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Ambivalente Bollwerke

Mauern haben zwei Seiten – auch im übertragenen Sinn: Sie trennen etwas, grenzen ab oder aus. Zugleich haben sie aber auch etwas Behütendes – umhegen, schützen, wehren ab. Manche Mauern sind konkret, andere imaginär, etwa die sprichwörtliche in unseren Köpfen. Und die können bisweilen so stark sein, dass man deren materialisierter Pendants gar nicht bedarf. Wie etwa das antike Sparta, das auf Grund moralischer Stärke ohne Grenzwälle auszukommen glaubte − denn: "Wo Männer sind, gibt es eine sichere Wehr", so die Spartaner in lakonischer Kürze.

Rechtzeitig zum 20-jährigen Jubiläum des Falls der Berliner Mauer hat die Münchner Altorientalistin Astrid Nunn einen reichhaltig bebilderten Sammelband herausgebracht, der das Phänomen "Mauern als Grenzen" vom 3. Jahrtausend v. Chr. bis heute aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Kenntnisreich und nie langatmig geschrieben, geben die Autoren einen informativen Überblick über Funktion und Verwendungszweck von Grenzwällen. Oft wurden sie aus sicherheitspolitischen Gründen errichtet (Limes, Chinesische Mauer, Maginot- Linie, Westwall), mitunter auch aus wirtschaftlichen Interessen. Letztere führten etwa zum Bau der mehr als 4000 Jahre alten Amurriter- Mauer in Mesopotamien – die älteste bekannte Steingrenze sollte Nomaden und sesshafte Bevölkerung voneinander trennen. Ungleich jünger ist der als "Tortilla-Vorhang" bezeichnete Metallzaun zwischen den USA und Mexiko, der illegale Wirtschaftsflüchtlinge von der Einwanderung ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten abhalten soll.

Einige Beiträge beschäftigen sich mit Mauern, die aus religiösen und ideologischen Motiven erbaut wurden, etwa jene Trennlinie im nordirischen Belfast, die katholische und protestantische Wohngebiete separiert, oder die im DDR-Jargon als "antiimperialistischer Schutzwall" bezeichnete Berliner Mauer.

Wer hinter die Mauern schauen will, dem sei dieser lehrreiche und optisch sehr ansprechende Bildband empfohlen.

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  • Quellen
epoc 03/2009

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