Direkt zum Inhalt

Bakterien: Impfung aus dem Gangsta-Lab

Herkömmliche Impfungen wirken nicht ausreichend bei Infektionen mit Mycoplasma-Bakterien. Forscher wollen die Bösewichte nun selbst zu einem Impfstoff umprogrammieren.
MYCOSYNVAC feat. MC Grease (da disease)

Veröffentlicht am: 30.01.2018

Laufzeit: 0:02:44

Sprache: englisch

Biofaction ist eine Wiener Agentur für Wissenschaftskommunikation.

Sie verursachen jedes Jahr Verluste in Millionenhöhe: Infektionen mit Mycoplasma-Bakterien bei Nutztieren wie Hühnern, Rindern und Schweinen. Klassische Impfungen mit abgetöteten Erregern wirken bei diesen Infektionen nur sehr eingeschränkt. Ein von der EU gefördertes Forschungskonsortium namens MycoSynVac mit Sitz in Spanien hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, einen neuartigen Impfstoff für Nutztiere zu entwickeln. Es greift dabei auf Methoden der synthetischen Biologie zurück, der es mittlerweile gelingt, Genome und ganze Organismen im Labor zu synthetisieren (siehe hierzu etwa diese Studie von 2016).

Wie die Forscher vorgehen, zeigt ein originelles Musikvideo, das die Wiener Agentur für Wissenschaftskommunikation, Biofaction, veröffentlicht hat. Ein animierter Vertreter des Bakteriums – die Spezies Mycoplasma bovis alias MC Grease – rappt darin über sein Leben und die Impfstoffe aus der Trickkiste der synthetischen Biologie. Und bei allem Spaß erklärt das Video recht anschaulich, wie ein solcher synthetischer Impfstoff funktionieren soll: Im Labor entnehmen Wissenschaftler einem eng verwandten Mycoplasma-Vertreter das Genom und ersetzen dieses durch ein synthetisch hergestelltes, das nicht krank macht, aber dennoch das Immunsystem mobilisiert und trainiert. Auf Nachfrage erklärt ein Wissenschaftler des Konsortiums, dass für die Herstellung des Impfstamms die Wahl auf Mycoplasma pneumoniae fiel, da geplant ist, dieses Bakterium zum Grundstein für Impfstoffe gegen verschiedene Mycoplasma-Infektionen zu machen.

Die Idee, Impfstoffe mit Hilfe der synthetischen Biologie herzustellen, ist nicht komplett neu. Bereits im Jahr 2013 haben sich der Pharmakonzern Novartis und Wissenschaftler des J. Craig-Venter Institute darangemacht, einen Grippeimpfstoff zu konstruieren, indem sie die Virus-DNA im Labor herstellten. Ausgangspunkt waren dabei Gensequenzen aktuell relevanter Erreger und typischer Gene von Grippeviren. Sie benötigten dafür nur eine Woche – statt wie beim herkömmlichen Verfahren fünf, was im Fall einer Epidemie von entscheidendem Vorteil sein könnte.

Ein Jahr zuvor gelang es Forschern von Novartis gar, einen synthetischen Impfstoff auf der Grundlage von RNA-Molekülen zu entwickeln. Diese enthielten den Bauplan für Virusproteine, die für die Immunisierung besonders wichtig sind. Und nicht zuletzt tüfteln US-Wissenschaftler an einer Impfung gegen die sexuell übertragbaren Clamydien, für die sie mit Hilfe der synthetischen Biologie bestimmte Eiweißbestandteile der Bakterienhülle herstellen. So wollen sie Antigene produzieren, gegen die sie das Immunsystem scharfmachen möchten, die sich mit herkömmlichem Labormethoden aber nur schwer gewinnen lassen. Von den systembiologischen Ansätzen versprechen sich Wissenschaftler effektivere Impfungen, die sich zudem schneller herstellen lassen.

Doch noch braucht es eine Menge Forschungsarbeit, bis diese Methoden auch in die Klinik Einzug halten. Das gilt auch für die Entwicklungen im MycoSynVac-Projekt, zumal solche synthetisch hergestellten Impfstämme nicht nur funktionieren, sondern auch sicher sein müssen. Denn insbesondere die potenziellen Gefahren durch Missbrauch und Bioterrorismus werden im Zusammenhang mit der synthetischen Biologie heftig diskutiert. Davon und wie die Forscher des MycoSynVac-Konsortiums diese Sicherheitsfrage beantworten wollen, erwähnt der Film leider nichts. Aber vielleicht kann man das von einem Bad Guy à la MC Grease auch nicht erwarten. Spaß macht das Video allemal.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.