Direkt zum Inhalt

Doku-Drama: Mars Staffel 2: Kommerz kontra Wissenschaft

In der zweiten Staffel der Serie »Mars« des National Geographic Channel geht die Besiedlung des Roten Planeten weiter. Die wissenschaftliche Station der ersten Staffel hat sich zu der kleinen Stadt Olympus Town entwickelt, und sie bekommt einen Nachbarn: die Lukrum Colony. Aber den neuen Siedlern geht es nicht um Wissenschaft, sondern um Profit. Konflikte sind vorprogrammiert …
Mars Staffel 2: Kommerz contra Wissenschaft

Videotext: Veröffentlicht am: 27.07.2018

Laufzeit: 0:02:24

Sprache: englisch

Die 1888 in den USA gegründete National Geographic Society fördert geografische Forschungsprojekte und macht die Leser seines Magazins National Geographic mit Menschen, Problemen und Regionen bekannt.

Nach dem Erfolg der ersten Staffel der Doku-Drama-Serie »Mars« hat National Geographic im November 2018 eine zweite Staffel nachgeschoben. Die meisten Schauspieler der ersten Staffel sind weiter dabei. Die ursprünglichen Autoren sind nicht mehr an Bord, aber der Spartensender hat mit Dee Johnson eine erfahrene Drehbuchautorin eingekauft, die auch als Showrunner fungiert. Einige neue Regisseure setzten ebenfalls eigene Akzente.

Neun Jahre nach der Landung der ersten Marsrakete hat sich die Kolonie in ihrer Lavahöhle etabliert. Das Terraforming hat begonnen, große Spiegel im Weltraum sollen die riesigen Eisvorräte an den Marspolen auftauen, die Temperaturen anheben und die dünne Atmosphäre so weit verdichten, dass Menschen irgendwann ohne Raumanzug dort leben können. Aber mit der Routine kommen auch Müdigkeit und Überdruss. Die einfachen einheimischen Lebewesen, die am Ende der ersten Staffel für eine Sensation sorgten und die Existenz der Marssiedlung sicherten, erweisen sich als eher unspektakulär. Trotz intensiver Suche haben die Wissenschaftler keine weiteren Arten finden können. Das Terraforming zeigt kaum Wirkung, und die Bedingungen für flüssiges Wasser auf der Oberfläche bleiben schlecht. Die Ärztin Amelie Durand möchte zurück zur Erde, sie erträgt die eiskalte Öde nicht mehr. Dann sorgen neue Nachbarn für Aufregung: Der Rohstoffkonzern Lukrum Industries errichtet eine eigene Kolonie in der Nähe von Olympus City auf der Oberfläche des Mars. Die hemdsärmelige, fordernde und rücksichtslose Art der auf schnellen Profit ausgerichteten Prospektoren lässt sehr schnell Konflikte mit den Wissenschaftlern hochkochen. Es kommt zu dramatischen Szenen und einer Reihe von Todesfällen.

Die Serienmacher mischen die Spielhandlung mit Warnungen vor einer kommerziellen Ausbeutung von Ressourcen auf dem Mars und auf der Erde. Szenen von Greenpeace-Protesten gegen Ölbohrplattformen in der Arktis sollen diesen Punkt unterstreichen. Naomi Klein, die wohl bekannteste Kritikerin des globalen Kapitalismus, kommt mehrfach zu Wort und warnt vor der Rücksichtslosigkeit großer Konzerne. Dieses Thema beherrscht die ganze Serie, und auch die Spielhandlung ist entsprechend aufgebaut. So berichtet ein russischer Aktivist über den Versuch der Behörden, einen Milzbrandausbruch zu vertuschen. Der Bericht wechselt sich ab mit der Darstellung eines Krankheitsausbruchs in den Marskolonien durch ein neu entdecktes Marsbakterium. Auf der Erde diskutieren die Organisatoren der Marsexpeditionen darüber, ob und wie man den Vorfall geheim hält.

