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Wir werden alle sterben: Ist ein Glas Wein am Tag gesund?

© Spektrum der Wissenschaft
Ist ein Glas Wein am Tag gesund?

Veröffentlicht am: 5.11.2017

Laufzeit: 0:05:40

Sprache: deutsch

Wir Werden Alle Sterben ist der Wissenschafts-Videocast auf Leben und Tod der Spektrum-Redakteure Mike Beckers und Lars Fischer.

Ein Gläschen in Ehren kann niemand verwehren, und gesund ist der gute Fusel auch noch. Schön wär’s jedenfalls, und da Geld Richtung Wunschdenken fließt, gibt es genug Fach- und sonstige Publikationen, in denen das fröhlich daherbehauptet wird. Rotwein ist in der Hinsicht ein Running Gag, seit ner Weile laufen mir auch immer wieder die angeblich heilende Wirkung des Gin über den Weg und auch Bier ist ganz ganz bestimmt gesund.

Solche mediale Saufnasenbespaßung basiert eigentlich immer auf den gleichen zwei Argumenten. Zum ersten sei ja “erwiesen”, dass mäßiges Trinken gesünder sei als völlige Abstinenz, und zum zweiten enthält Getränk XY ja den gesunden Inhaltsstoff Z, der laut “wissenschaftlichen Erkenntnissen” Herz, Hirn oder sonstiges zweitrangiges Organ schütze. Stichworte sind da Antioxidanzien, Resveratrol oder sonstige Pflanzenstoffe.

Ich halte ja generell überhaupt nichts von all diesen speziellen Inhaltsstoffen, die irgendwelche Lebensmittel angeblich besonders gesund machen. Und bei alkoholischen Getränken schon mal gar nicht. Die zugehörige Studie funktioniert nämlich meistens folgendermaßen: Man behandelt also zum Beispiel Blutgefäßzellen in Zellkultur mit unrealistisch hohen Mengen Resveratrol und stellt fest, ein an Entzündungsprozessen beteiligter Rezeptor wird von den Zellen weniger hergestellt. Plopp, schon wirkt Rotwein möglicherweise gegen Atherosklerose.

Der zweite Teil der Argumentationskette ist mindestens genauso dubios. Die Story mit den kleinen Mengen Alkohol, die angeblich gesund sind, geht schon seit ner Weile rum – es gibt auch eine ganze Menge Untersuchungen, die den Effekt gefunden haben.Nur: Die Studien, die das nachgewiesen haben wollen, sind weit überwiegend schlecht. Das sage nicht ich, sondern ein Forscherteam, das diesen Effekt mal unter die Lupe genommen hat. Ich hab das Problem im Video ein bisschen erklärt.

Kurz zusammengefasst: Die Abstinenzler, die anscheinend weniger gesund sind als die Wenigtrinker, sind keineswegs eine mit letzteren vergleichbare Gruppe. Unsere Gesellschaft ist so stark mit Alkohol getränkt, dass eine völlig alkoholfreie Ernährung die erklärungsbedürftige Ausnahme ist. Das tun überwiegend jene abstinent, die es aus gesundheitlichen Gründen müssen: Trockene Alkoholiker, Leberkranke oder Leute, die viele Medikamente schlucken. Und die sind oft nicht besonders gesund.

Ich finde den Hype um die angeblich gesunde Trinkerei eh ein bisschen seltsam. Man braucht sich nur mal zu erinnern, was für eine wahnsinnige Aufregung immer um jeden Fliegenschiss einer möglicherweise krebserregenden Substanz herrscht, die per Spurenanalytik irgendwo auftaucht. Ethanol dagegen ist ein bekanntes, starkes Karzinogen und in Deutschland jährlich für geschätzt 13 000 zusätzliche Krebsfälle verantwortlich. Ein Glas Wein enthält so ungefähr 12 Gramm reinen Ethanol. Das fällt anscheinend in die Kategorie: Verarschen können wir uns auch selber – Übung haben wir ja. Prost.

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