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Rezension zu »Nightflyers«: Das Spukschloss im Weltraum

Aus der fast 40 Jahre alten SciFi-Kurzgeschichte »Nightflyers« hat der SyFy-Channel eine zehnteilige Fernsehserie gemacht, die Netflix jetzt auch in Deutschland zeigt. Die Vorlage stammt von George R. R. Martin, dem Autor der Romanreihe, auf der die Fernsehserie »Game of Thrones« basiert. Aber reicht das schon als Erfolgsgarantie?
© Netflix
Trailer zu »Nightflyers«

Ein von Trümmern umgebenes Raumschiffwrack, ein zotteliger Irrer mit einer Axt, eine angstvoll flüchtende Frau, eine geheimnisvolle Warnung und viel Blut – schon die ersten Minuten der Pilotfolge lassen keinen Zweifel aufkommen, zu welchem Genre die Serie gehört.

Nach dem dramatischen Anfang blendet die Handlung erst einmal mehrere Monate weit zurück, um über zehn Folgen verteilt zu erklären, wie es zu der Katastrophe kommen konnte. Wie sich schnell zeigt, ist schon der Weg zum Desaster mit Schockeffekten und Leichen gepflastert.

Die Serie entstand nach dem gleichnamigen Sciencefiction-Horrorfilm aus dem Jahr 1987, der wiederum auf einer Geschichte von George R. R. Martin aufbaut. Als er sie 1980 im Magazin »Analog Science Fiction and Facts« veröffentlichte, lag der Welterfolg von »Game of Thrones« noch weit in der Zukunft. Der Film zog damals kaum Zuschauer in die Kinos und spielte nur rund 1,15 Millionen US-Dollar ein. Heute ist der Autor natürlich sehr viel bekannter als vor 32 Jahren, und so wagte sich der amerikanische Fernsehsender SyFy im letzten Jahr an eine Neuauflage von »Nightflyers« als zehnteilige Fernsehserie. Netflix hat die internationalen Rechte gekauft und veröffentlichte alle zehn Folgen der Serie am 1.2.2019.

Die Handlung setzt im Jahr 2093 ein, also in der vergleichsweise nahen Zukunft. Die Menschheit kennt keinen Warpantrieb, keine Subraumkommunikation und keine interstellare Raumfahrt. Für die Durchquerung der Abgründe zwischen den Planeten des Sonnensystems haben die Menschen riesige Raumschiffe entwickelt, die mit konventionellen chemischen Triebwerken und Ionenantrieb ausgestattet sind. Aber die Ansätze zur Kolonialisierung des Sonnensystems kommen vielleicht schon zu spät, weil die Erde unmittelbar vor einer Umweltkatastrophe steht.

Ein wenige Jahre zuvor entdecktes Alien-Raumschiff gibt den Menschen die Hoffnung, mit der überlegenen Technologie der Fremden das Blatt noch zu wenden. Doch bisher lehnen es die Aliens standhaft ab, mit den Menschen Kontakt aufzunehmen. Also soll ihnen das riesige Raumschiff »Nightflyer« entgegenfliegen, um aus nächster Nähe eine Verbindung aufzubauen. Weil das Alien-Raumschiff telepathische Energie aussendet, hat die »Nightflyer« einen Telepathen an Bord genommen, um die Kommunikation zu erleichtern. Allerdings haben sie ein besonders instabiles Exemplar erwischt – den zwischen pubertärer Bösartigkeit und Verletzlichkeit schwankenden Teenager Thale. Er liest nicht nur die Gedanken, sondern auch die Erinnerungen seiner Schiffskameraden. Damit nicht genug, besitzt er auch die Fähigkeit, bei anderen Menschen beliebige Halluzinationen hervorzurufen. Und wie sich bald herausstellt, ist Thale nicht der Einzige, der Mannschaft und Mission in Gefahr bringt.

