemeriden der hellsten Kleinplaneten – für letztere werden zusätzlich Aufsuchkarten zur jeweiligen Oppositionszeit dargestellt. Außerdem finden sich Informationen zu Kometen, Sternschnuppenströmen und veränderlichen Sternen. Eine ausführliche Einleitung hilft bei der Benutzung des Jahrbuchs ebenso wie bei den ersten Schritten am Himmel. Insgesamt setzt das Buch mehr auf Tabellen als auf Grafiken.

Auch am Ahnert gibt es nichts Substantielles auszusetzen. Allenfalls das rauere Papier des Ahnert dürfte allzu feuchte Beobachtungsnächte nicht unbeschadet überstehen – hier haben die beiden anderen Werke klare Vorteile. Positiv wirkt auf alle Fälle das Großformat, wenngleich es ebenfalls für den Einsatz "im Feld" nicht immer ideal erscheint. Dennoch – kein anderes Jahrbuch kann mit solch großen und damit lesbaren Grafiken punkten. Die strukturelle Nähe zum Himmelsjahr ist unverkennbar, dennoch setzt der Ahnert andere Schwerpunkte, insbesondere bei der Wahl der Monatsthemen. Keinesfalls braucht sich das Buch hinter der Konkurrenz zu verstecken.

Der ausführliche: Der Sternenhimmel

Ebenfalls aus dem Verlagshaus Kosmos entstammt "Der Sternenhimmel", oder – nach seinem Macher Hans Roth – auch der "Roth", der 2012 bereits in seinem 72. Jahrgang erscheint. Was auf den ersten Blick wie Konkurrenz aus dem eigenen Hause erscheint, ist bei Lichte betrachtet ein absolut sinnvolles Konzept: Im Gegensatz zum Himmelsjahr und auch zum Ahnert ist der Roth ein klassisches Tabellenwerk. Monatsthemen findet man hier nicht, Bilder sind selten und wirken, da der Bezug zu den sie umgebenden Tabellen meist fehlt, leicht deplatziert. Dafür verfolgt der Sternenhimmel klar die Maßgabe, möglichst viel Information aufzunehmen und ohne viel schmückendes Beiwerk übersichtlich darzustellen.

Die Monatsübersichten beginnen jeweils mit einer grafischen und tabellarischen Darstellung der Sonnenauf- und Untergangs- sowie der Dämmerungszeiten. Berechnet werden diese Werte, wie auch die übrigen ortsabhängigen Auf- und Untergangszeiten einmal für Berlin und für Zürich – Beobachter an anderen Standorten müssen die Zeiten jeweils extrapolieren. Auf einige Zeilen zum Sonnenlauf folgt eine grafische Darstellung der Mondphasen des Monats sowie eine Grafik, die den Lauf von Mond und Planeten sowie deren scheinbare Größen am Himmel wiedergibt. Danach finden sich eine tabellarische Übersicht der Sichtbarkeitsdaten der großen Planeten sowie Informationen zu sichtbaren Planetoiden, Meteorströmen und einige Zeilen zum Fixsternhimmel. Eine ganzseitige Sternkarte – auf der seit dieser Ausgabe auch die Planeten eingezeichnet sind – schließt den Übersichtsteil ab. Es folgt, und darin unterscheidet sich das Jahrbuch von den beiden anderen vorgestellten, ein täglicher Astrokalender, in dem Sonnen- und Monddaten sowie die Sichtbarkeit der Planeten und andere aktuelle Ereignisse aufgeführt sind. Dieser Kalender macht die Stärke des Jahrbuchs aus. Mit einem Blick kann der Beobachter die wichtigen Informationen zu einer betreffenden Nacht erfassen. Eine gute Idee ist auch eine blaue Markierungslinie, die Nächte ohne abendliches Mondlicht kenntlich macht.

Auf Grafiken wie die in den beiden anderen Büchern verwendeten Jupitermondstellungen verzichtet der Sternenhimmel, ebenso auf ausführliche Erklärungen. Generell findet man nur wenig Fließtext, dafür aber eine Vielzahl von Symbolen, an deren Bedeutung man sich erst gewöhnen muss. In der anschließenden Jahresübersicht finden sich weitere Informationen, wiederum vorwiegend tabellarisch, zu Sonne, Mond, Planeten und Kleinplaneten; außerdem zu Sternbedeckungen, Kometen, Meteorströmen und veränderlichen Sternen. Hervorzuheben sind die Aufsuchkarten zu Uranus und Neptun sowie für eine Auswahl heller Planetoiden: Sie sind eindeutig die besten aller drei besprochenen Werke. Ein bisschen Lesestoff enthält freilich auch der Roth, in Form zweier "Jahresthemen". Eines davon ist – natürlich – der Venustransit.

Der Sternenhimmel unterscheidet sich konzeptuell ganz eindeutig von den beiden anderen Jahrbüchern – sind jene eher "Rundum-Sorglos-Pakete", die ihre Leser nicht nur informieren, sondern auch unterhalten wollen, so geht der "Roth" einen eindeutig puristischen Weg und versteht sich in erster Linie als Tabellenwerk. Er ist insbesondere geeignet für den fortgeschrittenen Sternfreund, der nicht an bunten Bildern und Hintergrundberichten, dafür aber an Zahlen und Daten interessiert ist, und diese übersichtlich und kompakt präsentiert bekommen möchte. Solche Amateurastronomen sollten den Sternenhimmel den beiden anderen Werken eindeutig vorziehen. Zu kritisieren gibt es am "Sternenhimmel" vor dem Hintergrund seines Konzepts nichts – wohltuend fällt außerdem auf, dass das Buch fast ohne Werbung auskommt, was man für den Preis allerdings auch erwarten kann. Der Sternenhimmel kommt auch als einziges der drei besprochenen Jahrbücher gebunden aus der Druckerei – ein weiterer Pluspunkt hinsichtlich seiner Robustheit im Feld.

Welches Jahrbuch ist das richtige?

Diese Frage muss letztlich jeder für sich selbst beantworten, doch es gibt eindeutige Präferenzen: Himmelsjahr und Ahnert ähneln sich in Konzept und Zielgruppe. Sie sind vor allem Einsteigern und fortgeschrittenen Sternfreunden zu empfehlen, die neben reinen Daten zu Auf- und Untergängen, Planetenereignissen und sichtbaren Sternbildern noch interessante und informative Berichte und Beobachtungsanregungen suchen und die Informationen nicht nur tabellarisch, sondern auch in ganzen Sätzen präsentiert bekommen möchten.

Der Sternenhimmel ist hingegen vor allem für fortgeschrittene Amateure geeignet, die möglichst schnell und schnörkellos die wichtigen Daten zur Beobachtungsplanung abrufen wollen. So gesehen macht auch die Anschaffung von mehr als einem Jahrbuch Sinn – denn die Monatsthemen des Himmelsjahrs sind beispielsweise auch für den "Sternenhimmel- Käufer" wert, gelesen zu werden.

Es ist gut, dass auf dem deutschsprachigen Buchmarkt noch genug Platz ist für mehrere astronomische Jahrbücher – jedes mit seiner speziellen Ausrichtung und Schwerpunktlegung. Davon profitieren letztlich alle Amateurastronomen, ob Anfänger oder (Semi-)Profi. Es bleibt allen drei hier besprochenen Almanachen zu wünschen, dass sie ihren Markt für sich festigen können und ihnen noch viele weitere Jahrgänge beschieden sein werden.

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  • Quellen
Sterne und Weltraum 12/2011

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