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Personalisierte Medizin: Big Data: Der gläserne Patient

Sollte man sein Genom noch vor der Schwangerschaft scannen lassen, um potenzielle Erbkrankheiten zu erkennen? Ein Video verschweigt die Risiken solcher Tests.
How Big Data Could Transform The Health Care Industry

Veröffentlicht am: 02.02.2017

Laufzeit: 0:03:48

Sprache: englisch

Untertitel: ohne Untertitel

The Huffington Post ist eine US-amerikanische Onlinezeitung mit Regionalausgaben in diversen Sprachen.

Der medizinische Datenberg wächst und wächst. Patienten erheben über Gesundheitsapps, Fitnesstracker und Symptomtagebücher mehr und mehr Daten zu ihrem Lebenswandel und Gesundheitszustand. Dazu kommen immer billiger werdende Laboruntersuchungen wie Genomanalysen. Aus der Datenmasse sinnvolle Diagnosen und Therapien auszulesen, soll Big Data helfen. Auf dieser Grundlage wollen Mediziner im Rahmen einer Präzisionsmedizin Behandlungen individuell auf die Patienten zuschneiden.

Im Video der »Huffington Post« ist es Eric Schadt, Dekan für Präzisionsmedizin an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai New York City, der ein euphorisches Bild der Big-Data-Medizin entwirft. Dabei schwirren immer wieder animierte Netzwerke durchs Bild, Graphen erscheinen, deren Trend nach oben zeigt, dazu fröhliche Musik. Keine Spur von kritischer Distanz zum Thema. Kein Hinweis darauf, dass Schadt ein Start-up leitet, das Interesse daran hat, dass Big Data in der Medizin öffentlich gut dasteht. Schließlich ist der Mathematiker und Bioinformatiker zugleich auch Gründer und CEO der Firma Sema4 , die genetische Tests zur Früherkennung von Krankheiten verkauft.

Im Jahr 2005 hatte er in einer Studie eine neue Berechnungsmethode vorgestellt, mit der sich aus der Aktivität eines ganzes Netzwerks an Genen jene identifizieren lassen, die für bestimmte Krankheiten (in diesem Fall Übergewicht) mitverantwortlich sind. Noch im Dezember des Jahres war die Methode vom Journal »Science« zu einem der wichtigsten Durchbrüche des Jahrzehnts gekürt worden.

Auf diesen Methoden aufbauend gründete er mit finanzieller Unterstützung seiner Universität im Jahr 2014 seine Firma, die sich zum Ziel setzt, in großen genetischen und klinischen Datenmengen ähnliche Zusammenhänge zu finden und bereits bekannte Krankheiten dazu zu nutzen, die Neigung zu seltenen Krankheiten früh zu erkennen. Dabei geht es vor allem um rare Krankheiten wie das Andermann-Syndrom, bei dem die Nerven aufhören, die Muskeln anzusteuern. Das Start-up bietet beispielsweise den Carrier Check für Frauen an, die eine Schwangerschaft planen. Dabei wird das Genom gescannt, um potenzielle Erbkrankheiten der Mutter zu erkennen.

Die Daten dafür sollen unter anderem von Probanden kommen, die an Krankenhäusern und Universitäten einen Gentest durchführen lassen, wie Schadt im Jahr 2016 dem Magazin »WIRED« erklärte. In deren Gendaten sollen Methoden des Maschinenlernens Muster der Genaktivität identifizieren, die bestimmte Krankheiten charakterisieren. Die Gentests von Sema4 vergleichen dann die Muster der Genaktivität ihrer Kunden mit diesen Funden.

Der Weg nach vorne steht dabei fest: Je größer die Datensätze, desto genauer und leistungsfähiger werden die Modelle. Rund 500 000 Stichproben könnten dabei laut Schadt pro Jahr zusammenkommen. In der Zukunft will er die Datensammlung auf die gesamten USA ausdehnen. Das wirft natürlich Fragen nach der Sicherheit von personenbezogenen Gendaten auf. Dazu kann man entspannt oder kritisch stehen: Die Aufgabe des Videos der »Huffington Post« wäre es gewesen, so etwas zu thematisieren.

Darüber hinaus warnen Mediziner regelmäßig vor Panikmache durch Überdiagnosen und Fehlalarme im Rahmen von Screenings. Denn die Identifizierung eines genetischen Faktors, der an einer Krankheit beteiligt ist, bedeutet noch lange nicht, dass diese bei der betreffenden Person tatsächlich ausbricht. Dabei spielen Umweltfaktoren und epigenetische Faktoren oft eine erhebliche Rolle.

Schadt trifft hier keine Schuld. Auf den einzelnen Patienten zugeschnittene Medizin, auch auf der Grundlage genetischer Profile, ist aus der Medizin der Zukunft nicht wegzudenken. Welche Potenziale sie birgt und welche Gefahren dabei lauern, müssen Journalisten besprechen. Ansonsten geht es, wie in dem Video zu sehen, über PR nicht hinaus.

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