Die Schöpfer der Serie haben die »Nightflyer« als gigantische Konstruktion angelegt, eine Art Luxusjacht von der Größe der Titanic. Der geheimnisvolle Telepath bewohnt einen gepanzerten Container in einem leeren, turnhallengroßen Lagerraum. Sechs gewaltige runde Treibhauskuppeln erinnern an den klassischen Film »Lautlos im Weltraum«. Sie sind an den Wohnbereich angeflanscht, so dass sie zwecks Schwerkrafterzeugung mitrotieren. Insgesamt ist das Schiff für die kaum drei Dutzend Menschen an Bord völlig überdimensioniert. Das ist ziemlich unrealistisch, denn im Weltraum ist jedes Gramm Gewicht teuer. Je größer die Nutzlast wird, desto mehr Treibstoff muss man mitnehmen, um das Schiff zu beschleunigen. So gesehen, hätte eine kleine unbemannte Sonde eine viel bessere Chance, an das schweigende Alienschiff heranzukommen. Aber das wäre natürlich nicht so dramatisch.

In der Serie »Nightflyers« fungiert das riesige, leere Raumschiff mit seinen seltsamen Bewohnern als eine Art modernes Spukschloss. Niemand weiß genau, was in den langen Gängen und den luxuriösen Zimmern wirklich vorgeht. Gespenster tauchen auf, eine Roboterspinne läuft Amok, und selbst der Kapitän des Schiffs gleicht zu Beginn eher einem Geist. Der Leiter der Wissenschaftlergruppe wird von seinen eigenen Dämonen gejagt. Der Telepath entkommt aus seinem Wohnkäfig und stiftet Chaos. Und im Computersystem des Schiffs kommt es immer wieder zu verdächtigen Fehlfunktionen. Wie sich bald zeigt, geht der Geist einer längst verstorbenen bösen Schlossherrin um und tötet wahllos Menschen. Der Chef des eigentlich überflüssigen Sicherheitsdienstes ist völlig überfordert. Er agiert so kopflos, als hätte er vorher lediglich den Einlass in einen Nachtklub organisiert.

Seien wir ehrlich: Niemand würde ein Raumschiff in diesem Zustand auf eine gefährliche jahrelange Reise ins Unbekannte schicken. Einem Alien-Raumschiff entgegenzufliegen, das nie geantwortet hat und jederzeit den Kurs ändern könnte, gliche selbst unter optimalen Bedingungen einem Hasardspiel.

Aber darum geht es hier auch nicht. Diese Serie entwirft keine Vision einer zukünftigen Gesellschaft, greift keine aktuellen Probleme auf und spekuliert nicht über die Auswirkungen einer Begegnung mit Aliens. Sie variiert lediglich einen altbewährten Krimi-Plot: Menschen sind in einem Schloss, einem Zug oder einem Schiff von der Außenwelt abgeschnitten. Jeder hat sein Geheimnis, alle agieren irgendwie verdächtig, und obendrein spukt es. Mit echter Weltraumfahrt hat die Serie allerdings ungefähr so viel Ähnlichkeit wie »Game of Thrones« mit dem historischen Mittelalter.

Wer diese Prämisse akzeptiert, wird nicht enttäuscht. Bedrohliche Ereignisse bauen eine stetig ansteigende Spannung auf, und geheimnisvolle Andeutungen lassen darauf schließen, dass einige Akteure viel zu verbergen haben. Die internationale Schauspielertruppe macht ihre Sache gut, die CGI-Effekte sind eindrucksvoll in Szene gesetzt. Die vielen Splattereffekte wirken aber oft deplatziert, ganz so, als wolle der Regisseur hier der angenommenen Erwartungshaltung des Publikums entgegenkommen. Die Wissenschaft ist auf weitgehend sinnlose Stichworte reduziert. Eines der Labors sieht so aus, als hätte man es aus alten Frankensteinfilmen kopiert.

Insgesamt sollte man von der Serie nicht mehr erwarten als anspruchslose, spannende Unterhaltung.

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