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Von Kopf bis Gen auf Sprache eingestellt

Ein wenig verwirrend ist das schon: Zunächst skizziert Autorin Ruth Berger das Konzept der Universalgrammatik, und kaum erscheint es plausibel, erklärt sie schon wieder, wann es warum verworfen wurde. So revidiert die Sprachwissenschaftlerin seitenweise historische Irrtümer, bis der Leser jeder weiteren Theorie mit gehöriger Skepsis begegnet und zu ahnen beginnt, dass der heutige Stand der Forschung morgen schon überholt sein könnte.

Zu diesem "state of the art" zählen laut Berger zum Beispiel folgende Thesen: Eine kritische Phase für das Erlernen der Muttersprache existiert nicht, und das angeborene Sprachwissen greift zu kurz, als dass ein Baby damit viel anfangen könnte. Genetisch programmiert ist aber eine Art Sprachinstinkt. Kinder sind biologisch auf Kommunikation eingestellt – auf den Austausch von Wissen und Gefühlen, ja sogar auf verbale Angeberei, kurz: auf alles, was sie zu sozial kompetenten Wesen macht.

Die ersten verbalen Gehversuche im Lauf der Evolution datiert Berger unter anderem anhand der Neurobiologie: Seit Ende der 1990er Jahre ist bekannt, dass die Großhirnrinde gesprochene und gelesene Sprache zur Verarbeitung in die Basalganglien schickt. Diese benötigen für ihre Entwicklung wiederum das FOXP2-Gen, das zwischen 10 000 und 200 000 Jahre alt ist und dafür sorgt, dass wir beim Sprechen Lautfolgen koordinieren können. Einen Beleg dafür fanden Forscher in den Artikulationsschwierigkeiten einer Londoner Familie, deren Mitglieder alle denselben Defekt am betreffenden Gen aufweisen.

Im Anhang fasst Berger solche Meilensteine der Evolution des Menschen auf einer Zeitleiste zusammen und ordnet den unterschiedlichen Themen insgesamt 25 Seiten Literaturangaben zu. Das Übersichtswerk besticht aber nicht nur durch Gründlichkeit und logisch stringente Schlussfolgerungen, sondern vor allem durch verständlich und unterhaltsam aufbereitete Fakten. Trockene Wissenschaftsgeschichte verwandelt die Autorin in eine spannende und anspruchsvolle Erzählung.

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  • Quellen
Gehirn&Geist 9/2008

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