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Über die Schöne – in aller Kürze

Als die beiden deutschen Ägyptologen Ludwig Borchardt und Hermann Ranke 1911 zu Grabungen nach Ägypten aufbrachen, ahnten sie wohl kaum, welch spektakulären Fund sie in Tell el-Amarna machen würden: In den Ruinen der einstigen Residenzstadt Echnatons entdeckten sie die Büste der Nofretete. Das berühmte Bildnis gehört bis heute zu den bedeutendsten Skulpturen der Welt, und seine Entdeckungsgeschichte nimmt Hermann A. Schlögl zum Anlass, die faszinierende Geschichte der schönen Königin noch einmal neu zu erzählen.

Auf 128 Seiten schildert der emeritierte Ägyptologe der Universität Fribourg das Leben und Wirken der "Schönen vom Nil". Da ihr Schicksal untrennbar mit dem ihres Gemahls verbunden ist, widmet Schlögl einen Großteil des Buchs dem Aufstieg der Amarnakultur. Ausführlich beschreibt er, wie aus Amenhotep IV. Echnaton wurde und wie dieser Aton in Form der Sonnenscheibe über alle anderen Götter erhob. Auch der Wandel in Malerei und Baukunst kommt nicht zu kurz und wird durch zahlreiche Abbildungen illustriert.

Im dritten Kapitel wendet sich der Autor schließlich der schönen Königin zu. Hier wird Schlögl nicht müde zu betonen, dass die Stellung Nofretetes an der Seite Echnatons bisher deutlich unterschätzt wurde. Er zitiert zahlreiche Quellen, denen zufolge Nofretete gleichrangige Mitregentin war und ihr in dem jungen Atonkult eine Schlüsselrolle zukam. So lenkte sie neben Echnaton die politischen und religiösen Geschicke Ägyptens und füllte damit eine Rolle aus, die nach ihrem Tod in den letzten Regierungsjahren ihres Gemahls keine seiner Nebenfrauen je wieder einnehmen sollte.

Seine Thesen stützt Schlögl auf viele Originaltexte, die allerdings auf manchen Seiten so zahlreich sind, dass sie den sonst guten Lesefluss ein wenig stören. Doch lässt der Autor auch die jüngsten Ergebnisse aus DNA-Untersuchungen der Amarnamumien einfließen und bringt so etwas Licht ins Dunkel der königlichen Verwandtschaftsbeziehungen, die lange umstritten waren – und es mit seinen neuen Thesen auch in einigen Fällen bleiben werden.

"Nofretete" bietet viele kompakte Informationen über die schöne Königin und die Amarnazeit. Der knappe Umfang sorgt dafür, dass es sich gut in einem Rutsch lesen lässt. Schlögl schreibt allgemein verständlich und daher kommen auch Leser auf ihre Kosten, die sich nicht so sehr im alten Ägypten auskennen.

Ein kleines, aber verschmerzbares Manko bietet nur das Ende der Geschichte: Nach Nofretetes und Echnatons Tod bricht Schlögl relativ abrupt ab. An dieser Stelle hätte es der Leser verdient zu erfahren, wie es mit der Amarnakultur weiterging – oder eben nicht weiterging.

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  • Quellen
epoc 4/2012

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