Der Konflikt zwischen der profitorientierten Lukrum Colony und den Wissenschaftlern von Olympus Town sorgen für Spannung, aber vieles bleibt klischeehaft. Der Name Lukrum (von lateinisch lucrum: der Profit, der Gewinn) ist plakativ gewählt, und der Chef des Unternehmens auf der Erde hätte durchaus das Zeug zum James-Bond-Bösewicht. Die Autoren der Serie haben aber immerhin der Versuchung widerstanden, die Bewohner der Lukrum Colony als gierige und mitleidlose Kapitalisten darzustellen. Im Grunde wirken sie eher wie Getriebene, die mit begrenzten Mitteln einen schnellen Erfolg erzielen müssen. Und auch die Bewohner von Olympus Town sind keine Engel. Eine unmenschlich harte Entscheidung führt beinahe zur Vernichtung der benachbarten Bergbaukolonie. Die immer wieder dazwischengeschnittenen Sequenzen von Greenpeace-Aktionen gegen Ölbohrungen in der Arktis zeigen allerdings deutlich, auf welcher Seite die Sympathie der Serienmacher liegt. Bei dieser moralisch überfrachteten Erzählweise bleibt die wissenschaftlich korrekte Darstellung der Marsexpeditionen weitgehend auf der Strecke. So ist inzwischen bekannt, dass der extrem feine Marsstaub mit so genannten Perchloraten durchsetzt ist, die beträchtliche Gesundheitsgefahren bergen. Jeglicher Staub nach Außeneinsätzen müsste also sorgfältig abgewaschen werden, damit er nicht in die Wohnräume eindringt. Davon ist aber nichts zu sehen. Die Zuschauer erfahren auch nicht, wie nun eigentlich die Marslebewesen aussehen, die am Ende der ersten Staffel eine Fortsetzung der Marsbesiedlung überhaupt ermöglicht haben. Marskolonien müssten außerdem lokal verfügbare Materialien als Baustoff nutzen, weil sie unmöglich alles von der Erde importieren könnten. Das bedarf einiger Improvisationskunst, aber dieses spannende Thema schneidet die Serie nicht an. Die immensen Kosten der Kolonie kommen nur zur Sprache, um sie mit den scheinbar unerschöpflichen Geldmitteln von Lukrum Industries zu vergleichen. Während der ganzen Serie wird auch nie klar, welche Rohstoffe Lukrum auf dem Mars eigentlich sucht und wie sie damit Geld verdienen wollen. Zu diesen Logiklöchern kommen einige haarsträubende Fehler. Das infektiöse Marsbakterium soll laut Film ein so primitiver Erreger sein, dass er nur mit einem primitiven Antibiotikum erfolgreich behandelt werden kann. Mit Penizillin retten die Ärzte das Leben der todkranken Patienten dann binnen weniger Minuten. Selbst bei wohlwollender Betrachtung ist das blühender Unsinn. Die Exobiologin Marta Kamen kritisiert Lukrum scharf dafür, einen Grundwasserleiter anzubohren, ohne ihn ausreichend gegen Kontamination zu schützen. Gleichzeitig treibt die Wissenschaftssiedlung aber das Terraforming voran. Doch sobald sich auf der staubtrockenen Marsoberfläche flüssiges Wasser sammelt, verändern sich die Umweltbedingungen auf dem gesamten Planeten dramatisch. Sollte es in den oberen Bodenschichten marsianische Lebensgemeinschaften geben, würden sie vermutlich aussterben. Im Endeffekt bedeutet Terraforming nichts anderes als Umweltzerstörung im planetaren Maßstab. Dieses Thema reißt der Film aber nicht ein einziges Mal an. Niemand diskutiert darüber, ob der momentane Zustand bewahrt werden sollte oder ob zumindest bestimmte Regionen geschützt werden müssten.

Fazit: Der dramatische Konflikt zwischen Wissenschaft und Kommerz sorgt für spannende Unterhaltung. Leider bleibt die wissenschaftliche Genauigkeit dabei auf der Strecke, und die Zuschauer erfahren auch nichts über Schwierigkeiten beim Ausbau von Marssiedlungen. An keiner Stelle hinterfragt die Serie die Vernichtung der Marsoberfläche durch Terraforming, obwohl sie zugleich die Umweltzerstörung durch globale Rohstoffkonzerne anprangert  auf der Erde wie auf dem Mars. Das Ergebnis ist eine Serie mit viel Moral und Fiction, wenig Science und schwacher Logik.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.