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Filmkritik zum Jubiläum: »2001 – Odyssee im Weltraum«: Sciencefiction: Stanley Kubrick oder Die Welt zur Jahrtausendwende

»2001 – Odyssee im Weltraum« kam vor 50 Jahren in die Kinos. Mit seinem zum Klassiker gewordenen Film wagte Stanley Kubrick einen Blick auf die Welt zur Jahrtausendwende. Hat er sie richtig vorausgesehen?
Science Fiction: Stanley Kubrick oder Die Welt zur Jahrtausendwende

Veröffentlicht am: 28.03.2018 (1968)

Laufzeit: 0:03:34

Sprache: englisch

Untertitel: ohne Untertitel

Warner Bros. ist eine US-amerikanische Film- und Fernsehgesellschaft und eines von sieben eigenständigen Unternehmen innerhalb des Time-Warner-Konzerns.

Im April 1968, vor genau 50 Jahren, kam Stanley Kubricks Sciencefiction-Film »2001 – Odyssee im Weltraum« in die Kinos. Weil der US-Regisseur sich mit dem Genre nicht auskannte, hatte er für das Drehbuch den Briten Arthur C. Clarke an Bord geholt, den damals berühmtesten Autor technischer Zukunftsromane. Ihre Zusammenarbeit erwies sich als außerordentlich fruchtbar und brachte den wohl besten Sciencefiction-Film hervor, der je gedreht wurde. Viele seiner Szenen schrieben Filmgeschichte, etwa der Tanz eines Weltraumshuttles mit einer gigantischen radförmigen Raumstation, aufgeführt zur Walzermusik von Johann Strauss.

Das Werk nimmt den Zuschauer mit auf eine epische Reise vom Beginn der Menschwerdung über die Eroberung des erdnahen Weltraums bis hin zur Geburt des ersten Sternenkindes. Und stets kommt einem geheimnisvollen schwarzen Quader außerirdischer Herkunft dabei eine offenbar wichtige, aber undurchsichtige Rolle zu.

Der erste Akt des Films spielt vor Millionen von Jahren. Der schwarze Quader taucht vor der Wohnhöhle einer Primatenhorde auf. Er lehrt sie die Benutzung von Werkzeugen für die Jagd und den Kampf und stößt damit den ersten und entscheidenden Schritt zur Menschwerdung an. Die folgenden Szenen sind zwischen 1999 und 2001 angesiedelt, in damals ferner Zukunft.

Clarkes Kurzgeschichte »The Sentinel« (Der Wächter) von 1948 lieferte die Grundidee des Plots. Sie erzählt, wie auf dem Mond das uralte Artefakt einer außerirdischen Zivilisation entdeckt wird, lässt aber offen, welche Funktion es hat. Im Film dagegen sendet die Anlage ein Signal in Richtung Jupiter. Was verbirgt sich dort? Um das Jahr 2000 herum haben die Menschen bereits den erdnahen Raum erobert und beginnen, den Mond zu besiedeln. Binnen 18 Monaten erbauen sie ein Raumschiff und schicken es mitsamt einer fünfköpfigen Besatzung auf den Weg. Doch nur HAL 9000, der übermenschlich intelligente Computer, der es steuert, weiß, welchen Zweck die Reise verfolgt.

Das Szenario von »2001« entspricht den (technischen) Träumen der damaligen Zeit. Als der Film 1968 anlief, stand die NASA kurz vor der ersten Mondlandung. Kein Ziel im Sonnensystem schien mehr unerreichbar zu sein. Frühe Großrechner, ob im Dienst der Wissenschaft oder des Militärs, erzielten immer neue Höchstleistungen. Viele Experten rechneten damit, dass Computer noch vor der Jahrtausendwende zu denken und zu sprechen beginnen würden. Kubrick und Clarke extrapolierten diese Aufbruchstimmung in die Zukunft, ihr Film traf den Nerv der Zeit wie kein zweiter.

Wie gut passen Kubricks Visionen, die damals vor allem die jungen Zuschauer begeisterten, noch in die heutige Zeit? Zentrales Thema von »2001« ist ein Besuch, den außerirdische Wesen dem Sonnensystem abgestattet haben. In der Realität haben wir von einem solchen hypothetischen Ereignis keinerlei Spuren entdeckt, obwohl unsere Teleskope längst auf allen Wellenlängen lauschen und unsere Raumsonden jeden Planeten und selbst manche Asteroiden und Kometen unter die Lupe genommen haben. Vier Milliarden Jahre ist das Sonnensystem schon alt, doch die Aliens haben die Gelegenheit für einen Besuch wohl verstreichen lassen (siehe auch die Videorezension Fermi-Paradoxon: Sind wir allein im All?).

