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Apollo 11: Als wäre man dabei gewesen

Die Mondlandung feiert 50. Jahrestag. Von den vielen Dokumentarfilmen zu diesem Ereignis hat es nur »Apollo 11« des amerikanischen Filmemachers Todd Douglas Miller in die Kinos geschafft. Was zeichnet den Film aus?
Apollo 11: Als wäre man dabei gewesen

Veröffentlicht am: 03.06.2019

Laufzeit: 0:02:01

Sprache: englisch UT

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Vor 50 Jahren flogen die Astronauten Neil Armstrong, Buzz Aldrin und Michael Collins mit Apollo 11 zum Mond. Während Armstrong und Aldrin in die Landefähre umstiegen, blieb Collins in der Kommandokapsel. Am 20. Juli 1969 um 20.17 UTC landete die Fähre im Mare Tranquillitatis. Am 21. Juli um 2:56:20 UTC betrat Neil Armstrong als erster Mensch den Mond. Aldrin folgte 20 Minuten später. Nach 21 Stunden und 36 Minuten auf dem Mond starteten die beiden Astronauten wieder, dockten an die Kommandokapsel an und stiegen mit den gesammelten Gesteinsproben um. Der Rückflug verlief nach Plan. Am 24. Juli um 16:50 UTC wasserte die Apollokapsel im Pazifik. Soweit die reinen Fakten.

Natürlich gäbe es noch mehr zu berichten. Beispielsweise über die erstaunliche Leistung von zehntausenden Männern und Frauen, die in nur acht Jahren die Voraussetzungen für den erfolgreichen Mondflug schufen. Oder über den Wettlauf zum Mond, den sich die USA mit der inzwischen zerfallenen Sowjetunion lieferten. Über politische, technische und finanzielle Schwierigkeiten. Und zum bevorstehenden 50. Jahrestag bietet sich natürlich eine historische Einordnung an. Seit Wochen liegen in jedem Supermarkt dutzende DVDs und Bücher zu dem Thema aus. Wie kann sich da eine Dokumentation aus der Masse herausheben? Der amerikanische Filmemacher Todd Douglas Miller hat dafür eine glänzende Lösung gefunden. Er verwirft von vornherein radikal den üblichen Entwurf von Dokumentationen dieser Art. Weder befasst er sich ausgiebig mit der Vorgeschichte noch holt er Historiker, Politiker oder Experten vor die Kamera, die das Ereignis einordnen sollen. Er bewirft die Zuschauer auch nicht mit Zahlen, Daten und Fakten, obwohl das angesichts der vielen Superlative natürlich nahegelegen hätte. Und er verzichtet auf die allwissende Stimme aus dem Off. Der Film verlässt sich ganz auf die Wirkung des originalen Video- und Audiomaterials. Miller und seine Mitarbeiter sichteten mehrere hundert Stunden alte Filme, darunter einige unveröffentlichte 70-mm-Filme, die das Team behutsam digitalisierte. Insgesamt 11 000 Stunden Audiomaterial standen zur Verfügung, zum Großteil weder katalogisiert noch transkribiert. Die Apollo-11-Mission dauerte acht Tage und drei Stunden. Wenn man die unmittelbaren Vorbereitungen berücksichtigt, kommt man auf etwa zwei Monate. Diese Zeit musste das Produktionsteam auf rund 90 Minuten komprimieren. Herausgekommen ist eine exzellente Dokumentation, die das authentische Gefühl vermittelt, die Mondlandung unmittelbar mitzuerleben.

