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Auf Nimmerwiedersehen

Der Klimawandel ist weiterhin ein Topthema in den Nachrichten und öffentlichen Diskussionen. Dies ist nicht verwunderlich, scheint die Spezies Mensch doch zum Großteil selbst die Ursache der Erderwärmung zu sein. Nun hat der DuMont-Buchverlag – bekannt für seine Kunstbücher – eine fotografische Kompilation unter dem apokalyptischen Titel "Verschwindende Landschaften" unter der Federführung von Nadine Barth herausgegeben.

Einundzwanzig Künstler und Künstlerinnen – unter ihnen so bekannte Fotografen wie Robert Adams, Axel Hütte, Thomas Struth oder Hiroshi Sugimoto – präsentieren Arbeiten, die sie unter dem Eindruck des zerstörerischen Einflusses des Menschen auf die Natur zusammengestellt haben. Viele Fotos sind aktuellen Datums, bisweilen stammen sie aber auch aus den 1980er und 1990er Jahren; in dieser Zusammenstellung erhalten viele Fotografien einen neuen, erweiterten Sinn. Die Unterschiedlichkeit der Herangehensweisen macht das Buch so abwechslungsreich: von scheinbar flüchtigen Momentaufnahmen bis zur Langzeitstudie, von der Fotografie als interpretativem Mittel der subjektiven Wahrnehmung bis zur nüchternen Dokumentation, von der kontemplativ-meditativen Reflexion bis zur erschütternden "Realität".

Intensive Farben sind häufig Zeichen der modernen Konsumgesellschaft: grellbunte Giftflüsse wie zähe Lava in der Landschaft, alarmrote Thermojacken im Gletscherblau, ausgelaufene Ölfässer in rostigem Schlamm inmitten arktischer Fjordlandschaft. Häufig ist der erste Eindruck derjenige einer Schwarzweißfotografie. Grün ist nicht die dominierende Farbe, sondern Grau und kaltes Blau: Wolken, Eis, Wasser, weite Ebenen, Schnee, Himmel. Wo Natur in Form von Wald und Blüten dargestellt wird, ist sie überbordend oder wirkt artifiziell. Viele Aufnahmen sind Blicke durch Schleier, durch Milchglas, durch Dunst. Wie in Watte gepackt schaut der Mensch auf sein Werk. Angst scheint der gemeinsame Grundzustand der Künstler zu sein. Ein Wunder?

Neben dem Vorwort der Herausgeberin leiten vier weitere Textbeiträge den Bildteil ein: Die Perspektiven eines Fotografen (Friedrich Tietjen), eines Künstlers und Kunstkritikers (John Berger), eines Wissenschaftlers (Hans Joachim Schellnhuber) sowie eines Naturschützers (Karsten Smid) zirkeln den Buchinhalt ab und verleihen ihm so seinen thematischen Rahmen. Durch seine Länge ragt das Interview mit Hans Joachim Schellnhuber hervor – Schellnhuber ist der Direktor des Potsdam-Institutes für Klimafolgenforschung und kennt als Berater der deutschen Bundesregierung die Problematik des Klimawandels und der im Wortsinn "verschwindenden Landschaften".

Es ist erschütternd, welche Perspektiven er für die nächsten Dekaden prognostiziert und bewundernswert, mit welchem Optimismus er dennoch daran glaubt, dass wir es schaffen werden, das Schlimmste abzuwenden. Allerdings ruft er zu einem Kraftakt auf, den man als Revolution verstehen muss: "Wir müssen unsere Weltwirtschaft neu erfinden [...] Das globale Wirtschaftsleben [...] muss dekarbonisiert werden." Dekarbonisieren bedeutet "vom (fossilen) Kohlenstoff befreien" – also: Können wir uns eine Welt ohne die heutigen Verbrennungsmotoren, Gasheizungen, Flugreisen vorstellen?

Der imposante Bildband eröffnet eine weitere Facette, mit der hausgemachten globalen Bedrohung umzugehen, das im Allgemeinen vermeintlich nüchtern und abgeklärt angegangen wird. In der Konsequenz muss man jedoch fragen, ob die Aufklärung jemals stattgefunden hat. Gerade deshalb ist der künstlerische Umgang mit der prognostizierten Zukunft so hilfreich für uns. Er zeigt uns Betrachtern auf eine subtil-emotionale Weise: Wir sind mit unserer Verunsicherung nicht allein.

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