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Interstellare Reisen: Die Löcher im Universum

Ist das Weltall wie ein madiger Apfel von Wurmlöchern durchzogen, die uns einen schnellen und bequemen Weg zu fernen Sonnensystemen bieten? Matt O’Dowd referiert den aktuellen Stand der Wissenschaft - und dämpft die Hoffnung auf eine verborgene Hintertür zu den Sternen.
Interstellare Reisen: Die Löcher im Universum

Veröffentlicht am: 22.04.2020

Laufzeit: 0:17:17

Sprache: englisch

Im Universum der Sciencefiction-Serie »Stargate« sind die Sterne ganz nah. Künstlich erzeugte Wurmlöcher schaffen eine direkte Verbindung zu einem von vielen erdähnlichen Planeten in vielen Lichtjahren Entfernung. Die Reise kostet keine Zeit. Wer durch die Abschlussmembran der riesigen runden Sternentore läuft, findet sich unmittelbar in der Zielwelt wieder. Für die sonst ziemlich mühsame und zeitaufwändige interstellare Raumfahrt wäre das natürlich außerordentlich praktisch, und so haben Sciencefiction-Autoren die Idee schon früh für sich entdeckt. Filme wie »Contact« oder »Interstellar« und Serien wie »Babylon 5« oder »Star Trek: Deep Space 9« gehen ganz selbstverständlich davon aus, dass durchquerbare Wurmlöcher existieren. Lässt sich das mit unserem Wissen über das Universum vereinbaren? Wissenschaftler suchen seit einigen Jahrzehnten mit wechselndem Erfolg nach einer theoretischen Grundlage für solche kosmischen Tunnelbauwerke. Matt O’Dowd erklärt im Video von PBS Space Time den gegenwärtigen Stand der Dinge.

Die Physiker Albert Einstein und Nathan Rosen fanden 1935 eine theoretische Möglichkeit, zwei entfernte Regionen des Kosmos miteinander zu verbinden. Der Weg würde durch eine Singularität führen, besser bekannt als Schwarzes Loch. Der österreichische Physiker Ludwig Flamm hatte bereits 1916 postuliert, dass ein Schwarzes Loch Materie nicht nur einsaugt und auf Nimmerwiedersehen verschwinden lässt, sondern vielleicht an anderer Stelle im Universum wieder ausspuckt. Ein Beobachter würde dann eine Art weißes Loch sehen. Einstein und Rosen, die Flamms Arbeit nicht kannten, entwickelten die Formeln für eine mögliche Verbindung zwischen zwei Singularitäten neu. Der Begriff »Wurmloch« war noch nicht erfunden und so sprach man von der »Einstein-Rosen-Brücke«.

Für Reisen eignet sie sich aber nicht. Sie ist so dünn, dass sich nicht einmal ein Fadenwurm hindurchzwängen könnte. Und nicht nur das: Wie der amerikanische Physiker John Wheeler 1962 nachwies, bricht die Brücke sofort zusammen, wenn man sie zu betreten versucht. In der Praxis würde ein solches Wurmloch unmittelbar nach seiner Entstehung wieder verschwinden. Nicht einmal ein Lichtquant wäre flink genug, um hindurch zu fliegen. Die Grundidee war aber zu gut, um sie gleich wieder zu vergessen und wurde in den folgenden Jahren immer wieder von Sciencefiction-Autoren aufgenommen. Doch wie soll man ein Wurmloch stabilisieren und so ausweiten, dass ein Raumschiff hindurch passt?

Die meisten Sciencefiction-Autoren ignorierten diese Frage. Aber der äußerst bekannte Astronom, Fernsehmoderator und Buchautor Carl Sagan gab sich nicht so einfach geschlagen und suchte für seinen Roman »Contact« nach einer physikalisch möglichen Lösung. Sagan bat den theoretischen Physiker und späteren Nobelpreisgewinner Kip Thorne um Hilfe – und der fand tatsächlich eine Lösung. Aber: Die theoretischen Voraussetzungen für seine Idee sind so exotisch, dass sie die Existenz von Wurmlöchern eher ausschließen als beweisen. Thorne war das durchaus bewusst. In einem Interview mit dem amerikanischen Internetportal space.com aus dem Jahr 2014 sagte er: »Es gibt starke Anzeichen dafür, dass Wurmlöcher, die ein Mensch passieren könnte, nach den Gesetzen der Physik verboten sind. Das ist traurig, das ist schade, aber alles deutet derzeit darauf hin.«

Eine dritte Variante verfolgt einen ganz anderen Ansatz und geht von der sogenannten Quantenverschränkung aus. Sie besagt, dass auch weit entfernte Elementarteilchen in einer Verbindung miteinander stehen können. Misst man bestimmte Zustände des einen, erfährt man etwas über die möglichen Zustände des anderen, ganz gleich, wie weit die beiden voneinander entfernt sind. Möglicherweise lässt sich auf dieser Grundlage auch eine Langstreckenverbindung zwischen zwei Schwarzen Löchern aufrecht erhalten, obwohl Schwarze Löcher nicht gerade Elementarteilchen sind. Das heißt aber noch lange nicht, dass auch ein Weg hindurch führt. Und selbst wenn: Die Reise würde nicht unbedingt schneller verlaufen als im normalen Raum.

Damit wären wir schließlich bei der Frage, ob ein Wurmloch den Weg zu fremden Planeten wirklich abkürzt. In den Sciencefiction-Filmen sieht es oft so aus, als reise man durch einen schwarzen oder psychedelisch bunten, aber vergleichsweise kurzen, Tunnel. Darauf sollten wir uns nicht verlassen. Stellen wir uns vor, wir lebten als vollkommen flache Wesen auf der Oberfläche eines Apfels. Ein zuvorkommender Wurm hat Löcher hineingebohrt, die wir nutzen können, um schneller voranzukommen. Der Weg zwischen zwei benachbarten Stellen auf der Apfeloberfläche ließe sich aber auch per Wurmloch nicht wesentlich verkürzen. Und selbst zur gegenüberliegenden Seite wäre der Weg durch das Kerngehäuse nur etwa um 36 Prozent kürzer, immer vorausgesetzt, dass der Apfel tatsächlich kugelrund ist. Für schnelle Reisen zu fremden Planeten würde das nicht viel helfen. Ein 100 Lichtjahre entfernter Planet wäre auch dann unerreichbar, wenn wir eine Abkürzung finden, die ihn auf »nur« 72 Lichtjahre heranbringt.

Das Universum müsste schon stark gerollt, gewellt oder gefaltet sein, wenn Wurmlöcher durch höhere Dimensionen tatsächlich schnelle Reisen zu fremden Welten ermöglichen sollen. Diesen Aspekt hätte das Video noch etwas mehr herausarbeiten können. Matt O’Dowd ist kein wissenschaftlicher Märchenonkel. Er setzt naturwissenschaftliche Grundkenntnisse voraus, greift gelegentlich auf eine frühere Episode über Schwarze Löcher zurück und zieht seinen Stoff zügig durch. Wer mit den Grundbegriffen vertraut ist und sich kurz und knapp über den neuesten wissenschaftlichen Stand zum Thema »Wurmlöcher« informieren will, ist hier gut aufgehoben.

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