Unsere Zuversicht, dass außerirdisches Leben wirklich existiert, ist trotzdem eher gewachsen. Im Sonnensystem selbst werden wir zwar nicht auf intelligente Wesen treffen. In den Eisreservoirs von Mars, im salzigen Ozean unter der Oberfläche des Jupitermonds Europa – in dem sogar heiße Quellen brodeln (siehe die Videorezension Außerirdisches Leben auf einem Jupitermond) – und selbst auf der Venus hoffen Exobiologen mittlerweile aber auf Mikroorganismen zu stoßen.

Außerhalb der näheren Umgebung wurden Astronomen ebenfalls fündig. Die Zahl der potenziell bewohnbaren Planeten, die wir kennen, wächst ständig. Zwar verbieten sich Hochrechnungen einzelner Funde auf die gesamte Milchstraße – genauso unseriös wäre es jedoch, von vornherein zu bestreiten, dass irgendwo da draußen eine weitere Zivilisation hätte entstehen können.

Anderen intelligenten Lebensformen sind wir bislang trotzdem nicht begegnet. Nicht einmal Computer machen uns etwas vor. Auch wenn sie inzwischen besser Schach und Go spielen, lässt ihre allgemeine Intelligenz doch zu wünschen übrig: Weder mit den sprachgesteuerten Assistenten Siri und Alexa noch mit »intelligenten« Supercomputern wollen wir bislang Gespräche führen. In dieser Hinsicht ist Kubrick weiterhin aktuell. Die Gefahren, die wohl frühestens in einigen Jahrzehnten von echten künstlichen Intelligenzen ausgehen könnten – im Film wendet sich Bordcomputer HAL gegen die Besatzung, als er die Mission in Gefahr sieht –, sind auch heute noch Spekulation.

Auch die Raumfahrt hat sich nicht so schnell entwickelt wie 1968 angenommen. Im Jahr 1972 verließ der letzte irdische Besucher den Mond, seitdem ist seine Oberfläche wieder so still und tot wie in den Jahrmilliarden zuvor. Weltraumtaugliche Flugzeuge, wie sie der Film zeigt, wurden nie gebaut. Die Internationale Raumstation, auffälligstes Symbol gegenwärtiger menschlicher Raumfahrtbemühungen, wirkt klein und wie ingenieurhaftes Stückwerk, verglichen mit dem eleganten Riesenrad, das Kubrick 1968 mit revolutionärer Tricktechnik in Szene setzte. Zudem schwebt unsere »Raum«-Station in gerade einmal 400 Kilometer Höhe über der Erdoberfläche.

Ebenfalls eine Fehlprognose war die kontinuierliche Entwicklung, von der Kubrick und Clarke noch ausgingen. Tatsächlich stagnierte die Weltraumtechnik ab etwa 1975 für mehrere Jahrzehnte. Kaum hoben die Spaceshuttles ab, endete auch schon ihre Weiterentwicklung. Bis zum Schluss nutzten ihre Computer etwa die so genannten Ringkernspeicher, eine vorsintflutlich anmutende Speichertechnik. Marsraketen und Mondstationen verkamen zum Thema für US-Wahlkämpfe, die NASA litt unter schrumpfenden Etats. Immer mehr Politiker stellten den Sinn bemannter Weltraumfahrt grundsätzlich in Frage.

Erst vor einigen Jahren unterbrachen die Internetmilliardäre Elon Musk und Jeff Bezos diesen Stillstand. Musk etwa möchte den Mars besiedeln, um den von ihm erwarteten zivilisatorischen Niedergang abzufedern. Seine im Bau befindliche Big Falcon Rocket könnte, falls sie die Erwartungen erfüllt, endlich das »multiplanetare« Zeitalter der Menschheit einleiten, das Kubrick uns einst versprochen hat.

Dieser hatte allerdings deutlich mehr im Sinn als Spekulationen darüber, wie die Welt an der Schwelle zum 21. Jahrhundert aussehen könnte. Meisterhaft verband er Bilder, Töne, Musik und Stimmungen zu einem Gesamtkunstwerk, das die Sinne der Zuschauer in seinen Bann zieht. Auch nach 50 Jahren wirkt der Film noch immer zeitlos aktuell.

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