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Medikamententests: Versuchsobjekt Mensch

Jedes Medikament muss vor der Marktzulassung in drei Phasen am Menschen getestet werden. Wie finden solche Tests statt? Wer sind die Probanden, die sich und ihren Körper freiwillig und gegen Geld zur Verfügung stellen? Und warum gehen mehr und mehr Pharmaunternehmen für die klinische Forschung – also die Forschung am Menschen – in Entwicklungs- und Schwellenländer?
Medikamententests – Versuchsobjekt Mensch

Veröffentlicht am: 05.12.2018

Laufzeit: 0:46:22

Sprache: deutsch

Bei Addendum finden Sie die Ergebnisse von intensiven Recherche-Projekten.

»Menschenversuche klingen natürlich brutal. Aber ich denke, jeder, der ein sicheres Arzneimittel haben möchte, der muss Ja sagen zur klinischen Forschung. Und wenn man Ja sagt zur klinischen Forschung, sagt man auch Ja zu Arzneimittelstudien an gesunden Probanden«, erklärt Markus Zeitlinger, Vorstand der Universitätsklinik für klinische Pharmakologie.

Im Jahr 2017 wurden in Österreich 453 Studien an 5189 Patienten durchgeführt. 22 Studien davon waren so genannte Phase-I-Studien. Dazu werden völlig gesunde Menschen herangezogen, um potenzielle Nebenwirkungen, Anfluten des Wirkstoffes im Körper, Wirkstoffverteilung, Metabolisierung und Ausscheidung zu untersuchen. In Phase II geht es um die Dosisfindung am Patienten, erst in Phase III um die Wirksamkeit, ebenfalls getestet am kranken Menschen. Für alle drei Phasen werden Testpersonen gebraucht. Jede Studie muss von einer Ethikkommission bewilligt werden; alle Probanden sind versichert und werden bei Nebenwirkungen auch im Nachhinein medizinisch betreut.

Das war nicht immer so. Medikamentenversuche am Menschen waren lange nicht annähernd so gut reguliert und kontrolliert. Das weiß kaum jemand besser als Walter Nowak. Der gebürtige Wiener wuchs in einem Schweizer Kinderheim auf und war dort Opfer schwerer Misshandlungen. Aber das ist noch nicht alles: Wie sich Jahrzehnte später herausstellte, war Nowak außerdem Versuchskaninchen für die Erprobung nicht zugelassener Medikamente.

Nun hat Walter Nowak noch ein großes Lebensziel: Er möchte Gerechtigkeit erfahren. Und er hat nicht viel Zeit. Seinen Ärzten zufolge hat er nur noch eine Lebenserwartung von etwa zehn Jahren. Sein Anwalt sucht nach einem Weg, die Verjährungsfrist zu umgehen und so den Kanton Thurgau und in weiterer Folge auch den Schweizer Pharmariesen in die Pflicht zu nehmen, der die Medikamente hergestellt hat, die Walter Nowak in den 1970er Jahren verabreicht wurden.

Fälle wie der von Walter Nowak können heute eigentlich nicht mehr passieren. Dafür sorgen zahlreiche Vorschriften, Gesetze und Ethikkommissionen. Das macht die klinische Forschung aber auch teuer und langwierig. Daher blüht der Markt der Clinical Research Organisations (CROs). Das sind Firmen, die im Auftrag von Pharmaunternehmen klinische Studien durchführen. Und einige von ihnen werben aggressiv damit, das wesentlich schneller und billiger zu schaffen als andere – weil sie die Studien in Osteuropa oder in Schwellen- und Entwicklungsländern durchführen.

Was hat sich seit den Versuchen an Walter Nowak verändert? Sind die Medikamententests heute wirklich sicherer und sauberer als früher? Oder hat sich das Problem nur geografisch verlagert?

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