Unter Staub und Asche
Seit der Aufsehen erregenden Verfilmung von Edward Bulwer-Lyttons "Die letzten Tage von Pompeji" und dem Bestseller "Pompeji" von Robert Harris – wobei sich der Augenzeugenbericht von Plinius dem Jüngeren beinahe ebenso aufregend liest –, ist die antike Stadt am Fuße des Vesuvs in aller Munde. Das war nicht immer so gewesen. Nachdem im August des Jahres 79 n. Chr. ein verheerender Vulkanausbruch die Region am Golf von Neapel verwüstet und Städte wie das im 6. Jh. v. Chr. von Griechen gegründete Pompeji, Herculaneum oder Stabiae unter einer meterhohen Asche- und Bimssteinschicht begraben hatte, herrschte bis zu Zufallsendeckungen bei Entwässerungsarbeiten Ende des 16. Jahrhunderts "Grabesstille" in Pompeji.
Erste wissenschaftliche Grabungen begannen Mitte des 18. Jahrhunderts und seit 1860 (Giuseppe Fiorelli) finden systematische Ausgrabungen von Italienern, Briten und Deutschen statt. Dennoch ist noch heute über ein Drittel der Stadt unerforscht. Als man mit der Freilegung der Überreste begann, die durch einen mehrtägigen Regen von Asche und Vulkangestein mehrere Meter hoch verschüttet worden waren, offenbarte sich eine Überraschung: Das vulkanische Material hatte alles versiegelt und wie in einer Momentaufnahme konserviert. Bestehende Hohlräume konnten mit Flüssiggips ausgespritzt werden, um so Lage und Ausdruck der Opfer festzuhalten – jene wohlbekannten Abgüsse von verkrümmten Menschenleibern entstanden. Wie sich später herausstellte, war es jedoch nicht das herabprasselnde vulkanische Material gewesen, dass so vielen Menschen das Leben gekostet hatte, sondern vielmehr ein pyroklastischer Sturm, eine über 100 Grad Celsius heiße Glutlawine, die alles niederwälzte und verglühen ließ.
Seit dem Bekanntwerden der spektakulären Funde zählt Pompeji zu den bedeutendsten archäologischen Stätten Europas und entsprechend groß sind die Besuchermassen, die sich Tag für Tag über das Ausgrabungsgelände ergießen und ihre Spuren hinterlassen. 1998 erklärte die Unesco Pompeji, Herculaneum und Torre Annunziata zum Weltkulturerbe der Menschheit, doch auch diese Maßnahme wird den weiteren Verfall nicht aufhalten können. Vandalismus und Diebstahl, Personalmangel und Budgetknappheit haben dazu geführt, dass heute nur noch 12 Prozent der 67 Hektar großen Fläche betreten werden dürfen und dass, speziell seit einem neuerlichen Erdbeben 1980, die Zahl der zugänglichen Häuser mittlerweile nur noch 14 beträgt. Die Wandmalereien, die glücklicherweise ab 1850 von Studenten aus Neapel dokumentiert worden sind, verblassen mehr und mehr, und der Schutz der Ruinen vor Witterungseinflüssen hat höchste Priorität.
Dabei geben Architektur, Kunstwerke und Alltagsgegenstände auf einmalige Weise Aufschluss über Wohnverhältnisse, Handel, Gewerbe, Kunst, Privat- und Alltagsleben der Menschen in einer für damalige Verhältnisse "modernen" und wohlhabenden Stadt, in der verschiedenste Handwerke zu Hause waren und es eine perfekte Wasserversorgung gab. Dazu war der Ort ein wichtiger Hafen und Handelsumschlagplatz sowie präferierter Villen-Standort.
Bücher über Pompeji – in erster Linie Bildbände – füllen ganze Regale in wissenschaftlichen Bibliotheken. Es geht dabei vor allem um einzelne Häuser und ihre Wandmalerei, die in vier "Pompejanische Stile" eingeteilt wurde. Diese konnten anhand von Mauertechnik, Begleitfunden, stilistischen Vergleichen und anderen Indizien auch zeitlich relativ genau fixiert werden. Filippo Coarelli, inzwischen im Ruhestand, gilt als einer der bekanntesten und produktivsten italienischen Archäologen, als Kenner der großen römischen Stätten (vor allem Rom und Pompeji) und als Spezialist für römische Architektur und Stadtplanung. Ihm ist auch die Rekonstruktion der "Forma Urbis", des antiken Stadtplans von Rom, zu verdanken, dazu archäologische Führer von Rom und Pompeji, die weltweit Handbuchcharakter errungen haben.
