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Evolutionäre Medizin: (R)Evolution der Medizin

Aus evolutionärer Perspektive ist unsere Anfälligkeit für Erkrankungen oft das Ergebnis einer Gratwanderung zwischen biologischen Vor- und Nachteilen.
Randolph Nesse – Breaking the Wall to Understanding Disease

Veröffentlicht am: 26.01.2017

Laufzeit: 0:15:37

Sprache: englisch

Falling Walls ist eine jährlich in Berlin stattfindende Wissenschaftskonferenz, bei der etwa zwanzig renommierte Forscher aus aller Welt in 15 Minuten ihre Errungenschaften vorstellen. Die hinter der Konferenz stehende Falling Walls Foundation wird unter anderem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, der Helmholtz-­Gemeinschaft und der Robert Bosch Stiftung unterstützt.

Warum werden wir überhaupt krank? Diese Frage beschäftigt den US-Mediziner Randolph Nesse bereits seit Beginn seines Studiums, wie er das Publikum bei der Falling Walls Conference in Berlin 2016 wissen lässt. Nesse zählt zu den Gründern der Evolutionsmedizin – einem recht neuen Forschungszweig, der die Erkenntnisse der Evolutionsbiologie nutzt, um die Ursachen von Krankheiten besser zu verstehen.

Nesses Ansatz: Nicht wie ein Mechaniker nachsehen, was kaputt gegangen ist; sondern vielmehr wie ein Ingenieur danach fragen, warum etwas überhaupt anfällig für Defekte ist. Oder eben nach Art des Evolutionsmediziners: Welche selektiven Vorteile brachten biologische Mechanismen, die sich heute als Schwachstelle im Körper entpuppen, im früheren Verlauf der menschlichen Entwicklung?

Ein prägnantes Beispiel aus der evolutionären Medizin, das im Vortrag allerdings nicht auftaucht, ist das Thema Übergewicht: Da bei unseren Vorfahren Nahrung Mangelware war, schlug man sich, wenn die Jagd erfolgreich war, den Magen voll mit fettem Fleisch, um für magere Zeiten gerüstet zu sein. In unserer heutigen Zeit des Überflusses sorgt fettreiche Ernährung bei gleichzeitigem Bewegungsmangel allerdings für Übergewicht.

Nesse wendet den Ansatz auf ein ganzes Spektrum von Krankheiten an und jagt sein Publikum damit quer durch die klinische Medizin – von Krebs über Gefäßerkrankungen bis hin zu Demenz und psychiatrischen Störungen. Er zeigt auf, welche neuen und teils überraschenden Erkenntnisse sich durch diese Sichtweise gewinnen lassen und wie sie Prävention und Therapie beeinflussen können.

Selbstredend kann er bei einem solchen Themenbauchladen an keiner Stelle weit in die Tiefe gehen. Das tut er aber an anderer Stelle, etwa hier, wo er weitere Aspekte hinzufügt. So sei beispielsweise die Ausstattung unseres Körpers immer ein Kompromiss: Wären etwa unsere Knochen dicker, würden sie zwar weniger leicht brechen, aber unser Körper wäre auch schwerer und langsamer.

Die Ideen, die er in Berlin vorträgt, sind nicht völlig neu. Nesse selbst hat bereits 1994 gemeinsam mit dem US-amerikanischen Evolutionsbiologen George C. Williams ein Buch mit dem Titel "Warum wir krank werden" veröffentlicht. Und auch vom Berliner Evolutionsbiologen Detlev Ganten liegt schon seit 2011 ein populärwissenschaftliches Werk zum Thema vor.

Trotzdem aber bleibt Evolutionsmedizin noch ein Exotenfach. Mit seinem launigen Vortrag trägt Nesse dazu bei, die Mauer zwischen Medizin und Evolutionsbiologie einzureißen – und so den Weg zu einer besseren Medizin zu ebnen.

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