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Wissenschaftliche Bilderbücher

TWAN ("The World at Night") ist ein elitärer Kreis von prominenten Astrofotografen aus aller Welt, die sich höchster Qualität und einem speziellen Reinheitsgebot verpflichtet haben: keine Nachbearbeitung der Digitalfotos am Computer.
Manche Bilder kann man trotzdem kaum glauben: Dass die Gebäudefassade oder der einzeln stehende Baum sein auffälliges Licht von einer Taschenlampe erhalten hat, ist ja noch vorstellbar; aber ein ganzer Gebirgszug? Da muss der Fotograf die ersten Strahlen der Morgensonne gerade richtig abgepasst haben. Markante Werke der Architektur wie die Akropolis, die Ruinen von Persepolis oder die Schah-Moschee von Isfahan dienen als wirkungsvolle Vordergründe. Generell haben die TWAN-Fotografen immer ein Stück Erdoberfläche in ihre Bilder einbezogen.
Man sieht eine eindrucksvolle rosa Wolke – und es kann gar nicht anders sein, als dass sie von dem Blitz erleuchtet wird, der ihr entspringt. Der südafrikanische Köcherbaum hat seine außerirdisch wirkende Farbe nur von einer Taschenlampe, während die Wölkchen am Himmel wirklich außerirdisch sind: Es handelt sich um die große und die kleine Magellansche Wolke. Der Kaktus vor der imposanten Vollmondscheibe gibt fast eine bessere Westernkulisse ab als die genreübliche Sonne.
Die Seiten mit dem weißen Hintergrund können Sie getrost überblättern. Völkerverständigung und alle anderen edlen Ziele, die dort propagiert werden, sind ja lobenswert, gehören aber eigentlich nicht zum Thema. Nur die Bildbeschreibungen hinten sind äußerst ergiebig; manche Einzelheit hätte man lieber am Bild selbst gelesen. Neun Seiten technische Hinweise für den Nachahmer runden das Buch ab.
Eine Sammlung von Bildern, wie man sie so noch nicht gesehen hat!
Richard Jones, in der Entomologenszene als Autor zahlreicher einschlägiger Texte bekannt, ist ein Extremophiler im Wortsinn. Das größte, kleinste, seltenste, schönste, schleimigste, giftigste, stromlinienförmigste Insekt, der eindrucksvollste Blutspucker, die hässlichste Larve, die haarigsten Beine, die elegantesten Eier, der beste Musiker und viele andere haben es ihm angetan. Offensichtlich hat Jones zuerst alles zusammengetragen, was es an Extremen im Insektenreich zu finden gibt, und im zweiten Schritt die prachtvollen Bilder zusammengesucht, die sofort den Blick des Betrachters fangen. Beim Bildersuchen war er sehr gründlich; nur in wenigen Fällen sieht man, dass er qualitative Kompromisse schließen musste. Die Larve einer Schwebfliege der Gattung Microdon ist von vier verschiedenen Naturforschern mit einer Nacktschnecke verwechselt worden. In der Tat bewegt sie sich sehr langsam und schmiegt sich mit ihrem glatten Körper so dicht an den Untergrund, dass die Ameisen, deren Larven sie verzehrt, keinen Angriffspunkt zum Zubeißen finden. Honigtopfameisen füllen mit Nektar und Honigtau, den die Nestgenossinnen anliefern, ihren Unterleib, bis er im Extremfall auf das Vierhundertfache der ursprünglichen Größe anschwillt. Mit diesem Vorrat übersteht die Ameisenkolonie lange Hungerzeiten.
So hässlich finde ich die "hässlichste Insektenlarve " gar nicht. Die Larve des Buchen- Zahnspinners sitzt die meiste Zeit regungslos herum; durch Fuchteln mit den grotesk verlängerten Vorderbeinen kann sie sogar Vögeln den Appetit verderben.
Der Baumhummer galt bereits 1930 als ausgestorben. Aber im Jahr 2001 entdeckte man auf dem einzigen Strauch einer ansonsten baumlosen Felsenklippe 24 Exemplare dieser Art, die auf der benachbarten Hauptinsel längst den Ratten zum Opfer gefallen war.
Bei der Holz-Schlupfwespe hat die Legeröhre die Gestalt einer Injektionsnadel und ist länger als der übrige Körper.
Die Bilder sind so eindrucksvoll und die Texte so kurzweilig, dass man ("einer geht doch noch") das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen mag. Anscheinend ist im hohen Norden die Luft irgendwie klarer und das Licht besser als hier zu Lande. Die regionalen Verhältnisse geben dem Vogelbilderbuch der vier Finnen – das überwiegend Bilder aus deren Heimat enthält – einen ganz eigenen Reiz. Die Fotos umspannen den kompletten Lebenszyklus der Vögel; ihre Qualität ist über jeden Zweifel erhaben, und die Fotografen haben sich sichtlich Mühe gegeben, nicht die immer wieder gleichen Motive zu reproduzieren.
Ungewöhnlich ist der Schwan, der seinen Kopf zum Blubbern unter Wasser steckt , groß und bedrohlich der Bartkauz auf der Jagd, Auge in Auge mit dem Fotografen. Grünlinge im Kampf wirken wie ein japanischer Holzschnitt. Und den Storch hat der Bildkünstler just in dem Moment erwischt, wo er mit dem großen roten Schnabel einen Barsch aufspießt.
Mit dem Vorrang für die künstlerische Wirkung der Bilder hat es der Verlag ein bisschen übertrieben. Schon recht, wenn auch lästig, dass man die ausführlichen Erläuterungen in ein Verzeichnis am Schluss verbannt; aber warum muss man zum Wiedererkennen statt der vollständigen Bilder Ausschnitte verwenden und dann auch noch die Seitenzahlen weglassen?

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  • Quellen
Spektrum der Wissenschaft 12/2010

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