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Zeitreise: Quantensysteme auf »Zeitreise«

Die Zeit bewegt sich eigentlich immer nur in eine Richtung. Doch eine Studie behauptet, dass zumindest spezielle Quantensysteme in der Zeit zurückreisen können.
Scientists Claim They Made Time Go Backwards...But Did They?

Veröffentlicht am: 30.01.2018

Laufzeit: 0:02:59

Sprache: englisch

Seeker/DNews ist ein YouTube-Kanal mit Videos zu wissenschaftlichen Themen. Er gehört zum US-amerikanischen globalen Medien- und Unterhaltungsunternehmen Discovery Communications, das 1985 in den USA vom Discovery Channel gegründet wurde.

Wenn Physiker vom Verlauf der Zeit sprechen, bemühen sie gern das Bild vom Zeitpfeil. Er zeigt an, in welche Richtung die Zeit verläuft, und ist gemäß unserer Alltagserfahrung eindeutig von der Vergangenheit auf die Zukunft gerichtet. Wir scheinen keine andere Wahl zu haben, als ihm zu folgen.

Doch es könnte für manche Systeme Ausnahmen geben, folgt man diesem Video auf dem YouTube-Kanal Seeker. Der Clip stellt eine wissenschaftliche Veröffentlichung vor, in der eine internationale Forschergruppe behauptet, den Zeitpfeil für ein spezielles Quantensystem umgedreht zu haben.

Die Idee ist grundsätzlich äußerst spannend. Das Problem mit dem Zeitpfeil ist nämlich, dass die physikalischen Gesetze und Gleichungen, mit denen wir Bewegungen beschreiben, genauso gelten würden, wenn sich ein Objekt rückwärts durch die Zeit bewegen würde. So wäre es kein Verstoß gegen die Gesetze der Mechanik, wenn die Scherben einer zerbrochenen Tasse wieder aufeinander zufliegen und die Tasse in einem Stück auf dem Tisch landen würde.

Warum solche Prozesse im Alltag immer nur in einer Richtung ablaufen, liegt in der Statistik begründet. Es gibt im Allgemeinen viel mehr Möglichkeiten für ein System, ungeordnet zu sein (beispielsweise als Tasse zerbrochen zu sein) als geordnet (in einem Stück) zu sein. Somit sind Prozesse, bei denen die Unordnung zunimmt, viel wahrscheinlicher – was letztendlich die Richtung des Zeitpfeils definiert. Mit anderen Worten: Die Entropie, das Maß der Unordnung, nimmt gemäß dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik im Verlauf der Zeit zu.

In ihren Experimenten beziehen sich die Physiker nun auf einen speziellen Aspekt der Entropiezunahme, nämlich die Wärmeleitung. Hier gilt schlicht und einfach: Bringt man zwei Körper unterschiedlicher Temperatur in Kontakt, fließt die Wärme so lange vom wärmeren zum kälteren, bis die Temperaturen ausgeglichen sind. Statistisch betrachtet liegt das an Folgendem: Es gibt viel mehr mögliche Zustände, in denen die einzelnen Teilchen der beiden Körper alle ungefähr die gleiche Energie haben, als wenn keine Wärme fließen würde oder gar der wärmere noch wärmer und der kältere noch kälter würde.

Indem die Forscher aber ein spezielles Quantensystem konstruiert haben, wurde genau das möglich: Innerhalb eines Chloroformmoleküls gab ein anfänglich kaltes Atom spontan Wärme ab und erhitzte damit ein anderes Atom, das ursprünglich bereits wärmer war. Somit wurde, wie die Forscher in ihrer Veröffentlichung schreiben, auch der Zeitpfeil umgedreht. Wie sie im Weiteren ausführen, wurden dadurch aber keineswegs die Gesetze der Thermodynamik verletzt. Diese gelten in ihrer klassischen Form nämlich nur für unkorrelierte Systeme, während in dem Experiment eine spezielle Quantenkorrelation zwischen den Atomen im Spiel war. Der Physiker David Jennings von der University of Oxford, der nicht an der Studie beteiligt war, erklärt den Effekt in einem Artikel in »Science News« damit, dass diese Korrelationen eine eigene Form von Ordnung darstellen. Diese Ordnung sei wie eine Art Treibstoff, der eingesetzt werden kann, um die Wärme rückwärtsfließen zu lassen.

Ob dieses durchaus spannende experimentelle Ergebnis es rechtfertigt, gleich im Titel der Veröffentlichung von einer Umkehrung des Zeitpfeils zu sprechen und damit zu implizieren, dass das Quantensystem in die Vergangenheit reist, sei vorerst dahingestellt. Im Video jedenfalls wird der Studie mit einiger Skepsis begegnet. Das ist nicht zuletzt auch deshalb nachvollziehbar, weil sie bisher lediglich auf »arXiv.org«, einem Dokumentenserver für Preprints, publiziert wurde. Somit hat sie noch keinen nachweislichen Peer-Review-Prozess durchlaufen, in dem sie von unabhängigen Gutachtern aus dem gleichen Fachgebiet beurteilt worden wäre. Man darf gespannt sein, ob sie einer wissenschaftlichen Prüfung standhält.

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