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Schifffahrt: Mit Solarzellen auf Weltreise

Während Elektroautos langsam an Zustimmung gewinnen, fahren fast alle Schiffe weiterhin mit dem besonders umweltschädlichen Schiffsdiesel. Mit dem emissionsfreien Katamaran »Energy Observer« möchten die Franzosen Victorien Erussard und Jérôme Delafosse zeigen, dass es auch anders geht. Das CNET-Video stellt ihr Projekt vor.
© CNET
Schifffahrt: In sechs Jahren um die Welt

Veröffentlicht am: 17.07.2020

Laufzeit: 0:03:58

Sprache: englisch

Der internationale Schiffsverkehr bläst pro Jahr mehr CO2 in die Luft als Deutschland – mit steigender Tendenz. Die Vorgabe der International Maritime Organisation (IMO), bis 2050 die Emissionen um 50 Prozent gegenüber 2008 zu senken, hat bisher keine Wirkung gezeigt.

Das muss nicht sein, meinte der Regattasegler Victorien Erussard. Zusammen mit dem Taucher und Dokumentarfilmer Jérôme Delafosse baute er ab 2015 einen ehemaligen Rennkatamaran zum emissionsfreien High-Tech-Demonstrator um. Ihr Boot hatte damals bereits eine bewegte Karriere hinter sich. Es wurde 1983 in Kanada gebaut und legte unter dem Namen »Formule TAG« als erstes Segelschiff eine Strecke von 500 Seemeilen (926 Kilometer) in weniger als 24 Stunden zurück. Im Jahr 1994 gewann der neuseeländische Sportsegler Peter Blake mit dem Boot die »Trophée Jules Verne« für die schnellste Nonstop-Weltumsegelung. Im Jahr 2012 lag der Katamaran nach weiteren Besitzerwechseln in einem wenig glorreichem Zustand im Hafen von Brest.

Sechs Millionen Euro mussten Erussard und Delafosse zusammenkratzen, um aus dem altersschwachen Rennboot ein schwimmendes Labor zur Erprobung modernster umweltverträglicher Antriebstechniken zu machen. Sie konnten eine ganze Reihe finanzkräftiger Sponsoren für ihre Idee begeistern. Diese tragen auch die hohen laufenden Kosten mit. Insgesamt wird das Projekt einen deutlich zweistelligen Millionenbetrag verschlingen.

Im April 2017 startete Energy Observer mit einer Besatzung von zehn Personen zu einer knapp unter sechs Jahren angelegten Weltreise. 101 Ziele in 50 Ländern wollen die Initiatoren bis Ende 2022 ansteuern und so für eine Reduktion der Treibhausgasemissionen im Schiffsverkehr werben. Das Schiff war beim Start auf rund 165 Quadratmetern mit Solarzellen bedeckt. Unter günstigen Umständen produzierten sie 28 Kilowatt (KW) Strom, der dann in Lithium-Akkus mit einer Kapazität von etwa 100 KWh gespeichert wurde. Seit 2019 sorgen außerdem zwei High-Tech-Segel, sogenannte Oceanwings, für eine bessere Nutzung der Windenergie. Eine Besonderheit des Schiffs ist der von Toyota spendierte Brennstoffzellenantrieb. Das Schiff stellt den Wasserstoff dafür selbst her. Ein Elektrolyseur spaltet das vorher gründlich entsalzte und gereinigte Meerwasser in Wasserstoff und Sauerstoff auf. Große Drucktanks speichern maximal 62 Kilogramm Wasserstoff. Das reicht aus, um das Schiff tagelang mit Energie zu versorgen.

Energy Observer ist ein Experimentalschiff, an dem die Besatzung ständig Veränderungen vornimmt. Beispielsweise wurde ein Kite, ein Zugdrachen, der den Antrieb unterstützen sollte, zwischenzeitlich wieder abgebaut. Er erfüllte die Erwartungen nicht. Anfang dieses Jahres hat Toyota eine neue, verbesserte Brennstoffzelle installiert. Etwa zur gleichen Zeit haben die Ingenieure des Projekts die Fläche der Solarzellen auf 202 Quadratmeter aufgestockt, was die maximale Leistung auf rund 34 KW anhebt. Wo jetzt die Segel sind, waren anfangs zwei Windturbinen. Auch sie brachten nicht die gewünschte Leistung. Das CNET-Video verwendet offenbar auch altes Filmmaterial, und so ist die Energy Observer mal mit Windturbinen, mal mit Segeln zu sehen.

Die Corona-Pandemie hat den Reiseplan ab April dieses Jahres gründlich durcheinander geworfen. Eigentlich sollte das Boot zu den Olympischen Spielen Ende Juli 2020 in Tokio ankommen, aber das Internationale Olympische Komitee hat die Eröffnung des Großereignisses auf den 23. Juli 2021 verschoben. Wegen der ständig neuen Quarantänebestimmungen weiß die Crew auch nie, wo sie an Land gehen darf. Sie verbringt deshalb deutlich mehr Zeit als geplant auf See – und ist froh darüber, dass ihr Boot Energie und Trinkwasser gänzlich selbst erzeugt. Nur das Essen muss zugeliefert werden. Am 19. August lag das Boot nach dem im Web veröffentlichten Life Panel im Hafen von Fort-de-France auf der Insel Martinique in der Karibik. Wer die Reise verfolgen will, kann die Homepage der Energy Observer aufrufen, oder sich die Videos auf ihrem YouTube-Kanal ansehen. Die Kommentare in den meisten der Kurzvideos sind allerdings größtenteils in französischer Sprache.

Die Weltreise der Energy Observer produziert zweifellos viele schöne Bilder, aber bringt sie den ökologischen Umbruch des Schiffsverkehrs tatsächlich voran? Schon vor seiner Umrüstung brauchte das Boot keine fossile Energie zum Segeln, es nutzte ausschließlich die Kraft des Windes. Deshalb ist der Nachweis, dass ein sehr leichter Katamaran aus Luft und Sonne genügend Energie für seinen Vortrieb, die Steuercomputer und die Kaffeemaschine erzeugt, nicht unbedingt wegweisend für die gesamte Schiffsindustrie. Auf jeden Fall gewinnen die Projektpartner wertvolle Erfahrungen zum Einsatz der komplexen Technik unter den schwierigen Bedingungen auf hoher See.

»Energy Observer« ist übrigens nicht das einzige Boot, das, über und über mit Solarzellen bedeckt, auf Weltreise ist. Die Schweizer Stiftung »Race For Water« hat 2017 einen Trimaran auf Tour geschickt, der seine Energie ebenfalls von der Sonne holt und damit Wasserstoff für seinen Brennstoffzellenantrieb gewinnt. Das Boot, das wie die Stiftung heißt, verfügt über einen Zugdrachen anstelle von Segeln. Mit seiner Weltreise soll es unter anderem auf die Plastikverschmutzung in Ozeanen aufmerksam machen. Letztlich müssen die Schiffsbauer einen Weg finden, Stückgutfrachter, riesige Containerschiffe und die schwimmenden Städte der Kreuzfahrttouristen so anzutreiben, dass sie möglichst wenig Treibhausgase ausstoßen. Und dafür wird man noch ganz andere Ideen brauchen.

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