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Helden des Alltags

Wir teilen mit ihnen Bett, Nahrung, Haus, Garten und die Luft zum Atmen. Und dennoch kennen wir von den meisten noch nicht einmal den Vornamen. Dabei verbringen wir mit den Milliarden von Bakterien, die mit uns oder in unserer Umgebung leben, weit mehr Zeit als mit Nachbarn, Familie und Freunden. Für den Göttinger Mikrobiologen Gerhard Gottschalk Grund genug, uns auf sehr unterhaltsame Weise die "Welt der Bakterien" in seinem gleichnamigen Buch ausführlich vorzustellen.

Obwohl ein Werk über das Leben und Wirken von Einzellern keine neue Idee ist, hebt sich "Welt der Bakterien" durch seine ungewöhnliche Form und seinen anschaulichen und lockeren Schreibstil von vielen anderen Büchern ab.

Aufgebaut wie ein Gespräch mit einem fiktiven Gegenüber beginnt der Autor bei den Ursprüngen des Lebens und erklärt verständlich, wie die "unsichtbaren Beherrscher unseres Planeten" nach und nach jeden erdenklichen Lebensraum besiedelt haben.

Sie tummeln sich in den Tiefen der Meere, in heißen Salzseen oder auf schwefeligem Vulkangestein und sind die ungekrönten Rekordhalter der extremen Lebensweise. Das Buch stellt kuriose Vertreter dieser "Extremophilen" vor, befasst sich aber auch mit weniger spektakulären, aber für uns sehr bedeutenden Mikroben wie zum Beispiel dem Methylobacterium. Dieses Bakterium verwertet das Treibhausgas Methan und trägt somit dazu bei, dass davon weniger in die Atmosphäre entweicht.

Es ist damit auch ein gutes Beispiel, wie viel Einfluss diese vielfältigen Einzeller auf unser Klima und unseren Planeten haben und hatten. Ob Klimaerwärmung, Bodensanierung, Wasserklärung, gentechnisch veränderte Organismen oder die Produktion von Agrarsprit – die meisten aktuellen Themen werden bei Gottschalk ausführlich behandelt und mit kritischem, aber fundiertem Blick beleuchtet.

Zudem kommen zahlreiche berühmte Gastautoren wie zum Beispiel Werner Arber, der Entdecker der Restriktionsenzyme, selbst zu Wort und berichten in zitierten Passagen über ihre Forschung. Diese Einschübe verleihen den einzelnen Kapiteln "Authentizität und Glanz", so der Autor, und machen das Lesen abwechslungsreicher.

Einen gegenteiligen Effekt erzielen allerdings die biochemischen Passagen einzelner Kapitel. Obwohl Gottschalk sich auf die wichtigsten Stoffwechselwege der Bakterien beschränkt und versucht diese einfach und anhand vieler Beispiele zu erklären, bleiben dem Leser ein paar trockene Exkurse in die Chemie nicht erspart.

Von Acetobacter bis Zymomonas, von der Ursuppe bis in die Gegenwart – nicht selten fühlt man sich beim Lesen dieses Buches wie in einer wissenschaftlichen Märchenstunde. Das liegt nicht zuletzt an der spürbaren Begeisterung des Autors für sein Fach und den zahlreichen interessanten und unterhaltsamen Anekdoten, mit denen die einzelnen Kapitel eingeleitet werden.

So beschreibt der Autor beispielsweise, wie Napoleon mit Hilfe von Bakterien die Kontinentalsperre überlistete und warum der erste israelische Präsident Chaim Weizmann dem Bakterium Clostridium actobutylicum in großem Maße sein Amt verdankt.

Nicht nur deshalb ist Gottschalks Werk ein wirklich gelungenes Buch und eine schöne und lesenswerte Einführung in die spannende Welt der wahren Helden des Alltags.

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