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Keine Angst vor wilden Tieren

Luchs und Biber, Wolf und Wiedehopf – Wildtiere, die seit vielen Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten selten oder ganz verschwunden waren, tauchen im hoch technisierten und zersiedelten Deutschland plötzlich wieder auf. Seit einigen Jahren versucht man von wissenschaftlicher und offizieller Seite diese Rückkehr gezielt zu unterstützen und die Tiere wieder heimisch zu machen. Auch wenn es umstrittene Fälle wie den Abschuss von Bär Bruno gibt und bestehende Ängste vor wild umher streifenden Wölfen nicht zu leugnen sind, verlaufen die meisten Wiederansiedlungsversuchen doch erfolgreich. Micha Dudek beschreibt ihre Geschichten in seinem Buch "Neue Wildnis Deutschland. Wolf, Luchs und Biber kehren zurück".

Dabei haben die meisten Menschen hierzulande eine eher romantisch verklärte Vorstellung von "Wildnis"; sie geht oft einher mit einem Hauch von Abenteuer. Man denkt an die weiten Savannen in Afrika, den Dschungel Asiens oder die Bergwelt der Rocky Mountains in Nordamerika. Vor der eigenen Tür jedoch hat Kulturlandschaft die Wildnis verdrängt; die Landschaft wird gepflegt und gemaßregelt. Derzeit gibt es 14 Nationalparks in Deutschland – gerade einmal ein halbes Prozent der gesamten Landesfläche! Und streng genommen dürfte sogar nur jeder vierte Park als "wahre Wildnis" bezeichnet werden: Dafür sollten mindestens 75 Prozent der Fläche völlig ungenutzt sein, was meist nicht zutrifft. Zum Vergleich: In den USA gehört ein Drittel des Landes dem Staat, und der hat große Teile davon unter Naturschutz gestellt. Fast fünf Prozent der USA sind derzeit als "Wildnis" ausgewiesen, weitere Flächen sollen folgen. In Deutschland strebt man gegenwärtig zwei Prozent an, doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Zunächst gilt es, dem Mensch die Angst vor "wilden Tieren" zu nehmen und ein objektives Bild von der Natur zu vermitteln. "Artenvielfalt zu schaffen und Wildnis zuzulassen, ist eine schwierige Angelegenheit", schreibt Frank Barsch, Artenschutzreferent des WWF Deutschland, im Vorwort von Dudeks Buch und hofft, dass das vorliegende Buch dem Leser hilft, zu einem tieferen Verständnis für Naturschutz und den Erhalt von Wildnis zu gelangen.

Micha Dudek studierte Landschaftsarchitektur und Umweltplanung und schrieb seine Diplomarbeit über das Wiederauftreten stabiler Wolfspopulationen in Mitteleuropa. Als Kenner vieler Naturregionen der Welt und als Mitarbeiter an verschiedenen Arten- und Naturschutzprojekten hat er breites Fachwissen erlangt, das dem vorliegenden Buch zugute kommt. Zunächst zeigt er im ersten von zwei Einleitungskapiteln die wichtige Rolle der Eiszeiten für die weitere erdgeschichtliche Entwicklung auf. Prägend für Mitteleuropa und Inbegriff der Natur wurde der Wald, der sich in der danach beginnenden Warmzeit hierzulande etablierte. Über ihn und erste Pioniere des Artenschutzes wie Hans Georg Picker geht es dann im zweiten Einleitungsteil.

In zwölf Kapiteln beschäftigt sich der Autor anschließend mit Biber, Weißstorch, dem ausgestorbenen Ur (Auerochse), Fischotter, Elch, Wiedehopf, Wildpferd, Wisent, Uhu, Luchs, Kolkrabe und Wolf. Anhand von unterhaltsam und spannend geschriebenen Porträts und illustriert durch anregende Fotos werden die einzelnen Tierarten vorgestellt und ihre Fähigkeiten aufgezeigt, in unserer zivilisierten Welt neue Nischen wie Truppenübungsplätze oder Friedhöfe zu finden. Der Leser erfährt über die Bestandsentwicklung und die Biologie nur scheinbar vertrauter Arten wie Uhu oder Kolkrabe. Im "Merkmal-Katalog" am Kapitelende gibt es jeweils die wichtigsten Daten in Form eines Steckbriefs aufgelistet.

Anhand der Beispiele kommt der Autor auf verschiedene Auswilderungsgebiete zu sprechen, gibt Tipps, wo Wölfe oder Fischotter in freier Wildbahn beobachtet werden können und an wen man sich wendet, falls ein Biber sein Staudammprojekt gerade im eigenen Garten vorantreibt. Zudem kommen Personen und Projekte zur Sprache, die sich mit einzelnen Tierarten beschäftigen, und zwischengestreut sind Interviews, in denen Projektleiter, Arten- und Umweltschützer, aber auch Landwirte zu Wort kommen. In grün abgesetzten kleinen Kästen werden Begriffe wie "Domestikation", "Rote Liste" oder "Saurer Regen und Borkenkäfer" beleuchtet und Gesetze und Richtlinien erklärt.

Abgerundet wird das Buch durch einen Anhang, in dem Informationen zu den vorgestellten Arten, aber auch zu Personen und Projekten aufgelistet sind. Wer sich in ein bestimmtes Thema vertiefen möchte, kann die umfangreiche Literaturliste konsultieren, den meisten wird jedoch schon das vorliegende Buch spannenden Stoff liefern. Es ist genau das Richtige für den biologisch und ökologisch interessierten Laien, denn es ist unterhaltsam und flüssig geschrieben und attraktiv aufgemacht.

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