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Fach-Lektüre für "Lemis"

Das Lebensmittelrecht hat seit Öffnung des Binnenmarktes eine Vielzahl an Änderungen erfahren. Als Folge wurde das seit 1975 geltende Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz abgelöst. Nunmehr gelten die einheitlichen, allgemeinen Grundsätze des Lebensmittelrechts der Basisverordnung der Europäischen Union und das nationale Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch. Auch die fast zwanzig verschiedenen Hygienevorschriften wurden aktualisiert und zu einem Hygienepaket aus drei Verordnungen umgearbeitet. Um die gesundheitliche Sicherheit der Verbraucher weiterhin sicher zu stellen, soll die Lebensmittelkette nun vom Feld oder Stall bis zum Verkauf stärker in die amtliche Überwachung mit einbezogen und auch Futtermittel und Nahrungsergänzungsmittel miterfasst werden. Um diesen Neuerungen Rechenschaft zu tragen, hat Wolfgang Frede unter Mitarbeit kompetenter Autoren aus der Praxis jetzt die zweite Auflage seines "Taschenbuchs für Lebensmittelchemiker" herausgegeben.

Die jeweiligen Autoren beschreiben in dem einleitenden Block zunächst die Zusammenhänge der komplexen rechtlichen Regelungen der europäischen Union im Verkehr mit Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen. Da der Vollzug der Kontrolle zum größten Teil unmittelbar jedem Mitgliedsstaat obliegt, behandeln sie ergänzend die Organisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes in Deutschland und den Vollzug der amtlichen Kontrolle hierzulande sowie in Österreich und der Schweiz. Innerhalb der Bundesländer ist die Überwachung in drei Stufen aufgebaut: Die praktischen Arbeiten, das heißt die Kontrollbesuche bei den Unternehmen, Probenahmen, Untersuchungen und rechtliche Bewertung führen die Landesuntersuchungsämter der Landkreise, kreisfreien Städte und Bezirksämter mit der jeweiligen Bezirksregierung als übergeordnete Behörde durch. Die Fäden laufen dann bei den obersten Landesbehörden zusammen, wobei das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit die Koordination übernimmt.

Anforderungen an Lebensmittel und an Behörden

Jedes Unternehmen der Lebensmittelbranche kann langfristig nur überleben, wenn die Kunden zufrieden sind. Dafür muss die Qualität der Lebensmittel in Ordnung sein, Vorfälle wie der Fleischskandal oder unzulässiger gentechnisch veränderter Mais in der Europäischen Union dürfen nicht vorkommen! Doch was versteht man eigentlich unter Qualität? Die Begriffserklärung in der internationalen Norm ISO 9000 ist recht sperrig, daher umschreiben sie die Autoren des folgenden Kapitels: "Das Menü eines Sterne-Kochs hat keine gute Qualität, wenn es nicht dem Niveau von Sterneköchen entspricht. Es ist aber sicher exzellent gegenüber einem Fast-Food-Burger …" Der Begriff orientiert sich also an bestimmten vorgegebenen Anforderungen. Jedes Unternehmen sollte daher ein Qualitätssicherungssystem einrichten, um Mängeln vorzubeugen, während der Prozesse Fehlerquellen aufzudecken und rechtzeitig Korrekturmaßnahmen einzuleiten. Die Verfasser führen in diesem Zusammenhang die geltenden Normen auf und gehen genauer auf das HACCP-Prinzip – die Risiko-Analyse und Beherrschung – ein.

Im Weiteren widmen sie sich der so genannten Akkreditierung, mit der ein Labor seine Kompetenz für bestimmte Aufgaben nachweisen kann. Konkreter wird es, wenn sie anschließend verschiedene Untersuchungsmethoden beschreiben, zum Beispiel immunologische Verfahren. Die Lebensmittelchemiker setzen unter anderem die ELISA-Technik ein, um Allergene, Zöliakie-auslösendes Gluten, Mykotoxine oder BSE-Prionen aufzuspüren. Rückstände von Antibiotika oder Acrylamid werden dagegen meist mit Hilfe der Massenspektralphotometrie untersucht. Immer stärkere Bedeutung erfährt auch die Sensorik, bei der die menschlichen Sinne quasi als Messinstrument fungieren. Sensorik erfüllt sowohl wichtige Aufgaben bei der Qualitätssicherung als auch bei der Produktentwicklung und Marktforschung, weshalb die Autoren hier ebenfalls die wichtigsten Grundlagen beschreiben.

Jede Untersuchung mit konkretem Ziel

So vorbereitet, bekommt der Leser einen Überblick über Lebensmittelinhalts- und Zusatzstoffe sowie unerwünschte Rückstände. Die Kapitel über Lebensmittelbestandteile enthalten jeweils eine Definition und eine Beschreibung ihrer physikalischen wie chemischen Eigenschaften, teilweise auch der sensorischen Aspekte. Bei den Zusatzstoffen nennen die Autoren die entsprechenden rechtlichen Regelungen und stellen die einzelnen Gruppen wie Antioxidantien oder Emulgatoren vor. Zu den unerlaubten Stoffen gehören Pflanzenschutz-, Tierbehandlungsmittel und Umweltschadstoffe. Auch hierauf gehen sie mit einer Warenkunde und den rechtlichen Rahmenbedingungen kurz ein, bevor sie die üblichen Untersuchungsmethoden für eine Bestrahlung und die mikrobiologischen Beschaffenheit von Lebensmitteln ansprechen. Ab der zweiten Buchhälfte befassen sie sich mit den einzelnen Warengruppen von Milch bis zu Genussmitteln, zwar wiederum nicht erschöpfend, aber doch hilfreich und informativ. Erläuterungen zu Aromen, Novel Food und Lebensmitteln für eine besondere Ernährung schließen sich ebenso an wie die zu Bedarfsgegenständen, Kosmetika oder Futtermitteln.

Mit 1168 Seiten – der Name Taschenbuch ist eigentlich irreführend – soll das Buch in die verschiedenen Sachgebiete einführen und keine Lehrbücher ersetzen. Als Zielgruppe nennt Herausgeber Wolfgang Frede zu Recht vor allem Lebensmittelchemiker und Sachverständige sowie Verantwortliche angrenzender Fachgebiete oder an Studenten. Denn ohne einen gewissen Wissensschatz in die trockene Kost "Lebensmittelrecht" wird das mit Gesetzen gespickte Buch manchen Leser verwirren. Bei der Themenvielfalt können die Informationen im Prinzip auch nur Stichworte für weiter gehende Recherchen liefern, wobei die jedem Kapitel folgenden Literaturhinweise sehr hilfreich sind. Das sorgfältig recherchierte Fachbuch eignet sich insofern sehr gut als aktuelles, korrektes Nachschlagewerk oder dazu, um sich einen Überblick über ein bestimmtes Gebiet zu schaffen.

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