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Marsreisen: Per Billigflieger zum Mars

Der Multiunternehmer Elon Musk ist fest davon überzeugt, dass die Menschheit nur überleben wird, wenn sie sich auf mehreren Planeten ansiedelt. Das Video des indischen YouTube-Channels »Real Engineering« beschreibt, auf welche Weise und zu welchem Preis er Menschen auf den Mars bringen will.
http://www.youtube.com/watch?v=sebdZIjBFrU
© Engineering Today
Billigflieger zum Mars

Videotext: Veröffentlicht am: 12.02.2019

Laufzeit: 0:10:22

Sprache: englisch

Langweilt Sie Ihr Job? Möchten Sie etwas Neues aufbauen, auch wenn es mit Gefahr verbunden ist? Möchten Sie Teil einer schnell wachsenden Gemeinschaft an einem Ort werden, an dem noch nie Menschen gewohnt haben? Dann werden Sie doch Marskolonist! Verkaufen Sie Ihr Haus und erstehen Sie ein Ticket für den nächsten Marsflug.

Was das kostet? Nicht mehr als 500 000 US-Dollar pro Person. Vielleicht auch deutlich weniger will Elon Musk dafür verlangen, sobald seine Firma SpaceX das gigantische Raumschiff »Starship« in Betrieb genommen hat. Es soll mit Hilfe der Unterstufe »Super-Heavy« ins All fliegen, in der Erdumlaufbahn aufgetankt werden und dann Kurs auf den Mars nehmen. Sie müssen das nicht gleich entscheiden; »Starship« ist gerade erst im Bau und startet seinen ersten bemannten Marsflug nicht vor 2024. Die Ticketreservierung hat noch nicht begonnen.

Sollten Sie sich für die Reise entscheiden, werden Sie voraussichtlich auf viele Gleichgesinnte treffen: Im Lauf weniger Jahrzehnte will Musk mehr als 100 000 Menschen zu den neu entstehenden Marsstädten bringen. Sollte die Erde in einem Atomkrieg untergehen oder die bestehende Ordnung unter der Last des Klimawandels zusammenbrechen, würde die Marskolonie die Fackel der Zivilisation weitertragen. Das Video stellt die Pläne von Elon Musk detailliert vor und streicht auch den »niedrigen« Ticketpreis gebührend heraus. Aber ist seine Kalkulation überhaupt realistisch? Das Video beschränkt sich leider ausschließlich darauf, das Vorhaben von Musk nachzuzeichnen. Ein Vergleich mit den Vorhaben anderer Organisationen wäre durchaus hilfreich.

Die NASA hat bisher keine konkrete Vorstellung, wie sie Astronauten auf die lange Reise zum Mars schicken will; ob eine dauerhafte Basis entstehen soll oder die Gründung einer Kolonie vorgesehen ist. Die Kosten für eine bemannte Marsmission schätzt sie auf mindestens 100 Milliarden US-Dollar, wobei nach oben keine Grenzen gesetzt sind. Weil darin die Entwicklungskosten für Raketen, Raumschiffe, Habitate und Geräte enthalten sind, gilt der hohe Preis nur für die erste Mission, alle weiteren wären schon für schätzungsweise 20 bis 50 Milliarden US-Dollar zu haben.

Eine private Firma könnte so viel Geld unmöglich aufbringen, also müsste SpaceX die Aufgabe wesentlich billiger erledigen. Ihr Raumschiff soll rund 100 Menschen gleichzeitig zum Mars bringen. Wenn jeder Passagier 500 000 US-Dollar bezahlt, kämen 50 Millionen US-Dollar zusammen. Das ist nicht einmal ein Tausendstel des Betrags, den die NASA ansetzt. Nun ist Elon Musk zwar ein Visionär, aber keineswegs ein Traumtänzer. Seine Rechnung könnte durchaus aufgehen. Drei Alternativen bieten sich dafür an:

