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Tod im Torf

Sie tauchen seit Jahrhunderten überall dort auf, wo Menschen und Moore aufeinandertreffen: Aus Stein- und Bronzezeit, Mittelalter und Neuzeit, vor allem aber aus der Eisenzeit blieben zahlreiche Moorleichen erhalten. Mal wurden sie regulär bestattet, mal waren es Menschen, die einst in Sumpfgebieten vom Weg abkamen. Einige wurden Opfer von Raubüberfällen, der Strafgesetzgebung oder religiöser Rituale ihrer Zeit.

Doch in den meisten Fällen lassen sich die genauen Todesumstände der meist hervorragend konservierten Toten nicht mehr rekonstruieren, auch wenn so manche von Sensationslust geleitete Fehlinterpretation einen anderen Eindruck vermitteln mag. Nicht nur mit den Bericht erstattenden Journalisten, auch mit so manchem Wissenschaftler ist bisweilen die Fantasie durchgegangen, wie etwa bei der Deutung der Leichen von Windeby im Jahr 1956. Die beiden Toten seien ein Liebespärchen gewesen, das wegen Ehebruchs zur Todesstrafe verurteilt worden war und auf der Flucht umkam, so die Mutmaßungen der Forscher. Sogar der "Stern" berichtete darüber. Bei späteren Nachuntersuchungen stellte sich dann heraus, dass nichts davon den Tatsachen entsprach. Zudem konnte nachgewiesen werden, dass das "Mädchen von Windeby" mit hoher Wahrscheinlichkeit ein junger Mann war.

Der Urgeschichtler Alfred Dieck (1906 – 1989) wiederum schreckte selbst vor Fälschungen nicht zurück: Nach neuesten Erkenntnissen handelt es sich bei der überwiegenden Mehrheit der knapp 2000 in seinen Verzeichnissen aufgelisteten Moorleichen um Fälschungen – in vielen Fällen lohnt also eine Neubetrachtung alter Ergebnisse.

In seinem Buch gibt Thomas Brock einen guten Überblick über die wissenschaftliche Literatur, erklärt, unter welchen Bedingungen organisches Material im Moor erhalten bleibt, referiert aktuelle Untersuchungsverfahren und -ergebnisse und zeigt, wie vielfältig und widersprüchlich die Theorien darüber sind, warum Menschen im Moor zu Tode kamen.

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  • Quellen
epoc 06/1009

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