Unter Coarellis Ägide entstand in Kooperation mit Emidio De Albentiis (beide Universität Perugia), Maria Paola Guidobaldi (Soprindendenza Pompeji), Fabrizio Pesando (Universität Neapel) und Antonio Varone (Soprindendenza Pompeji) ein grandios aufgemachter, brilliant bebilderter, großformatiger Bildband, der 2002 in Italienisch und wenig später übersetzt bei Hirmer erschien. Dabei geht es nicht allein um Häuser und ihre Wandmalereien – wenngleich 16 Stadthäuser umfassend dokumentiert werden –, sondern auch um die urbanistische Entwicklung und um sozio-ökonomische Aspekte. Ergänzt um jüngste, interdisziplinär gewonnene Forschungsergebnisse der letzten Jahre und bildhaft unterlegt durch Schriftquellen, wie Plinius dem Jüngeren oder Vitruv, entsteht so ein facettenreiches Bild einer antiken Stadt.
Coarelli gibt eine Einführung in die Forschungsgeschichte, Geschichte und Kultur Pompejis, ehe in drei Hauptkapiteln verschiedene Teilaspekte abgehandelt werden: Erster Themenkomplex ist das "Öffentliche Leben", das die städtebaulichen Entwicklung der Stadt umfasst und sich mit "dem Heiligen" (Tempel und Heiligtümer, Kulte) sowie mit der Wirtschaft (Handwerksbetriebe, Märkte, Handel und andere) und Gesellschaft (Theater, Sport, Thermen) befasst – ein wahrhaft lesenswertes Kapitel!
Der zweite Komplex nennt sich "Die Kulisse des Privatlebens" und behandelt nach einigen Ausführungen zum Wohnhaus selbst die vier Pompejanischen Stile anhand ausgewählter Beispiele. Ein paar einführende, allgemeine Ausführungen zur Chronologie der einzelnen Stile und ihren Hauptcharakteristika hätten hier gut getan.
Knapper fällt der letzte Teil aus, "Der Totenkult", in dem Nekropolen und Grabbauten im Umfeld der Stadt behandelt werden. Im Anhang findet sich außer einem hilfreichen Glossar eine Bibliographie sortiert nach den einzelnen Kapiteln beziehungsweise Orten/Häusern, und ein Stadtplan von Pompeji nach Regionen. Ein Register fehlt, aber schließlich handelt es sich ja um kein rein wissenschaftliches Buch, sondern um einen Prachtband für den Wohnzimmertisch – was auch den stolzen Preis von 128 Euro erklären mag.
Erste wissenschaftliche Grabungen begannen Mitte des 18. Jahrhunderts und seit 1860 (Giuseppe Fiorelli) finden systematische Ausgrabungen von Italienern, Briten und Deutschen statt. Dennoch ist noch heute über ein Drittel der Stadt unerforscht. Als man mit der Freilegung der Überreste begann, die durch einen mehrtägigen Regen von Asche und Vulkangestein mehrere Meter hoch verschüttet worden waren, offenbarte sich eine Überraschung: Das vulkanische Material hatte alles versiegelt und wie in einer Momentaufnahme konserviert. Bestehende Hohlräume konnten mit Flüssiggips ausgespritzt werden, um so Lage und Ausdruck der Opfer festzuhalten – jene wohlbekannten Abgüsse von verkrümmten Menschenleibern entstanden. Wie sich später herausstellte, war es jedoch nicht das herabprasselnde vulkanische Material gewesen, dass so vielen Menschen das Leben gekostet hatte, sondern vielmehr ein pyroklastischer Sturm, eine über 100 Grad Celsius heiße Glutlawine, die alles niederwälzte und verglühen ließ.
Seit dem Bekanntwerden der spektakulären Funde zählt Pompeji zu den bedeutendsten archäologischen Stätten Europas und entsprechend groß sind die Besuchermassen, die sich Tag für Tag über das Ausgrabungsgelände ergießen und ihre Spuren hinterlassen. 1998 erklärte die Unesco Pompeji, Herculaneum und Torre Annunziata zum Weltkulturerbe der Menschheit, doch auch diese Maßnahme wird den weiteren Verfall nicht aufhalten können. Vandalismus und Diebstahl, Personalmangel und Budgetknappheit haben dazu geführt, dass heute nur noch 12 Prozent der 67 Hektar großen Fläche betreten werden dürfen und dass, speziell seit einem neuerlichen Erdbeben 1980, die Zahl der zugänglichen Häuser mittlerweile nur noch 14 beträgt. Die Wandmalereien, die glücklicherweise ab 1850 von Studenten aus Neapel dokumentiert worden sind, verblassen mehr und mehr, und der Schutz der Ruinen vor Witterungseinflüssen hat höchste Priorität.
