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Wildtiere: Spione mitten unter Tieren

Tierroboter mitten unter Wildtieren: Eine fünfteilige Doku ist zwar nicht sehr wissenschaftlich, liefert aber nie gesehene Bilder.
SPIONE IM TIERREICH Trailer German Deutsch (2018)

Veröffentlicht am: 26.01.2018

Laufzeit: 0:01:41

Sprache: deutsch

Untertitel: ohne Untertitel

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Ein guter Tierfilmer braucht zwei Eigenschaften im Übermaß: Geduld und Einfallsreichtum. Für die wenigen Minuten anrührender oder beeindruckender Aufnahmen, die wir im Kino oder im Fernsehen gedankenlos genießen, hockt er monatelang in engen Verstecken oder auf zugigen Hochsitzen. Der bekannte deutsche Tierfilmer Heinz Sielmann zog Spechte mit der Hand auf, damit er später zeigen konnte, wie sie ihre Beute aus Baumstämmen holen.

Der britische Filmproduzent John Downer greift hingegen auf modernste Technik zurück. Er versteckte Kameras in Steinen, nachgebauten Dunghaufen oder in Robotern, die er als Tiere verkleidete. Im Jahr 2000 beobachtete er ein Löwenrudel mit einer Kamera, die als Steinklotz verkleidet war. Das getarnte Aufnahmegerät ließ sich ferngesteuert herumfahren. Die Großkatzen fanden es nicht weiter verdächtig, dass ein Felsbrocken in ihrer Nähe mehrfach die Stellung wechselte, und so gelangen Downer bemerkenswerte Aufnahmen vom Sozialleben in einem Löwenrudel. Für die 2007 veröffentlichte Produktion »Trek – Spy in the Wildebeest« fuhr ein Schildkrötenroboter auf Raupenketten durchs Gelände, Kameras in Krokodilattrappen düsten mit einem Wasserstrahlantrieb die Flüsse entlang. Sie alle verfolgten die lange Wanderung einer Gnuherde (englisch: Wildebeest) durch die afrikanische Steppe.

Für seine neueste Produktion »Spione im Tierreich« für die britische BBC ließ Downer gleich 34 Animatronics, täuschend echte Tierroboter, herstellen. Einige davon sollten nicht nur unauffällig beobachten, sondern auch mit den beobachteten Tieren interagieren. Sie müssen also zumindest einige der typischen Körperhaltungen, Laute und Bewegungen imitieren können. Klügere Tieren wie beispielsweise Orang-Utans lassen sich davon aber nicht täuschen. Der Orang-Utan-Roboter musste demnach auch die Mimik dieser Menschenaffen beherrschen.

Drei Jahre dauerten die Arbeiten, und sie haben sich gelohnt. Die Attrappen sehen erstaunlich lebensecht aus, und ihre Kameraaugen filmten Szenen, die so noch niemand gesehen hat. Krokodile vergraben beispielsweise ihre Eier im Sand am Flussufer. Die Krokodilmutter nimmt die Kleinen sofort nach dem Schlüpfen vorsichtig ins Maul und bringt sie zum Wasser. Weil die Tiere aber extrem misstrauisch sind, lässt sich das nur schwer beobachten. Also hat das Filmteam zwei Animatronics ausgesetzt, die haargenau wie neugeborene Krokodile aussehen und quäken. Die Mutter ließ sich täuschen, und so entstanden die ersten Aufnahmen aus einem Krokodilmaul. Die echten Babys der Panzerechsen erwiesen sich dabei als sehr viel robuster im Vergleich zu den Robotern. Insgesamt sechs Roboter zerbrachen hinter den eindrucksvollen Zähnen der fürsorglichen Reptilienmutter, bevor die Szenen abgefilmt waren.

Die Animatronics halfen den Tierfilmern auch dabei, bei Schimpansen, Rhesusaffen, Präriehunden, Elefanten, Polarwölfen oder Pinguinen ein erstaunlich großes Repertoire von Verhaltensweisen einzufangen. Manche Tierspezies arbeiten auf unerwartete Weise zusammen. Die Serie zeigt Zebramangusten, Verwandte der Mungos, beim Absuchen von Warzenschweinen nach Parasiten. Die sehr viel größeren Warzenschweine lassen sich das gerne gefallen, und die Zebramangusten kommen billig an eine Mahlzeit.

Die Produzenten der Serie haben das Motto ausgegeben, dass Tiere den Menschen ähnlicher sind, als wir denken. Die vier Folgen befassen sich jeweils mit einem Aspekt des tierischen Verhaltens: Zuneigung, Intelligenz, Freundschaft und Unfug. Eine zusätzliche Folge zeigt, wie die Animatronics entstanden sind und wie sie eingesetzt wurden. Die Produktionsfirma präsentiert die Aufnahmen gekonnt, kurzweilig und unterhaltsam. Die Serie ist unbedingt familientauglich, alle Szenen, die eventuell für Kinder ungeeignet sind, fielen dem Schnitt zum Opfer. So sieht man Schimpansen arbeitsteilig jagen, aber das ziemlich brutale Erlegen der Beute wird nicht gezeigt.

Man sollte an die Serie keine großen wissenschaftlichen Ansprüche stellen. Sie will unterhalten, nicht belehren. Der Kommentar vermenschlicht die Tiere hemmungslos, auch wenn er – wie zur Entschuldigung – mehrfach erwähnt, dass Menschen und Tiere sich schließlich nicht so sehr unterscheiden. Teilweise schießen die Beschreibungen aber weit über das Ziel hinaus. So stellt der Sprecher zum Beispiel Fregattvögel als »Gauner und Diebe« vor. Das ist nicht nur eine unzulässige Übertragung menschlicher Werte auf Tiere, sondern inhaltlich auch noch falsch. Diese außerordentlich wendigen Seevögel piesacken zwar andere Vögel tatsächlich dermaßen, dass die ihre Beutefische fallen lassen, doch den größeren Teil ihrer Nahrung fangen sie selbst.

Trotz dieser Vorbehalte ist die Serie wirklich sehenswert. Sie ersetzt keine Vorlesung, aber sie zeigt auf sehr lebendige Weise, wie groß das Verhaltensrepertoire von wilden Tieren ist und wie wenig wir noch immer darüber wissen.

Spione im Tierreich. DVD und Blu-ray. Großbritannien 2017. Regie: John Downer

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