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Insekten: Was wir von Ameisen lernen können

Ameisenkolonien sind komplex, haben jedoch kein Oberhaupt, das sie regiert. Wie sie auch ohne zentrale Steuerung funktionieren und was Menschen von ihnen lernen können, erforscht die Biologin Deborah Gordon.
Inside the ant colony - Deborah M. Gordon

Veröffentlicht am: 08.07.2014

Laufzeit: 0:04:46

Sprache: englisch

Untertitel: englisch

Die Konferenzorganisation TED (Technology, Entertainment, Design) ist durch Video-Kurzvorträge von Vordenkern unterschiedlicher Fachdisziplinen im Internet bekannt geworden. Millionen Zuschauern werden spannende, nicht selten provokante Ideen vorgestellt. Motto: Ideas worth spreading.

Ameisenstaaten sind die Welt der Deborah Gordon. Die Biologin der kalifornischen Stanford University studiert ihre Entwicklung in Wüsten, in Regenwäldern und in ihrer eigenen Küche. Die Geschicke eines bestimmten Ameisenvolks zeichnet sie sogar schon seit mehr als 30 Jahren auf. Selbst auf die Internationale Raumstation schickte sie bereits eine Kolonie der eifrigen Insekten. In unterschiedlichsten Medien versucht sie zudem der Öffentlichkeit ihre vielschichtige Forschung und deren mögliche Anwendungen nahezubringen.

So auch in dem von ihr konzipierten Video aus der didaktischen Reihe TED-Ed. Unterhaltsam erklärt es im Zeichentrickformat das Leben der Ameisen, vor allem ihre Fortpflanzung und ihr Leben in großen Gemeinschaften. Auf den ersten Blick erscheinen solche Ameisenstaaten wie menschliche Großstädte en miniature. Doch der Schein trügt: »Bei den Ameisen gibt es keine zentrale Kontrollinstanz«, heißt es in dem fünfminütigen Film. An anderer Stelle, in einem Beitrag im australischen Online-Magazin »Aeon«, formulierte Gordon es so: »Die Königin regiert nicht.«

Was aber geschieht stattdessen? Wenn sich zwei Ameisen begegnen, tasten sie einander kurz mit ihren Antennen ab und übermitteln durch Berührungen und Gerüche einfache Informationen. Viele solcher einfachen, parallel ablaufenden »Unterhaltungen« zwischen einzelnen »Bürgern« führen laut Gordon zu Ergebnissen, die dem »Staat« nutzen. In ihrem »Aeon«-Beitrag erwähnt sie zum Beispiel den Effekt durch positives Feedback: Begegnet eine Ameise vielen Artgenossen, die mit Nahrung ins Nest zurückkehren, wird sie dadurch angeregt, selbst in entsprechender Richtung auf Futtersuche zu gehen.

Gordon sieht dabei das Prinzip des Konnektionismus am Werk. Aus einer Vielzahl sich wechselseitig beeinflussender Komponenten eines Netzwerks, so besagt dieses, können sich sehr komplexe Phänomene ergeben, auch wenn jede einzelne Interaktion für sich genommen eine sehr einfache Struktur besitzt. Darum wird es auch in Gebieten wie der Robotik und dem maschinellen Lernen heiß diskutiert.

Im Video bringt Gordon ihren Zuschauern ein nicht ganz einfaches Thema verständlich nahe. Die Kürze ihrer Erklärungen geht allerdings auf Kosten der Details. Ausführlicher und präziser wird sie in ihrem »Aeon«-Beitrag. Darin beschreibt sie, weshalb der Konnektionismus, für den sie in diesem Fall den Begriff »verteilte Prozesse« verwendet, nicht mit dem der Arbeitsteilung verwechselt werden darf. Die dafür typische Spezialisierung findet sich bei Ameisen, abgesehen von der Königin, eben gerade nicht. Sobald eine von ihnen ausfällt, übernimmt eine andere ihre Tätigkeit, selbst wenn sie vorher eine völlig andere Aufgabe hatte.

Fasziniert ist Gordon auch von den Suchstrategien der emsigen Insekten – und der Frage, wie man sie an anderer Stelle nutzbar machen könnte. Ihre Art, effizient die Gegend zu erkunden, könnte Anregungen für die Suchalgorithmen von Robotern liefern, die brennende Gebäude nach Opfern durchsuchen oder gar einen fernen Planeten erkunden sollen. Es sei effektiver, viele einfache und preiswerte Roboter loszuschicken, die ihre Suchstrategie untereinander abstimmen, als einige wenige komplizierte und teure Geräte – zumal die ganze Mission gefährdet ist, wenn eines der Letzteren ausfällt.

Diese These spitzt Gordon in einem weiteren »Aeon«-Beitrag noch zu. »Fast alles, was im Leben passiert«, so behauptet sie dort, »ist das Ergebnis eines Netzwerks.« Auch den menschlichen Körper könne man als Netzwerk von Zellen sehen, deren Mitglieder ständig miteinander kommunizieren. Stelle man sich eine Krebszelle vor, die auf der Suche nach geeigneten Stellen für die Bildung einer Metastase durch einen Körper wandert, habe sie Ähnlichkeit mit einer Ameise, die auf unbekanntem Terrain nach Nahrung sucht. Denkbar, dass die Zelle mit anderen ihrer Art kommuniziert, um sie an einen bestimmten Ort zu locken – und dass sich, würde man diese Kommunikation unterbinden, auch die Ausbreitung von Krebs verhindern ließe. Ein schöner, allerdings noch rein spekulativer Gedanke.

Deborah Gordon ist jedenfalls davon überzeugt, dass die Erforschung von Ameisen auch andere Wissenschaftsdisziplinen bereichern wird. Schließlich hatten die Vertreter von über 12 000 Ameisenarten mehr als 130 Millionen Jahre Zeit, höchst effektive und widerstandsfähige Kommunikationsstrategien zu entwickeln. Von ihnen können wir nur lernen.

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