Am Anfang sieht man, wie der »Crawler-Transporter«, ein gigantisches, 2 721 Tonnen schweres Raupenfahrzeug, die 111 Meter hohe Mondrakete Saturn V auf ihrer mobilen Startplattform ganz langsam vom Montagegebäude zum Startplatz fährt. Die Astronauten werden vorgestellt und zur fertig betankten Rakete gefahren. Eine eingeblendete Uhr zeigt die Zeit bis zum Start an. Dann steigt die größte jemals gebaute Rakete majestätisch in den Himmel. Der Film zeigt die gesamte Reise, ohne nachgestelltes Material zu benutzen. Eine minimalistische Computeranimation erklärt die Flugphasen. Die sparsam eingeblendeten Dialoge der Astronauten mit der Bodenstation illustrieren, wie die Spannung bis zur Mondlandung steigt. Die NASA hätte damals gerne mehr Kommentare der Astronauten über ihre Annäherung zum Mond veröffentlicht, aber Neil Armstrong, Buzz Aldrin und Michael Collins gaben sich außerordentlich schweigsam, selbst wenn sie nicht besonders beschäftigt waren. Miller gestaltet den Abstieg zur Mondoberfläche, die Landung und die Zeit bis zum Rückflug als spannende Reportage. Die gelungene Auswahl von Audio- und Videomaterial und der geniale Schnitt nähren die Illusion, den Beteiligten auf dem Mond und der Erde buchstäblich über die Schulter zu sehen.

Aus heutiger Sicht erscheint die Ausstattung des Kommandomoduls und der Landefähre geradezu primitiv. Der leistungsschwache Computer der Landefähre empfing beim Abstieg zu viele Daten und zeigte an, dass er sich überlastet fühlte. Die Astronauten Armstrong und Aldrin flogen trotzdem weiter. Der Autopilot steuerte auf einen Landeplatz zu, der von großen Felsbrocken übersät war. Armstrong steuerte die Landefähre von Hand auf ein geeigneteres Gelände, obwohl der Treibstoff zu Ende ging. Niemand wusste, ob die Mondoberfläche die Landebeine tragen würde. Wenn sie ungleichmäßig einsanken, war der Start gefährdet. Hätte sich die Mondfähre um deutlich mehr als 30 Grad geneigt, wären die Astronauten zum Tod auf dem Mond verdammt gewesen. Der Film zeigt uns hautnah den kalkulierten Wagemut der Astronauten und des Bodenpersonals. Trotz aller minutiösen Planung wäre die Mission ohne spontane Improvisationen vermutlich gescheitert. Damals, vor einem halben Jahrhundert, herrschte ein Geist des Aufbruchs in den USA und in Europa. Nichts war unmöglich, wenn man es nur entschlossen genug anging. Die Ausrottung von gefährlichen Krankheiten, der Sieg über den Hunger, die Eroberung des Sonnensystems, der Griff nach den Sternen – nichts schien außer Reichweite.

Wie verzagt wirkt dagegen der Diskurs über die großen Probleme der Menschheit in der heutigen Zeit! Der Klimawandel soll nicht durch Taten bekämpft werden, sondern durch staatliche Abgaben und durch Verzicht. Nicht durch aktives Handeln, sondern durch das Unterlassen und Bestrafen von Sünden wollen wir die Welt retten. Die NASA ist zur Behörde geworden. Sie verwaltet nur noch den Zugang zum Weltraum, ihr Elan ist erloschen. Eine neue Mondrakete ist seit 2006 in der Planung, ihr Erststart verschiebt sich aber immer wieder und wird im Moment nicht vor 2024 erwartet.

Von zwölf Menschen, die den Mond betreten haben, leben nur noch vier. Charles Duke, der jüngste von ihnen, ist 83 Jahre alt. In wenigen Jahren schon wird die größte Pionierleistung der Menschheit aus der lebendigen Erinnerung verschwinden. Sie steht dann auf einer Stufe mit Hannibals Alpenüberquerung und der ersten Südpolexpedition – frühe Dokumente menschlicher Entschlossenheit, die heute undenkbar wären. Es ist das große Verdienst dieses herausragenden Dokumentarfilms, den heutigen Menschen den Mut und die Unbeirrbarkeit der am Mondflug Beteiligten vor Augen zu führen und den Geist der damaligen Zeit wiederauferstehen zu lassen. Vielleicht tragen ihn Weltraumpioniere wie Elon Musk oder Jeff Bezos heute weiter. Wenn ihnen das nicht gelingt, wird die Eroberung des Mondes in 1000 Jahren zu einem Heldenepos geworden sein, das unsere Nachfahren gerne rezitieren, das ihnen aber genauso irreal erscheint wie die Odyssee.

Ein Video zur Mondlandung, das die Route der Apollo-11-Mission nachzeichnet, finden Sie hier.

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