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Tierphysiologie als ein G(en)uss

Ganz gleich, mit welchen Fragestellungen der Biowissenschaften im so genannten "roten Bereich" man sich befasst, ein solides Wissen über Tierphysiologie ist unerlässlich, da Stoffwechselprozesse, Verhaltensweisen und Anpassungen an den Lebensraum sich letztlich in physiologischen Prozessen manifestieren. Studierenden, die sich dieses Wissen erstmals aneignen wollen, oder Lehrenden, die sich mit bestimmten Aspekten erneut auseinandersetzen müssen, stehen eine Reihe von Lehrbüchern unterschiedlichen Umfangs zur Verfügung, die sich in Inhalt und Gestaltung deutlich voneinander unterscheiden.

Zu einem regelrechten Klassiker, der in der Tradition der "goldenen Zeiten" der Tierphysiologie in Deutschland zu sehen ist, wurde in den vergangenen Jahren dabei sicher weniger gegriffen, da die bisher erhältliche 6. Auflage von Heinz Penzlins Lehrbuch der Tierphysiologie in ihrer Aufmachung eher altbacken daher kam – auch wenn in sie Jahrzehnte lange Erfahrung als Forscher und Hochschullehrer an der Universität Jena eingeflossen sind.

Das ist mit der 7. Auflage nun anders: 35 Jahre nach Erscheinen des Erstlings profitiert "der Penzlin" in mehrfacher Hinsicht von einer kompletten Überarbeitung, für die neben Emeritus Heinz Penzlin zehn Koautorinnen und -autoren verantwortlich zeichnen. Rein äußerlich passt sich das Buch in Größe und roter Einbandfarbe dem neuen Lehrbuch-Layout des nun zu Elsevier gehörenden Spektrum-Verlages an. Vorbei ist daher auch das dröge und eher abbildungsarme Erscheinungsbild aus den guten alten Zeiten des Gustav Fischer-Verlages. Der konsequente Einsatz der Farbe Rot in den Grafiken führt bei den aus früheren Auflagen übernommenen Grafiken zu einer Qualitätsverbesserung, die zusammen mit zahlreichen neuen Abbildungen die Benutzung des Lehrbuches erleichtern.

Gut getan hat auch die Neugliederung der Kapitel, die zu größeren Umstrukturierungen geführt hat. So ist das Kapitel zu eher klassischen Aspekten der Verhaltensbiologie jetzt unter Neuronalen Systemen zu finden, und verschiedene frühere Teilkapitel zum Leben als Systemleistung sind unter dieser Bezeichnung zusammengefasst. Lesenswert ist nach wie vor auch das einleitende Kapitel zur Geschichte der (Tier-)Physiologie und ihrer Stellung als Wissenschaft, da es verdeutlicht, dass viele Fragestellungen an Aktualität nie verloren haben und von den zunehmend feineren Analysemethoden profitieren.

Ein gutes Lehrbuch soll – so schreibt Penzlin mit Bezug auf Alexander von Humboldt zurecht in seinem Vorwort – anders als eine Vorlesung das Lehrgebiet in seiner Breite vorstellen und dabei dennoch kurz gehalten und klar gegliedert sein. Die 300 zusätzlichen Seiten, die die aktuelle Auflage von ihrer Vorgängerin unterscheidet, gehen neben inhaltlichen Ergänzungen auf eine leserfreundlichere Gestaltung zurück, die durch mehr und größere Abbildungen sowie weniger Text pro Seite positiv auffällt. Auch die Tatsache, dass nun zahlreiche Personen mitgewirkt haben, merkt man dem neuen Penzlin nicht an. Die Kapitel lassen sich gut lesen und informieren auf eine direkte Art, ohne dabei zu sehr in Details abzuschweifen, die in Spezialwerke gehören.

Tierphysiologie ist nicht gleich Biochemie oder Biophysik aus dem Blickwinkel der Zoologie. Diese Feststellung ist im Penzlin immer noch bestens verwirklicht: Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen immer wieder einzelne Tierarten, an denen auch allgemein gültige Prozesse exemplarisch erläutert werden. Da es sich in der Regel um Beispiele handelt, die für die jeweilige Fragestellung typisch sind, lernt man nebenbei noch Wissenswertes über die Biologie dieser Tiere. Endlich – so lässt sich abschließend festhalten – hat sich Penzlins Lehrbuch der Tierphysiologie wieder seinen Platz zurückerobert und sollte dort griffbereit im Bücherregal von Biologinnen und Biologen stehen, wo es hingehört: in die vorderste Reihe! Und wer den stolzen Kaufpreis von achtzig Euro nicht aufbringen möchte oder kann, der sollte seine Instituts- oder Universitätsbibliothek zum Ankauf gleich mehrerer Exemplare ermuntern!

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