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Das Biest im All

Man könnte sagen, es handele sich um die Verbindung "Die Schöne und das Biest". Denn der Schutzumschlag zeigt eine geheimnisvolle Frau, stark geschminkt mit wilden Locken: Silke Britzen, Astronomin am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn. Und das Biest? Das lauert derweil verborgen im All, wartet darauf Materie zu verschlingen und hört auf den Namen "Schwarzes Loch". Diese Gravitationsmonster gibt es in allen Größen – von stellaren Löchern mit wenigen Sonnenmassen bis hin zu supermassiven Objekten in den Zentren der Galaxien.

Zunächst als Ausgeburt von Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie geschmäht, haben Schwarze Löcher zunehmend an "Realität" gewonnen. Hier ist viel Masse auf extrem kleinem Raum konzentriert – im Grenzfall spricht man von einer im Allgemeinen rotierenden Raum-Zeit-Singularität. Zwar fehlt noch der direkte Nachweis, indirekt zeigt sich ein Schwarzes Loch aber durch seine Wirkung auf Licht und Materie. Das reicht von relativ harmloser Lichtablenkung über die Umlaufbewegung von Sternen um ein unsichtbares Zentrum bis zum Verschlingen großer Massen. Sterne, die dem Loch zu nahe kommen, werden erst auseinandergerissen ("spaghettisiert"), dann sammelt sich die Materie in einer Akkretionsscheibe und wird schließlich komplett aufgesogen. Dabei entstehen alle Arten von Strahlung, von Wärme über Licht bis zu Gammastrahlen. Ein Teil der Materie wird entlang von hochenergetischen Jets in den Raum katapultiert. Drehimpuls und Magnetfelder spielen dabei eine große Rolle. Dieses dramatische Szenario wird im Buch ausführlich dargestellt.

Es geht aber auch um dessen Beobachtung: Hier ist eine extrem hohe Auflösung erforderlich, was nur durch Interferometrie, also das Zusammenschalten mehrere Teleskope erreichbar ist. Optisch gelingt dies im nahen Infrarot, etwa am Very Large Telescope in Chile, noch effektiver ist aber der Radiobereich. Hier werden weltweit Radioteleskope zusammengeschaltet ("Very Long Baseline Interferometry"), was eine "Schüssel" vom Erddurchmesser simuliert. Durch das ehrgeizige Projekt "Event Horizon" hofft man so, ein Schwarzes Loch direkt beobachten zu können – oder besser: die Akkretionsscheibe. Aussichtsreiche Ziele sind das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße mit 4,3 Millionen Sonnenmassen sowie eines in der Riesengalaxie M 87 mit 6,6 Milliarden Sonnenmassen. Hier ist die Radioastronomin Britzen in ihrem Element und liefert interessante Einblicke.

Und was ist mit dem "verbotenen Universum"? Das eigentliche Schwarze Loch – die Raum-Zeit-Singularität – verbirgt sich, so der "kosmische Zensor" will, diskret hinter einem Ereignishorizont, dessen Größe proportional zur Masse ist. Beim Schwarzen Loch im Milchstraßenzentrum sind dies circa 15 Millionen Kilometer, was zehn Prozent der Entfernung Erde-Sonne entspricht. Nach Britzen beginnt hinter dem Horizont das verbotene Universum. Was in diesen obskuren Bereich gelangt, kommt nie wieder zum Vorschein, und bis auf Masse, Drehimpuls und Ladung gehen dabei alle Eigenschaften (Informationen) verloren.

Die zentrale Singularität ist offenbar ein Zeichen dafür, dass die gegenwärtige Physik mit ihrem Latein am Ende ist. Um das verbotene Universum zu erkunden, bedarf es einer völlig neuen Theorie – aus der Vereinigung von Quanten- und Gravitationstheorie. Bis es soweit ist, kann nur spekuliert werden – und das macht die Autorin in epischer Breite. Leider führt dies, wie an anderen Stellen des Buchs auch, zu häufigen Wiederholungen. Nicht jedem wird der betont lockere Schreibstil gefallen, geht es doch um so ernste Dinge wie das Schicksal von Sternen, Galaxien, ja sogar des ganzen Universums. Wahrscheinlich wird sich die Materie, nach dem Ausbrennen aller Sterne, in Schwarzen Löchern sammeln. Damit ist aber der Endzustand noch nicht erreicht, denn sie sind, so die Theorie von Hawking, nicht stabil, sondern verlieren durch Strahlung langsam an Masse. Unklar ist zudem, ob bei der finalen Auflösung die im Loch verloren gegangene Information wieder zum Vorschein kommt. Leider wird es wohl niemanden geben, der dies messen kann.

Auf etwa 250 Seiten wird viel über Schwarze Löcher, Universum, Urknall, Dunkle Materie, Gravitationswellen und astrophysikalische Messmethoden erzählt. Auch Kreativität und sogar die Kunst bleibt nicht außen vor – eine eigenwillige Mischung. Das Buch verzichtet ganz auf Abbildungen, obwohl hin und wieder eine Grafik einen schwierigen Sachverhalt sicher besser darstellen würde als blumige Prosa. Statt eines Sachverzeichnisses findet sich am Ende ein Glossar, gefolgt von einer Literaturliste. Das Buch ist für Leser geeignet, die astrophysikalisch interessiert sind und sich über den Stand der Forschung zu Schwarzen Löchern auf lockere Weise informieren möchten. Ich selbst bevorzuge allerdings eine etwas strengere Darstellung.

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