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Wir Werden Alle Sterben: Warum Eier anders zerbrechen als man denkt

Zerbrechen Eier leichter, wenn man auf die Spitze schlägt – oder auf die flache Seite? Jahrzehntelang schien die Antwort offensichtlich. Doch die offensichtliche Antwort ist falsch.
© Lars Fischer, Mike Zeitz
Wie Eier wirklich zerbrechen

Heute geht es um eine Erkenntnis, die jahrzehntealtes Lehrbuchwissen auf den Kopf stellt – und zwar darüber, wie Eier zerbrechen. Genauer gesagt geht es darum, ob sie leichter brechen, wenn sie einen Schlag auf das spitze Ende bekommen, oder wenn der Stoß den flachen Äquator trifft. Und eigentlich hat die Physik darauf eine einfache, logische und seit Jahrzehnten weithin akzeptierte Antwort. Wir wissen zum Beispiel aus der Architektur, dass Bögen und Gewölbe sehr stabil und tragfähig sind. Denn solche Strukturen lenken Kräfte effektiv zur Seite ab und verhindern damit, dass die Spitze unter Belastung einbricht.

Und das ist natürlich auch beim Ei ganz klar der Fall. Die schmalen Enden bilden eine stabile Gewölbestruktur, während die Eierschale am Äquator vergleichsweise flach ist und eher nach oben nachgibt, als Kraft zur Seite abzulenken. Entsprechend ist es absolut einleuchtend, dass Eier Stöße am spitzen Ende besser verkraften als Schläge auf den Äquator.

Doch das ist falsch. Eine amerikanische Forschergruppe hat diese Theorie nämlich jetzt in der Praxis überprüft und dabei festgestellt, dass Eier tatsächlich bei Schlägen aufs spitze Ende empfindlicher sind. Für die jetzt in der Fachzeitschrift »Communications Physics« erschienene Studie hat das Team insgesamt 180 Eier fallen lassen, angesichts der Eierkrise in den USA ein sehr kostspieliges Projekt – ambitionierte Großforschung, etwa vergleichbar mit einem Weltraumteleskop oder Teilchenbeschleuniger. Auf jeden Fall haben die Fachleute gezählt, wie viele der Eier zerbrechen, wenn sie mit der Spitze oder mit der Seite aufkommen.

Konkret hat die Arbeitsgruppe die Eier in beiden Orientierungen aus Höhen von acht, neun und zehn Millimetern auf eine harte Oberfläche fallen lassen. Das ist nicht besonders hoch, aber für eine ordentliche Statistik müssen natürlich auch viele Eier heil bleiben. Und die Auswertung der jeweils zerbrochenen Eier zeigt eindeutig: Entgegen jeder Erwartung zerbrechen auf die Spitze fallende Eier häufiger. Und zwar deutlich häufiger. Bei einer Höhe von acht Millimetern zum Beispiel zerbrachen die senkrecht aufschlagenden Eier in der Hälfte der Fälle, von den seitlich fallenden Eiern nur rund zehn Prozent.

Die Eierschale ist nicht völlig starr

Die Erklärung dafür brachte ein weiteres Experiment, das ebenfalls ein auf den ersten Blick seltsam erscheinendes Ergebnis hatte. Wenn man nämlich Eier entweder seitlich oder aufrecht in eine hydraulische Presse einspannt und misst, bei welcher Kraft sie brechen, ist die nötige Kraft in beiden Richtungen gleich. Wie passt das zum Ergebnis vom Experiment davor?

Tatsächlich gab es einen weiteren interessanten Befund. Und der ist der Schlüssel des Rätsels. Am Äquator gibt die Eierschale nämlich ein bisschen nach, bevor sie bricht – etwa 0,2 Millimeter. Das bedeutet: Lässt man das Ei auf die Seite fallen, verformt es sich, der Äquatorumfang wird kurz elliptisch und federt zurück. Dadurch verteilt sich die Aufprallenergie elastisch.

Avocados, Katzen, Supervulkane – die Welt ist voller Gefahren. In dieser Videoserie stellen die Spektrum-Redakteure Lars Fischer und Mike Zeitz regelmäßig spannende, ungewöhnliche oder einfach kuriose Dinge vor, die auf die eine oder andere Art zum unerwarteten Frühableben führen können.

Die übrigen Folgen der Serie finden Sie auf dieser Sammelseite.

Die spitzen Enden sind dagegen deutlich starrer, denn der Druckstoß wird ja zur Seite abgeleitet. Und dort wirkt die Kraft dann auch auf die am wenigsten gewölbte Äquatorebene, die schwächste Stelle der Eierschale. Aber da bei dieser Stoßgeometrie die Kraft an allen Punkten des Äquators nach außen wirkt, kann das Ei die Energie nicht in Verformung umwandeln und bricht stattdessen mit viel höherer Wahrscheinlichkeit.

Und das erklärt eben, warum dieses Eier-Experiment ganz anders läuft, als man jahrzehntelang dachte. Dank der neuen Studie hat die Menschheit nun also ein völlig neues Verständnis über das Brechen von Eiern gewonnen. Leider hilft uns das nicht allzu sehr weiter, denn die meisten Eier fallen nun mal aus Höhen von mehr als acht Millimeter auf den Boden. Und dann macht es keinen großen Unterschied, wie sie auftreffen.

  • Quellen
Cohen, T. et al., Communications Physics 8, 2025

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