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Computerarchitektur: Prozessor ohne Betriebssystem

Die Evolution hat für die Datenverarbeitung unterschiedliche Methoden zur Effizienzsteigerung entwickelt. Mit Hilfe neuromorpher Waferstrukturen beginnen Computerwissenschaftler jetzt erstmals, unser wachsendes Verständnis über die biologische Datenverarbeitung in einer komplett neuartigen Rechnerarchitektur zu nutzen, die künftig zu einer völlig andersartigen Rechnerarchitektur führen könnte. Unsere Moderatorin Susanne Päch hat Dr. Andreas Grübl von der Uni Heidelberg besucht, der am Kirchhoff-Institut für Physik – einem Hotspot dieser Forschung – einen ersten neuromorphen Computer gebaut hat.
© hyperraum.TV
Prozessor ohne Betriebssystem

Veröffentlicht am: 01.10.2013

Laufzeit: 0:15:00

Sprache: deutsch

Hyperraum TV ist ein von der Medienwissenschaftlerin und Wissenschaftshistorikerin Susanne Päch betriebener Spartensender für Wissenschaft und Technologie.

Der neuromorphe Ansatz in Heidelberg erlaubt es, elektronische Schaltungen zu bauen, die das Verhalten von Neuronen und Synapsen auf elektronischer Basis nachempfinden. Der Chip als technologisches Herzstück emuliert also die Datenübertragung der elektrischen Signale in der Nervenzelle. Er muss zwar noch wie ein konventioneller Prozessor über Software gestartet werden, dann aber entwickelt er sich im neuromorphen Netz selbst weiter. Dazu sind Chips in einem Wafer aus Silizium zusammengeschaltet. Mit dieser Struktur lassen sich heute 200.000 Neuronen mit 44 Millionen Synapsen vernetzen, was einem Kubikmillimeter Großhirnrinde entspricht.

Anders als im Computer senden Neuronen ihre Informationen nur weiter, wenn diese Informationen durch andere Neuronen im Netz über einen gewissen Schwellwert gebracht werden. Es bedeutet: Neuronen speichern Daten zuerst einmal und geben sie dann weiter, wenn sie für das Gesamtsystem als bedeutsam erkannt werden. Die Nachrichtenübertragung anhand von sogenannten Aktionspotenzialen ist ein wesentlicher Aspekt der neuromorphen Chiplandschaft aus Heidelberg. In unserem Gespräch mit Andreas Grübl geht es aber auch um die Emulation von Hirnfunktionen wie Lernen und Vergessen. Die Tatsache, dass in einem Neuron Nachrichten gesammelt und nicht notwendigerweise weitergegeben werden, ist bereits ein Akt der Datenreduktion. Eine ganz andere Fähigkeit zur Datenreduktion im Gehirn ist dagegen die Langzeitplastizität, also das Gedächtnis, das im neuromorphen Computer bereits in ersten Ansätzen emuliert wird. Über viele Methoden der Datenreduktion des Gehirns wissen wir noch zu wenig, um sie nachrichtentechnisch nachbilden zu können.

Auch wenn wir erst am Anfang der Entwicklung neuromorpher Chips stehen, so zeigt sich bereits, dass sie für die Computerwissenschaften von großer Bedeutung sind. Sie werden sowohl hinsichtlich des Energiebedarfs als auch im Bezug auf die Rechengeschwindigkeit einen Quantensprung bringen. Allerdings zeigt das Rechner-Modell nach dem Vorbild der Natur auch Nachteile. So sinkt beispielsweise durch die inhärente Datenreduktion die Präzision der Datenverarbeitung. Insofern sind neuromorphe Computer kein Ersatz für heutige Supercomputer, sondern werden diese künftig ergänzen.

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