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Der grüne Konservative

Im Vorwort nimmt der Autor, Publizist und Philosoph an der University of Oxford, deutlich Stellung zu seinem Vorhaben: "Meine Absicht ist es, die Umweltfrage als Ganzes in all ihren Verästelungen anzugehen. Daher ziehe ich sowohl Philosophen als auch Psychologen und Wirtschaftsfachleute zu Rate. Ich verlasse mich auf Ökologen ebenso wie auf Historiker."

Diesem breiten Untersuchungsansatz widmet sich Scruton in elf Kapiteln. Er geht von der Feststellung aus, dass die Umweltbewegung in jüngerer Zeit "sowohl von Unterstützern als auch von Gegnern als 'irgendwie links' angesehen wird, nämlich als eine Protestbewegung für die Unterschichten der Gesellschaft und gegen Big Business, Konsum und die Strukturen sozialer Macht". Gegen dieses Bild wehrt sich der Autor, indem er einen alternativen Begriff von "Heimat" entwickelt, wobei er sich auf Dokumente der Umweltbewegung in westlichen Ländern stützt. Linksgerichtete Umweltschützer, schreibt er, verknüpften konservatives Denken gewöhnlich mit freiem Unternehmertum und mit der Plünderung unseres Planeten zwecks kurzfristiger Gewinnmaximierung. An diesem polar ausgerichteten Denken seien die Konservativen selbst schuld, weil sie sich auf die simple Unterteilung zwischen individueller Freiheit einerseits und staatlicher Kontrolle andererseits beschränkt hätten. Doch konservatives Denken und Umweltschutz, so Scruton, gehörten von Natur aus zusammen.

Statt Umwelt- und soziale Probleme global lösen zu wollen, strebten konservative Modelle nach lokaler Ausrichtung. Dazu gehöre auch das Recht einer Nation auf Selbstverwaltung und auf die Umsetzung politischer Maßnahmen, die sich an örtlichen Gepflogenheiten orientieren. Scruton entwickelt einen umweltpolitischen Ansatz, in dem die territoriale Loyalität an zentraler Stelle steht. Seine Vorschläge folgen dem Grundsatz: Derjenige, der den Schaden verursacht, soll ihn auch beheben. Trotz grenzüberschreitender Schäden infolge des Klimawandels seien die einzelnen Nationen für ihren jeweiligen Beitrag dazu verantwortlich.

Zudem setzt sich der Autor mit der "cultural theory" auseinander, die in den 1980er Jahren entstand und den gesellschaftlichen Umgang mit Risiken thematisiert. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Bekämpfung der Folgen des Klimawandels völlig neue Anpassungsmuster erforderlich mache. Die meisten Bürger fühlten sich aber nicht angesprochen, wenn es darum gehe, sich für die Umsetzung von Klimaschutzgesetzen zu engagieren. Und das "Vorsorgeprinzip", bis vor wenigen Jahren ein Grundpfeiler staatlichen Handelns für den Umweltschutz, sei mittlerweile so verwässert worden, dass es alles und jedes rechtfertige.

Mögliche Lösungen sieht Scruton darin, sich um die Homöostase (die Aufrechterhaltung eines Gleichgewichts) in der Umwelt zu bemühen, die Wirtschaft nach moralischen Prinzipien zu gestalten und – ganz im Sinne von konservativen Konzeptionen – die Liebe zur Heimat zu pflegen. Deshalb befürwortet er "Oikophilie", ein an Fürsorge und Verantwortungsethik orientiertes Handeln. Hingegen hält er wenig davon, Regierungen zu immer neuen Gesetzen und Regulierungen zu zwingen.

Mündige Bürgerinnen und Bürger sollten sich selbstverantwortlich gegen die Maßnahmen radikaler Umweltschützer stellen – so die These des Verfassers. Er versucht aufzuzeigen, wie man ein ethisch motiviertes Umweltbewusstsein entwickeln kann. Allerdings erweisen sich seine Entweder-Oder-Alternativen dabei ebenso wenig praktikabel wie seine bescheidenen Vorschläge zur Lösung globaler Umweltprobleme. Scrutons "grüne Philosophie" beschränkt sich auf die Idee eines Umweltbewusstseins in der Bevölkerung. Es appelliert an die Befürworter einer Zivilgesellschaft, die sich in demokratischen Staaten zwar allmählich entfaltet, andernorts aber noch im Keimstadium verharrt. Dieser Ansatz verkennt, dass der akute Problemstau in Sachen Umweltpolitik zum raschen, globalen Handeln zwingt.

Scrutons "Oikophilie" erweist sich als ethisches Prinzip auf der Grundlage von Bewusstseinsstrukturen in regional überschaubaren Kulturräumen. Sie ist zu konservativ gedacht, um ein global wirksames Umdenken in die Praxis umsetzen zu helfen, hilft damit nur wenig beim Bewältigen global verursachter Umweltkatastrophen.

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