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Experimentelle Metaphysik

In der Quantenphysik verhalten sich Atome wie Teilchen oder Wellen – eine Erklärung, die zu den vielleicht erfolgreichsten physikalischen Theorien aller Zeiten zählt. Dieser Wellen-Teilchen-Dualismus ist aber nach wie vor nur schwer zu begreifen. Nach ein paar Seiten in Valerio Scaranis Buch "Physik in Quanten" werden wir erkennen, dass sich Quanten einmal teilchenähnlich verhalten können, unter anderen Bedingungen aber wellenähnlich – sie sind aber weder Welle noch Teilchen! Denn welche Eigenschaften die Atome "zeigen" hängt direkt mit der Art und Weise der Beobachtung zusammen.

Die Quantentheorie entstand nicht aus einem Guss. Die Meilensteine, die der Autor beschreibt geben ein einzigartiges Bild der Entwicklung. Viele Bereiche der Physik – etwa Mechanik, Thermodynamik, Elektrizität und Magnetismus – wurden vor nicht langer Zeit noch als völlig unzusammenhängende Teile der Physik unterrichtet. Erst die Vision vom atomaren Aufbau der Materie ermöglichte, alle Phänomene auf die Bewegung von Atomen zurückzuführen.

Das Buch beginnt mit einem Vortrag, der zur "zweiten Quantenrevolution" führen sollte und stellt dann in zwei Abschnitten "Quanteninterferenz" und "Quantenkorrelation" vor. Trotz der Kürze der Kapitel thematisiert der Autor auf hervorragende Weise das Wesentliche, seine Ausführungen sind in klarer Struktur und mit den guten Grafiken für den Leser verständlich.

Der erste Höhepunkt des Buches ist die Beschreibung der Resultate von Konstanz, wo Heisenbergs Experimente das Verschwinden der Interferenz nicht vollständig erklären können. Ein nächster interessanter Ausflug führt in den Bereich der Quantenkryptographie, wo sich die Tatsache zunutze gemacht werden kann, dass eine Messung (irgendeiner Art) das zu übertragende Ergebnis verändert – und damit ein Zugriffsversuch beispielsweise auf Computerinhalte erkannt wird.

Äußerst gelungen ist das auch nächste Kapitel, in dem uns die Bell'sche Ungleichung vorgestellt wird, die sehr ausführlich und verständlich hergeleitet wird. Verschränkte Teilchenpaare werden häufig mit zwei Würfeln verglichen, die, wenn man sie gleichzeitig wirft, immer die gleiche Augenzahl liefern. Wird nämlich eines der verschränkten Teilchen von einem Detektor nachgewiesen und auf seine Eigenschaften hin untersucht, so stehen augenblicklich auch die Eigenschaften des anderen Teilchens fest. Es werden also Teilchenpaare untersucht und deren "Verschränktheit". Doch entsteht diese wirklich an der Quelle?

Diesen "Spuk" konnte Albert Einstein zeit seines Lebens nicht akzeptieren. Die Relativitätstheorie verbietet schließlich den Austausch von Informationen schneller als das Licht sich ausbreiten kann, und diesen Grundsatz sah Einstein im Fall der Verschränkung verletzt. In den letzten Monaten haben die Wiener Physiker um Anton Zeilinger diese Frage neu gestellt und die Photonen durch Polarisatoren geschickt, die nur elliptisch polarisiertes Licht durchließen. Erwartungsgemäß verletzten die Photonenpaare die neuen Ungleichungen von Leggett.

Klarheit, Präzision im Audruck und profundes Wissen des Autors fallen auf. Der Leser gewinnt in allen Kapiteln einen fundierten Eindruck in die Fragestellung. Es ist ein Versuch die Geschichte der Quantenphysik auch für den interessierten Nicht-Physiker darzustellen: Er ist erstklassig gelungen.

Wird sich die Menschheit an die Quanteneffekte gewöhnen? Bestimmt, der Rezensent schließt sich da der Meinung des Autors an – und es werden uns noch viele Überraschungen bevorstehen!

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