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Wie Gene und Evolution uns formen

Walter Jakob Gehring (20.3.1939–29.5.2014) starb kürzlich nach einem Autounfall im Alter von 75 Jahren. Der Molekular- und Entwicklungsbiologe schilderte für diese Hör-CDs seine Sicht auf Gene und Evolution. Gehring war sehr bekannt, hatte für seine bahnbrechenden Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Genetik hochrangige Preise erhalten und sich als Lehrbuchautor einen Namen gemacht. Ab 1972 Professor für Entwicklungsbiologie und Genetik am Biozentrum der Universität Basel, war er im Jahr 2009 emeritiert worden, hatte seine Forschungen danach aber fortgesetzt.

Mit knarzender Stimme und sympathischem schweizerischen Akzent erzählt Gehring in dem Hörbuch von großen Entdeckungen in der Genetik und vermittelt einen Einblick in ihre Methoden. Dabei geht er auch auf seinen eigenen Beitrag ein – er hatte Übereinstimmungen zwischen homöotischen Genen gefunden, was darauf hinwies, dass die Steuerung der Embryonalentwicklung bei allen Tieren einen gemeinsamen evolutionären Ursprung besitzt. Während seiner Doktorarbeit, erzählt der Wissenschaftler unter anderem, habe er Fliegen mit seltsamen Köpfen gefunden. Die genetische Mutation, die dem zugrunde liegt, habe er die folgenden 50 Jahre seines Lebens untersucht.

Auf dem Postweg verpuppt

Schon in sehr jungen Jahren entdeckte Gehring seine Leidenschaft für Biologie, wie er in dem Hörbuch beschreibt. Sein Onkel schickte ihm per Post Schmetterlingsraupen, die sich während der Zustellung verpuppten. Als sie im darauf folgenden Frühjahr schlüpften, hatte der angehende Wissenschaftler ein Heureka-Erlebnis. Das Wunder der zoologischen Metamorphose faszinierte den jungen Gehring so sehr, dass er sich einen großen Teil seines Lebens damit beschäftigte. Auf den Audio-CDs gewährt er einen umfassenden Überblick über dieses Phänomen und geht speziell auf die Entwicklung und Evolution der Augen ein, die ihn besonders interessierten. Auch befasst er sich mit dem Werk des Naturforschers Charles Darwin (1809-1882).

Gehring spricht in den Aufnahmen frei und dennoch präzise. Es gelingt ihm, packend und zugleich lehrreich zu erzählen, vor allem weil er immer wieder persönliche Anekdoten einstreut. Er erklärt Fachbegriffe und wissenschaftliche Grundlagen und erleichtert es seinen Hörern damit, den komplizierten Sachverhalten zu folgen. Einige Begriffe setzt er freilich als bekannt voraus, etwa "dominant", "rezessiv", "kodieren" und "Enzyme". Gehring spricht in Form eines reinen Monologs, ohne Einspielung von Musik oder atmosphärischen Geräuschen. Das Augenmerk liegt also vollständig auf dem Wort.

Ästhetischer Purismus

Diese Gestaltung ist bewusst gewählt. Konzeption und Regie des Hörbuchs oblagen dem vielfach ausgezeichneten Regisseur und Produzenten Klaus Sander. Seit 1996 widmet er sich mit seiner Edition supposé einer eigenständigen Kunst- und Publikationsform für das gesprochene Wort. Dem entspricht die edle Verpackung der CDs. Die Hülle besteht aus stabilem Karton und lässt sich durch mehrfaches Auffalten öffnen. Deckblatt und Innenseite sind mit schönen Aufnahmen verschiedener Augen und Organismen bebildert, ebenso wie die CDs selbst.

"Das Basteln der Evolution" ist nicht nur ein interessantes Hörerlebnis, sondern eignet sich auch zum Lernen und Vertiefen genetischen Wissens. Es ist sicher sinnvoll, während des Zuhörens Notizen zu machen, um wichtige Sachverhalte nicht zu verpassen, die für das Verständnis darauf folgender Passagen wichtig sind.

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