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Die "Neuen" unter den Sternen

Als Tycho Brahe im Jahr 1572 ein "neuen Stern" in der Cassiopeia entdeckte, sah er nur ein helles Licht. Aus der fehlenden Parallaxe folgerte er einen Ort jenseits des Sonnensystems. Seitdem ist viel Zeit vergangen und die Erklärung für das seltene Phänomen kam erst in den letzten Jahrzehnten so richtig in Fahrt. Heute rücken wir diesen Supernovae mit den größten Teleskopen und Supercomputern auf den Leib. So wurde aus Brahes dürftigen Informationen ein Datensatz, der nur noch in Terabytes zu messen ist.

Wir dringen in die kleinsten Verästelungen der gewaltigen Sternexplosion vor und stoßen dabei auf immer neue Fragen, die nur noch Spezialisten der Relativitätstheorie, Quantenmechanik, Magnetohydrodynamik und Elementarteilchenphysik etwas sagen. Es geht um Dinge wie entartete Materie, Neutrinos, Jets, Instabilitäten, Schwarze Löcher oder Gravitationswellen. Eine harte Kost, die zeigt wie weit wir seit den Tagen von Brahe gekommen sind.

Hans-Thomas Janka ist von Fach – wissenschaftlicher Mitarbeiter am MPI für Astrophysik in Garching und Theoretiker. Das merkt man dem Buch "Supernovae" an. Der sparsame Bezug zur Beobachtung (vom Autor durchaus eingeräumt) ist aber kein Mangel. Wo kann man schon derart hautnah verfolgen, wie Supernovamodelle arbeiten und welche komplexen Prozesse – nach der Theorie – bei diesem dramatischen Ereignis ablaufen. Es wird kaum etwas ausgelassen, und zuweilen ist der Stoff nur etwas für Spezialisten. Hilfestellung bieten aber die zahlreichen Erläuterungsboxen, Farbgrafiken und der Glossar. Das Buch ist gut gegliedert, der Text flüssig, klar und kompetent geschrieben.

Der Autor beginnt mit einer historischen Einleitung, die bei der spektakulären Supernova 1987A endet. Sie war zweifellos ein Meilenstein, konnte doch erstmals ein relativ nahes Ereignis mit modernster Technik analysiert werden. Im zweiten Kapitel geht es um die Entwicklung massereicher Sterne. Grundlegende Begriffe wie Strahlung, Stabilität, Kernfusion, Weiße Zwerge und Neutronensterne werden verständlich erläutert.

Anschließend wird der Sternkollaps behandelt; eine der beiden fundamentalen Ursachen von Supernovae. Nach Aufbrauchen der Energiereserven kommt es bei massereichen Sternen zum Kollabieren des Kerns. Dies führt in der Regel zur Bildung von Neutronensternen, die gelegentlich als Pulsare sichtbar werden. Bei sehr großer Kernmasse entsteht sogar ein rotierendes Schwarzes Loch. So lassen sich die besonders energiereichen "Hypernovae" erklären.

Ihre starken Magnetfelder können polare Jets erzeugen, die als Gammastrahlenblitze beobachtet werden wenn sie auf uns gerichtet sind. Das erste Ereignis wurde 1967 zufällig von einem Militärsatelliten registriert. Nach anfänglichem Rätselraten über die Entfernung und Natur dieser kosmischen Blitze hat unser Wissen deutlich zugenommen. Noch exotischer sind Paarinstabilitätssupernovae.

Die zweite Ursache für Supernovae, die thermonukleare Detonation, wird im vierten Kapitel behandelt. Hier sind Weiße Zwerge in Doppelsternsystemen betroffen, die Materie des Begleitsterns aufsaugen bis sie instabil werden. Auch die Kollision von Neutronensternen wird diskutiert. Leider lassen die Modellrechnungen derzeit noch viele Fragen offen. Die Folge ist ein unstillbarer Drang nach immer mehr Rechenleistung. Vielleicht liegt der Schlüssel aber auch in der Beobachtung.

Es gilt neue Beobachtungsfenster zu öffnen, wie im letzten Kapitel "Boten aus dem Zentrum der Explosion" beschrieben. Man setzt auf Neutrinos und Gravitationswellen. Damit werden wir in der Lage sein, deutlich tiefer in eine Supernova zu blicken als dies mit elektromagnetischer Strahlung möglich ist. Das Problem ist allein deren Nachweis, für den gewaltige Detektoren nötig sind. Bei Neutrinos wurden schon erste Erfolge erzielt, so hat man die schwach wechselwirkenden Teilchen bei dem Ereignis von 1987 sogar vor dem Lichtsignal registriert. Gravitationswellen zieren sich dagegen noch und man wartet trotz ausgeklügelter Technik geduldig auf den direkten Nachweis.

Einige Themen werden im Buch etwas vernachlässigt. So findet man relativ wenig über Supernovaüberreste, Rotverschiebung (etwa im Nachglühen von Gammastrahlenblitzen) oder die Gefahren für die Erde. Es wäre schon interessant zu wissen, welche Kandidaten uns – abhängig von Entfernung und Explosionsenergie – gefährlich werden könnten. Was wird etwa passieren, wenn uns ein Gammablitz aus der Milchstraße trifft?

Insgesamt hat Janka ein sehr lesenswertes Buch zum Thema geschrieben, das allerdings einige Vorkenntnis in Astrophysik erfordert. Es ist in zweierlei Hinsicht aktuell, denn zum einen wird der neueste Stand der Supernovatheorie präsentiert und zum anderen bereitet es uns auf ein Ereignis vor, das längst überfällig ist: Eine helle galaktische Supernova, so wie Tycho Brahe sie einst sah. Ob das allerdings ein "Glück" ist, steht noch in den Sternen.

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