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Ernährung: Wenn Hähnchenbrust zu Holz wird

Holzige Fetzen statt zartem Hähnchenbrustfilet? Das will niemand essen - immer mehr zähes Fleisch ist aber ein ernstes Problem vor allem für Geflügelfarmer in den USA. Wie kommt es dazu? Kann man da was tun? Und sind wir alle und die Tierhaltung schuld?
Ernährung: Wenn Hähnchenbrust zu Holz wird

Laufzeit: 0:01:22

Sprache: englisch

Eine Hähnchenbrust, die nicht zart, sondern zäh ist, lässt sich nicht verkaufen. Die so genannte Wooden-Breast-Krankheit (deutsch: holzige Brust) stellt für manche Geflügelhalter ein ernstes wirtschaftliches Problem dar: Sie kann bis zu 50 Prozent eines Bestands betreffen. Besonders den USA, dem weltweit größten Produzenten von Hähnchenfleisch, macht die Krankheit zu schaffen. Mindestens 200 Millionen Dollar büße die Landwirtschaft darum jährlich ein, sagt der Wissenschaftler Behnam Abasht vom College of Agriculture and Natural Resources an der University of Delaware in einer Pressemitteilung zum Video.

Was zu diesen Veränderungen führt, war Forschern bislang unklar. Jedenfalls aber geht die Verhärtung der Brustmuskulatur mit Einblutungen, lokalen Geschwulsten und einer Streifenfärbung einher. In einer Studie von 2017 hatte ein Team um Abasht festgestellt, dass die Ablagerung von Fetten und Entzündungsprozesse in dort ansässigen Blutgefäßen eine wichtige Rolle spielen. Gemeinsam mit seinem Kollegen Michael Papah schaute sich Abasht das verholzte Gewebe nun genauer an. Und fand noch mehr heraus: In der Brust von Tieren, die die Muskelkrankheit bereits hatten oder sie im Erwachsenenalter entwickeln würden, findet sich ein bestimmtes Enzym, die Lipoproteinlipase, in auffällig erhöhter Menge. Das Enzym ist für die Umsetzung von Fetten zuständig: Ist es aktiver und kurbelt den Fettstoffwechsel an, dann könnte dies in den Gefäßwänden zur Bildung von freien Radikalen führen, die das Gewebe schädigen und eine starke Immunreaktion hervorrufen, schreiben die Forscher in der Fachzeitschrift »Scientific Reports«.

Generell gibt es zwei Arten von Muskelfasern: Die eine zuckt schnell, die andere langsam. Das liegt unter anderem daran, dass die Fasern auf unterschiedliche Energiequellen setzen. Die schnelle Sorte baut viel Zucker ohne Sauerstoff über die so genannte Glykolyse ab, während die langsam zuckenden Muskeln Energie effizienter gewinnen, indem sie Fette verbrennen. Hierfür brauchen sie allerdings Sauerstoff. Diesen liefert ihnen das Protein Myoglobin. Wie unser Blutfarbstoff Hämoglobin verfügt es über Sauerstoff bindende, eisenhaltige Molekülgruppen. Weil eine hohe Myoglobin-Konzentration den Muskel rot färbt, werden langsame Muskelfasern auch als rote und schnell zuckende als weiße Fasern bezeichnet. Normalerweise besteht Hähnchenbrust aus weißen Muskelfasern. Weil das Team um Abasht in den verholzten Hähnchenbrust-Proben aber Proteine fand, die vor allem in roten Fasern vorkommen, vermutet es, dass sich die Muskelfasern der Tiere von schnellen in langsame verwandelt haben. Durch diese Umwandlung und die hohe Lipoproteinlipase-Konzentration in den Gefäßwänden komme es zu einer erhöhten Fettverbrennung und Schädigung der Muskelzellen, schreiben die Forscher.

Die Ursache für die Veränderungen liegt nach Meinung der Arbeitsgruppe in der Züchtung: Für die Fleischproduktion werden bevorzugt Tiere mit starken Brustmuskeln ausgewählt. Wird der Muskel immer größer und schwerer, so wächst die mechanische Belastung: Die Fasern werden in die Länge gezogen. Als Antwort darauf, so vermuten die Forscher, stellen sie ihren Stoffwechsel um. Für diese These spricht, dass Hähnchen, die nicht für Muskelmasse und schnelles Wachstum selektiert wurden, in der Regel nicht von der Krankheit betroffen sind. Die genetische Selektion rückgängig zu machen, wird kaum möglich sein. Was kann man also tun, um der Verholzung einer Hähnchenbrust beim Turbohuhn entgegenzuwirken? Bislang nichts. Zwar ist die Muskelerkrankung nicht ansteckend für Artgenossen oder gar gefährlich für den Menschen. Sie wird aber in hohem Maß auf die Nachkommen weitervererbt. Die genetischen Zusammenhänge zu verstehen, könne Züchtern helfen, das Problem wieder loszuwerden, so die Forscher. Gutes Muskelfleisch hat eben seinen Preis. Wer meint, den Tieren immer mehr davon anzüchten zu können, ist offensichtlich auf dem Holzweg.

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