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Steingewordene Geschichte

Rund 85.000 Kilometer gepflasterte Straßen durchzogen einst das Römerreich. Als das Imperium in den Wirren der Völkerwanderungszeit unterging, überdauerten die Trassen zwar ihre Erbauer – doch änderte sich ihre Nutzung. Diesen Wandel an der Schnittstelle von Antike und Mittelalter beschreibt der Mediävist Arnold Esch in seinem sehr lesenswerten Buch.

Mit geradezu kriminalistischem Spürsinn zeigt der ausgewiesene Straßenforscher auf, wie die neuen gesellschaftlichen Bedingungen nach dem Ende des Römi­schen Reichs neue Prioritäten schufen und auch das antike Wegenetz betrafen. Die vormals römischen Trassen, deren Streckenführung weder auf das Gelände noch auf die dort gelegenen Siedlungen Rücksicht nahm – da sie stets fern voneinander gelegene Ziele auf dem kürzesten Weg verbinden sollten – verloren ihre überregionale Bedeutung, als das mittelalterliche Italien in kleinere politische Räume zerfiel. Zwar wurden die antiken Überlandstraßen weiterhin streckenweise genutzt, aber man wich dort von den römischen Geraden ab, wo Siedlungen und Handel den Bau neuer Wege verlangten.

Aus epoc 1/2012
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Exemplarisch wird das Nachleben römischer Straßen am Beispiel der Via Amerina aufgezeigt – zu Zeiten Cäsars, Ciceros & Co eine Verbindung zwischen den Überlandtrassen Via Flaminia und Via Cassia von allenfalls untergeordneter Relevanz. Doch im Mittelalter gewann die zunächst regionale Straße mehr und mehr an Bedeutung.

Esch erläutert auf anschauliche Weise, wie eine aufgegebene römische Straße heute im Gelände zu finden ist. Hierfür liest der Autor antike Meilensteine, studiert nachantike Geschichtsschreiber und mittelalterliche Urkunden, sichtet Kataster und Itinerare, wälzt Karten aus der Zeit Mussolinis und wertet Luftaufnahmen der Royal Air Force von 1944 aus. Wo die Lokalisierung durch Text und Karte nicht ausreicht, weil die Natur das Terrain zurückerobert hat oder antike Straßen unter modernem Asphalt verborgen liegen, hilft die Begehung im Gelände. Und dort beweist der Archäologe eine erstaunliche Spürnase, so dass dem von Seiten der His­toriker viel diskutierten Übergang von der Antike zum Mittelalter buchstäblich nachgegangen werden kann.

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  • Quellen
epoc 1/2012

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