1. SpaceX arbeitet im Auftrag der NASA und lässt sich die Entwicklung und Durchführung der Marskolonialisierung weitgehend vom amerikanischen Staat finanzieren. Die Passagiere zahlen dann nur einen zwar heftigen, aber immer noch symbolischen Preis. Für diese Variante spricht im Moment eher wenig. Die NASA besteht darauf, ihre eigenen exorbitant teuren Raketen für bemannte Mond- und Marsreisen zu bauen. Das hat eher politische als technische Hintergründe. Weil das Budget der NASA vom amerikanischen Kongress beschlossen wird, muss sie ihre Aufträge möglichst breit verteilen. Ganz platt ausgedrückt: Die Abgeordneten möchten von dem Geld, das sie der NASA zuweisen, möglichst viel in ihre eigenen Wahlkreise leiten. Wenn die NASA zu kostengünstig arbeitet oder ihre Fabrikationsstätten an wenigen Orten konzentriert, verschlechtert sie ihre Chancen auf politische Unterstützung. Sollte die NASA beispielsweise SpaceX mit der Durchführung der Marsmission betrauen, müsste sie mit entschiedenem Widerstand im Kongress rechnen, auch wenn sie 100 Milliarden US-Dollar dabei einspart. In den letzten Wochen sieht es allerdings so aus, als ob die NASA bei bemannten Mondflügen doch eine Zusammenarbeit mit privaten Raumfahrtunternehmen suche.

2. SpaceX finanziert die Entwicklung und den Betrieb aus anderen Einnahmen. Das wäre durchaus denkbar, denn das »Starship« eignet sich für viele Aufgaben. Es könnte als eine Art Superflugzeug mit mehr als 200 Passagieren jeden Ort der Erde binnen einer Stunde anfliegen oder schwere Lasten unvergleichlich günstig in eine erdnahe Umlaufbahn bringen. Und schließlich ermöglicht es Mondflüge zu Preisen, die sich auch kleinere Staaten oder internationale Unternehmen leisten können. Wenn die Europäische Weltraumbehörde ESA tatsächlich, wie angekündigt, in absehbarer Zeit ein internationales »Moon Village« bauen möchte, wäre »Starship« ein geeignetes Transportmittel. Aus diesen Einnahmen könnte SpaceX Geld für die Marsmissionen zuschießen – schließlich geht es nach Überzeugung von Elon Musk um nicht weniger als die Rettung der Menschheit.

3. Die Tickets sind kostendeckend. In diesem Fall würde ein Flug zum Mars und zurück kaum mehr als 50 Millionen US-Dollar kosten, und die NASA hätte den Aufwand um den Faktor 1000 zu hoch angesetzt. Können sich ausgewiesene Experten wirklich so gewaltig verrechnen? Erstaunlicherweise sind beide Kalkulationen nicht unbedingt ganz falsch. Die NASA geht von einer einstelligen Anzahl von Missionen aus. Im Vordergrund steht das nationale Prestige, nicht die Besiedlung des Mars. Man möchte stolz sagen können: »Wir sind da gewesen – das soll uns mal einer nachmachen!« Je höher der Preis, desto eher schreckt er potenzielle Konkurrenten ab. SpaceX möchte dagegen das Sonnensystem für die menschliche Besiedlung erschließen. Die Firma stellt nur die Transportmittel und einen Teil der Infrastruktur. Die Siedler zahlen selbst für den Transport. Aber die Rechnung ist durchaus knapp kalkuliert. Weil allein die Entwicklungskosten von »Starship« und »Super-Heavy« im Bereich von 10 Milliarden US-Dollar liegen, wäre das System erst nach vielen hundert Flügen rentabel. Vielleicht bleibt die Besiedlung des Mars aber auch im Ansatz stecken. Eine Marskolonie braucht jahrzehntelang sehr viel Fracht von der Erde, bevor die Siedler auch nur einen Teil ihrer Ausrüstung selbst herstellen können. Die Erde wird das nicht ewig bezahlen wollen, also müssen die Marsianer früher oder später Waren produzieren, mit denen sie genügend Geld verdienen, um Versorgungsgüter einzukaufen.

Das Video lässt diese Einzelheiten weitgehend aus und konzentriert sich, anders als die Überschrift vermuten lässt, ganz auf das technische Konzept der geplanten Marsmission. Auf den ersten Blick sieht es plausibel aus. Ob es aber tatsächlich durchführbar ist, muss sich noch erweisen.

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