Wissenschaftsgeschichte: Richard Feynman, der Vielseitige
Er verabscheute Autoritäten, war eigenwillig, hochintelligent, unkonventionell und ein begnadeter Theoretiker. Nein, nicht von Albert Einstein, sondern von Richard P. Feynman handelt dieses Video. Es stammt aus der recht bekannten Reihe »My favourite scientist«, für die der australische Filmemacher Brady Haran Forscher der britischen Nottingham Trent University nach ihren Lieblingswissenschaftlern befragt. Und so unterschiedlich Einstein und Feynman auch gewesen sein mögen: In einigen Charaktereigenschaften ähnelten sich diese beiden unglaublich kreativen Köpfe doch ganz erstaunlich.
Auf kaum einem Gebiet der physikalischen Forschung hat der Nobelpreisträger Richard »Dick« Feynman nicht gearbeitet und zumindest einen Beitrag geleistet. Lässt man sich durch diesen nett illustrierten, schön aufgemachten Clip Appetit machen, wird man zudem viele weitere Facetten des außergewöhnlichen Forschers und Menschen entdecken. Seine bedeutendsten wissenschaftlichen Arbeiten schrieb Feynman zur Quantenelektrodynamik, also zu dem im Verlauf des 20. Jahrhunderts auf quantenphysikalische Grundlagen gestellten Gedankengebäude über die Wechselwirkung von Licht und Materie. Bis heute ist sie die am präziseste getestete naturwissenschaftliche Theorie überhaupt. Neben grundlegenden Beiträgen steuerte er zu ihr auch die berühmt gewordenen Feynman-Diagramme bei. Harmlos anzusehen, als sollten sie physikalischen Laien die Wechselwirkungen verschiedenster Elementarteilchen veranschaulichen, sind sie doch höchst präzise Symbole für komplexe Rechenschritte und längst zu einem Standardwerkzeug von Teilchenphysikern geworden.
Die von Feynman entwickelte Pfadintegral-Methode ist ein weiteres Beispiel dafür, dass er bei aller Abstraktheit der Themen immer auch nach einem intuitiven Verständnis und nach neuen, einfacheren Ausdrucksmitteln suchte. Als elegantes Rechenverfahren kommt sie etwa dann zum Einsatz, wenn man von einem Quantenteilchen nicht weiß, auf welchem genauen Weg es sich fortbewegt, sondern nur die Wahrscheinlichkeiten kennt, dass es diesen oder auch jenen Weg nehmen könnte. Dann gibt Feynmans Methode Auskunft darüber, mit welcher Wahrscheinlichkeit dieses Teilchen einen bestimmten Ort erreicht – indem sie mathematisch sämtliche wahrscheinlichen und unwahrscheinlichen Wege und Umwege, die das Teilchen nehmen könnte, gewissermaßen aufsummiert. Für viele andere intellektuelle Gebiete konnte er sich aber nicht erwärmen. So schätzte er weder die Philosophie besonders, auch wenn es gerade die Eigenheiten der Quantenphysik und ihre Bedeutung für unser Weltbild waren, über die sich einige seiner Kollegen den Kopf zerbrachen. Noch wollte er sich allzu sehr mit politischen und gesellschaftlichen Konsequenzen physikalischer Forschung beschäftigen. Dies waren nicht seine Domänen – seine Beschränkung auf das, was er am besten konnte, muss wohl auch als eine Voraussetzung für die enorme Produktivität dieses wissenschaftlichen Einzelkämpfers gelten.
Nachdem er widerwillig der Bitte der NASA nachgegeben hatte, an der Ursachensuche für den Absturz der »Challenger«-Raumfähre mitzuarbeiten, kam ihm auch seine ausgesprochene Abneigung gegenüber Autoritäten und Amtsschimmel zugute. Während er sich durch Unmengen technischer Dokumentationen quälte und einen steten Kampf mit der riesigen Bürokratie der Weltraumbehörde führte, widmet er sich doch mit Akribie auch jenen technischen Systemen der »Challenger«, denen zig Ingenieure der NASA nur geringere Aufmerksamkeit geschenkt hatten. Letztlich war es Feynman, der herausfand, dass ein zu kalt gewordener Dichtungsring die Katastrophe ausgelöst hatte.
Seine Art, Wissenschaft zu betreiben, indem er alles immer wieder hinterfragte, auch das eigene Verständnis permanent auf den Prüfstand stellte, Dinge von verschiedenen Perspektiven betrachtete und möglichst klar darzustellen versuchte, hat nicht nur einigen künftigen Astronauten das Leben gerettet. Sie war auch Grundlage für Feynmans Talent, Physik anschaulich zu machen. Seine legendär gewordenen Vorlesungen und Vorträge gehören noch heute in Buchform oder als Internet-Video zu den am häufigsten gelesenen und gesehenen Darstellungen der modernen Physik.
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