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Einladung zum Wundern

Ein poetisch-humorvoller Streifzug durch die Jahreszeiten.

»Jede Jahreszeit, jeder Monat steckt voller Naturgeheimnisse«, schreibt die Naturforscherin und Autorin Sy Montgomery in ihrem neuen Buch. Sie möchte auch andere Menschen zum Hinsehen anregen und nimmt ihre Leser(innen) deshalb mit auf einen Streifzug durch die Jahreszeiten.

Das erste Viertel widmet sie dem Frühling, wo sie unter anderem Flechten, Farne, Frösche, Regenwürmer und Singvögel beschreibt. Stets mischt sie dabei Sachinformationen mit humorvollen Einschüben und Poesie. So schwärmt sie von der Vielfalt der Flechten und ihren unterschiedlichen Formen und Farben. Es gebe welche, die an die winzigen Bäume von Modelleisenbahnen denken ließen und auch tatsächlich dafür genutzt würden. Andere, »dieser weniger charmante Vergleich sei gestattet, erinnern an Hautkrankheiten«.

Erfolgreiche Lebensgemeinschaften

Hier schiebt die Autorin gleich das Detail nach, dass Flechten ihrem jeweiligen Untergrund nicht schaden, dass es sich um symbiotische Lebensgemeinschaften von Pilzen und Algen handle und dass sie ein wichtiger Umweltindikator für die Luftqualität seien. Die Leser erfahren, wie die Pilze ihre Nährstoffe mit den Algen teilen und ihrerseits von deren Photosynthese-Fähigkeit profitieren. Mit dem Hinweis, dass Flechten zur Herstellung von Medikamenten, Parfums, Aroma- und Farbstoffen dienen, stellt Montgomery den Bezug zum Alltag her.

Amüsante Zwischentöne flicht die Naturforscherin auch in ihre Abschnitte über Frösche und Regenwürmer und deren Liebesleben ein. Bei ersteren würden nur die Männchen lautstark quaken und damit potenzielle Partnerinnen auf sich aufmerksam machen; im Eifer des Liebesakts würden die Schreihälse dann auch mal versehentlich andere Männchen bespringen. Regenwürmer wiederum seien ökologisch äußerst wichtig, denn würden sie nicht mit ihren Tunneln den Boden belüften und mit ihrem Kot düngen, wäre ein Großteil der Erde unfruchtbar. Die Tiere bildeten als Zwitter sowohl Samen als auch Eizellen, kopulierten Bauch an Bauch, aber mit dem Kopf des einen Wurms am Schwanzende des anderen. Ergänzend heißt es hier: Antreffen dürfte man die Tiere am ehesten, wenn der Regen sie aus ihren Tunneln treibe. Um unter freiem Himmel die für sie lebensbedrohlichen UV-Strahlen zu überleben, bräuchten sie »eigentlich Sonnenschutzfaktor 40«. Die Autorin regt deshalb dazu an, gefundene Regenwürmer zumindest ins schützende Gras umzusetzen.

Abwechslungsreich geht es auch in den Abschnitten über die anderen Jahreszeiten weiter. Für den Sommer weiß die Autorin Erstaunliches über Glühwürmchen, Fledermäuse, Libellen, Quallen oder Spinnen und ihre raffinierten Netze zu berichten. Beim Herbst stehen unter anderem Zikaden, Pilze, Wildfrüchte und Eichhörnchen im Fokus. Sogar im Winter lässt sich Montgomery zufolge vieles entdecken – wenn man denn mit wachen Sinnen durch die Natur streife. So könne man im Wald hören, wie unterschiedlich Birken und Kiefern im Wind rauschten oder unter ihrer Schneelast stöhnten. Neben Krähen seien mit etwas Glück auch Eulen zu entdecken oder die Spuren eines Fuchses zu bewundern.

Die Autorin befasst sich zudem mit Biotopen wie Schlamm, Gezeitentümpeln und Mooren. Trotz der knappen Darstellung bekommen die Leser(innen) hier einen Eindruck davon, wie sich die Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen dieser Ökosysteme an ihre Umwelt und aneinander angepasst haben.

Langweilig wird es beim Lesen der 240 Seiten nie. Für Unterhaltung sorgen nicht nur der lockere Schreibstil, sondern auch die begleitenden Zeichnungen von Tine Pagenberg sowie Dialoge mit Wissenschaftlern. Beobachtungstipps komplettieren das Ganze. Dabei geht Montgomery zwar überwiegend auf ihr Amerikanisches Zuhause ein, verweist aber immer wieder auch auf Europa.

Leider mischen sich unter die lebhaften Schilderungen vereinzelte Ungenauigkeiten, oder es kommen manche Aspekte zu kurz. So geht die Autorin zu wenig darauf ein, dass der Verzehr einiger Wildpflanzen giftig sein kann, und blendet das weltweite Amphibiensterben aus. Andererseits will sie ja gerade den Blick auf das Schöne lenken und neugierig auf mehr machen. Das gelingt ihr mit diesem Buch fraglos.

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