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Die Dosis macht das Gift

In schöner Regelmäßigkeit berichten die Medien über Lebensmittelskandale und informieren über schädliche Substanzen, die sich in Spielzeug, Kleidern oder Verpackungen verbergen. Heute wissen wir (vermeintlich) besser denn je, was schlecht für uns ist – und meiden es nach Möglichkeit, um gesund zu bleiben. Eine Sorge, die selbst zur Krankheit werden kann, denn nicht alle Schadstoffbelastungen sind gefährlich für unsere Gesundheit, abgesehen davon, dass eine vollständig "giftfreie" Ernährung dem Reich der Märchen angehört. Es bleibt die Frage nach dem richtigen Maß – dem schmalen Grad zwischen Leichtsinn und Hysterie.

In dem Buch "Unser täglich Gift" versucht der Pharmazeut Hermann Josef Roth diese Balance zu erreichen, indem er sachlich informiert und Fakten ins rechte Licht rückt. Er versetzt den Leser so in die Lage, das Gefährdungspotenzial vieler Substanzen, mit denen wir täglich in Kontakt kommen, kompetent zu beurteilen. Auf insgesamt 256 Seiten behandelt er verschiedene Umwelt- und Alltagsgifte, Luft- und Wasserverunreinigungen, Rauschgifte, Doping- und Genussmittel, Kosmetika und natürliche Toxine. Jedem Schadstoff widmet er ein bis zwei Seiten – eine knappe, aber inhaltlich dennoch umfassende Darstellung. Auch auf Allergien und Unverträglichkeiten, versteckte Fette, Zucker und Nahrungsergänzungsmittel geht der Autor ein.

Die Leser erfahren manches, das im ersten Moment erschreckt: Trinkwasser enthält Blei, in Fischfilets findet sich Quecksilber und Speisepilze weisen einen gewissen Gehalt an Cadmium auf. Jedoch klärt Roth uns sogleich über die Relationen auf. So sei die Gefahr einer Bleivergiftung beim Trinken aus der Wasserleitung heute nur noch sehr klein, was aktuelle Daten aus der Trinkwasserverordnung und Erhebungen des Bundesinstituts für Risikobewertung belegten. Diese Daten präsentiert der Autor nicht nur, er garniert sie auch mit unterhaltsamen Randinformationen. So finde man in Artischocken gelegentlich Bleikügelchen, die von der Fasan-Jagd mit Schrotflinten stammten, und der Komponist Ludwig van Beethoven (1770-1827) sei dem Blei verfallen gewesen, genauer dem Wein, der früher mit Bleizucker veredelt wurde und infolge dessen Konsums die Organe des Musikers schließlich versagten.

Informationen über die wichtigsten Pestizid-Skandale, über Lebensmittelfarbstoffe sowie über Substanzen in "altershemmenden" Produkten verschaffen dem Leser einen weitgefächerten Überblick. Mengenvergleiche zu bestimmten Inhaltsstoffen, etwa dem Koffeingehalt in Softdrinks, Kaffee und Tee rufen regelmäßig Aha-Effekte hervor. Wussten Sie beispielsweise, dass die organische Säure Taurin in dem Getränk "Red Bull" keinerlei beflügelnde Wirkung auf den Körper hat, wie vom Hersteller angepriesen, und unser Organismus diese Substanz selbst synthetisiert? So räumt der Autor mit zahlreichen Irrtümern rund um die Ernährung auf.

Roths Schreibstil ist verständlich, sein Buch übersichtlich strukturiert. Hin und wieder lässt es Details und tiefergehende Erklärungen vermissen, was aufgrund der Themenvielfalt und des interessanten Beiwerks aber verzeihlich ist. Im Anhang finden sich ein Glossar, ein Abkürzungsverzeichnis und weiterführende Erläuterungen. Angesichts des gut nachvollziehbaren Texts muss man aber nur selten darauf zurückgreifen. Insgesamt ein empfehlenswertes Werk – nicht nur für Chemiker.

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