Dabei geben Architektur, Kunstwerke und Alltagsgegenstände auf einmalige Weise Aufschluss über Wohnverhältnisse, Handel, Gewerbe, Kunst, Privat- und Alltagsleben der Menschen in einer für damalige Verhältnisse "modernen" und wohlhabenden Stadt, in der verschiedenste Handwerke zu Hause waren und es eine perfekte Wasserversorgung gab. Dazu war der Ort ein wichtiger Hafen und Handelsumschlagplatz sowie präferierter Villen-Standort.
Bücher über Pompeji – in erster Linie Bildbände – füllen ganze Regale in wissenschaftlichen Bibliotheken. Es geht dabei vor allem um einzelne Häuser und ihre Wandmalerei, die in vier "Pompejanische Stile" eingeteilt wurde. Diese konnten anhand von Mauertechnik, Begleitfunden, stilistischen Vergleichen und anderen Indizien auch zeitlich relativ genau fixiert werden. Filippo Coarelli, inzwischen im Ruhestand, gilt als einer der bekanntesten und produktivsten italienischen Archäologen, als Kenner der großen römischen Stätten (vor allem Rom und Pompeji) und als Spezialist für römische Architektur und Stadtplanung. Ihm ist auch die Rekonstruktion der "Forma Urbis", des antiken Stadtplans von Rom, zu verdanken, dazu archäologische Führer von Rom und Pompeji, die weltweit Handbuchcharakter errungen haben.
Unter Coarellis Ägide entstand in Kooperation mit Emidio De Albentiis (beide Universität Perugia), Maria Paola Guidobaldi (Soprindendenza Pompeji), Fabrizio Pesando (Universität Neapel) und Antonio Varone (Soprindendenza Pompeji) ein grandios aufgemachter, brilliant bebilderter, großformatiger Bildband, der 2002 in Italienisch und wenig später übersetzt bei Hirmer erschien. Dabei geht es nicht allein um Häuser und ihre Wandmalereien – wenngleich 16 Stadthäuser umfassend dokumentiert werden –, sondern auch um die urbanistische Entwicklung und um sozio-ökonomische Aspekte. Ergänzt um jüngste, interdisziplinär gewonnene Forschungsergebnisse der letzten Jahre und bildhaft unterlegt durch Schriftquellen, wie Plinius dem Jüngeren oder Vitruv, entsteht so ein facettenreiches Bild einer antiken Stadt.
Coarelli gibt eine Einführung in die Forschungsgeschichte, Geschichte und Kultur Pompejis, ehe in drei Hauptkapiteln verschiedene Teilaspekte abgehandelt werden: Erster Themenkomplex ist das "Öffentliche Leben", das die städtebaulichen Entwicklung der Stadt umfasst und sich mit "dem Heiligen" (Tempel und Heiligtümer, Kulte) sowie mit der Wirtschaft (Handwerksbetriebe, Märkte, Handel und andere) und Gesellschaft (Theater, Sport, Thermen) befasst – ein wahrhaft lesenswertes Kapitel!
Der zweite Komplex nennt sich "Die Kulisse des Privatlebens" und behandelt nach einigen Ausführungen zum Wohnhaus selbst die vier Pompejanischen Stile anhand ausgewählter Beispiele. Ein paar einführende, allgemeine Ausführungen zur Chronologie der einzelnen Stile und ihren Hauptcharakteristika hätten hier gut getan.
Knapper fällt der letzte Teil aus, "Der Totenkult", in dem Nekropolen und Grabbauten im Umfeld der Stadt behandelt werden. Im Anhang findet sich außer einem hilfreichen Glossar eine Bibliographie sortiert nach den einzelnen Kapiteln beziehungsweise Orten/Häusern, und ein Stadtplan von Pompeji nach Regionen. Ein Register fehlt, aber schließlich handelt es sich ja um kein rein wissenschaftliches Buch, sondern um einen Prachtband für den Wohnzimmertisch – was auch den stolzen Preis von 128 Euro erklären mag.
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