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Sammler und Schätze im Pflanzenreich

Heute kaufen wir Orchideen, Rhododendren oder andere exotische Pflanzen wie selbstverständlich im Garten- oder Supermarkt ein. Ermöglicht haben diesen Luxus Entdecker, die vom 16. Jahrhundert an die Welt bereisten und solche Pflanzen in Europa einführten. Bei der Suche und dem Handel mit exotischen Pflanzenschätzen ging es nicht zimperlich zu: Pflanzensammler waren in der Lage, Kriege um Handelsrechte mitauszulösen, Gewürze waren Gold wert und das Schmuggeln von Samen oder Sämlingen "Ehrensache".

Der unter dem Originaltitel "The Plant Hunters: Tales of the Botanist-Explorers Who Enriched Our Gardens" 1997 erschienene Band von Carolyn Fry über Pflanzenschätze und -sammler liegt nun auch in Deutsch unter dem Titel "Pflanzenschätze. Aus der Ferne in den Garten" vor und das in einem besonders schönen Geschenkband im Schuber mit vielen "Extras" – Illustrationen und gesondert beigeheftete, zum Teil bisher unveröffentlichte Faksimiles aller Art: Tagebuchauszüge, Skizzenbücher, Dokumente und Briefe.

Mit dem vorliegenden Buch geht der Leser mit den leidenschaftlichen Pflanzensammlern auf Reise rund um die Welt. Schon im 15. und 16. Jahrhundert hatten Entdecker wie Christoph Kolumbus und Vasco da Gama von ihren Entdeckungsfahrten unbekannte Pflanzen und Gewürze mit nach Europa mitgebracht und damit den Siegeszug exotischer Gewächse wie Tulpen, Orchideen, Pfeffer oder Zimt eingeleitet. Neben der Schönheit der Pflanzen spielte jedoch auch deren Nutzen eine Rolle und dieser Umstand brachte wiederum einen lebhaften Handel in Schwung und begründete den Berufsstand der "Pflanzenjäger". Vielfach agierten die frühen Forscher im Auftrag von Handelsfirmen wie der Niederländischen Ostindien-Kompanie oder von Gartenvereinen wie der Royal Horticultural Society. Man erfährt vom Beginn der Apothekergärten, die im 18. Jahrhundert allmählich von Botanischen Gärten verdrängt wurden. Diese waren bereits im 16. Jahrhundert in Italien aufgekommen, zu den bedeutendsten zählen der Jardin des Plantes in Paris und der Royal Botanic Garden in Kew, zu dem es eine alte faksimilierte Karte zu bewundern gibt.

Der Band ist ebenso aufwändig wie vielseitig, ein Konglomerat verschiedener Aspekte: Einerseits porträtiert Carolyn Fry das Leben der wichtigsten Pflanzenentdecker, andererseits von Forschern, die sich der Entdeckung, Sammlung, Archivierung und Bewahrung der Pflanzenschätze widmeten. So ist beispielsweise dem Schweden Carl von Linné die Systematisierung der Pflanzen und die Schaffung einer verbindlichen Nomenklatur zu verdanken, die bis heute Gültigkeit besitzt. Sir Joseph Banks machte sich mit der Einführung vieler neuer Pflanzen in Europa verdient und fertigte das Konvulut "Florilegium" mit Stichen von Pflanzen an, die er auf Cooks erster Weltumsegelung zusammengetragen hatte. Der Gärtner Francis Masson war in den 1770er Jahren auf Forschungsreise in Südafrika unterwegs, Joseph Hooker betrieb 1839 botanische Forschungen in der Himalaja-Region und William Dampier erkundete 1699 Australiens Pflanzenvielfalt.

Auf der anderen Seite stehen in dem Band bestimmte Pflanzen, ihre Geschichte und ihr Werdegang im Blickpunkt. Schon Marco Polo hatte Ende des 13. Jahrhunderts berichtet, dass es auf Java Muskatnüsse, Gewürznelken und weitere Spezereien gäbe. Noch begehrter wurden Ingwer, Pfeffer und Zimt, bis 1453 das Ende des Byzantinischen Reiches auch die Handelswege in den Osten blockierte. Dann trat Kolumbus seine Reise an, und bald schon kämpften Portugiesen und Spanier um Ländereien und um die Gewürzinseln.

Interessant auch die Geschichte des Teetransfer von China nach Indien: Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in Indien noch keine Teeplantagen, China hielt das Exportmonopol inne. Erst Robert Fortune (1812-80) fand in China für Indien geeignete Teepflanzen. Ein schönes Faksimile mit Gemälden auf Reispapier aus China zeigt den Weg des Tees von der Ernte über Trocknen und Verpacken bis zum Verkauf auf. Tulpenmanie oder die Leidenschaft für Orchideen sind weitere Themen. Carolus Clusius aus Flandern war an Tulpen besonders interessiert; er hatte erstmals diese klassifiziert und ihre Merkmale festgehalten. So konnte in der ersten Hälfte des 17.Jahrhunderts das Tulpenzüchten zum erträglichen Geschäft in den Niederlanden werden.

Schließlich kommt auch der Umweltschutz in dem Buch nicht zu kurz, es wird auf die Bedeutung der Biodiversität und auf Artenschutz, auf Rettungsmaßnahmen für die Pflanzenwelt – bereits Alexander von Humboldt äußerte sich 1799 besorgt über Raubbau –, die Folgen des Klimawandels, die heutige Aufgabe Botanischer Gärten oder Samenarchive wie jenes in der "Svalbard Internatonal Seed Vault"nahe dem Nordpol hingewiesen.

Das Buch von Carolyn Fry, Mitglied der "Royal Geographical Society", liest sich streckenweise wie ein Abenteuerroman und ist ästhetisch und aufwendig publiziert und gleichzeitig kenntnisreich geschrieben – daher das ideale Geschenk für Pflanzenliebhaber, Hobbygärtner und auch Historiker. Seinen Preis ist der Band allein wegen der Aufmachung wert. Durch die Vielseitigkeit der Texte und der Aufmachung wird ein breites Publikum angesprochen, denn hier stoßen selbst Experten noch auf neue Erkenntnisse.

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