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Wir Werden Alle Sterben: Das sechste Massenaussterben

Fünf große Massenaussterben sind aus den letzten 500 Millionen Jahre Erdgeschichte bekannt. Die Vermutung steht im Raum, dass wir uns derzeit bereits in der sechsten solchen Katastrophe befinden - ausgelöst durch den Menschen. Doch es gibt auch Argumente gegen die anstehende Apokalypse. Die sind nur nicht allzu tröstlich.
© Lars Fischer, Mike Zeitz
Wir Werden Alle Sterben: Das sechste Massenaussterben

Auch heute beschäftige ich mich mit einem hochaktuellen Thema, nämlich dem sechsten Massenaussterben. Massenaussterben sind Episoden der Menschheitsgeschichte, in denen binnen kurzer Zeit ein beträchtlicher Anteil des Lebens auf der Erde zugrunde geht. Aus der Erdgeschichte sind bisher fünf dieser apokalyptischen Katastrophen bekannt. Die sechste, das ist zumindest die Theorie, findet jetzt statt, ausgelöst durch den Menschen.

Die Argumente, die dafür angefüht werden, klingen erst einmal erschreckend überzeugend. Die Menschheit verwandelt global die Oberfläche des Planeten und zerstört dabei ganze Ökosysteme. Von mehreren hundert Arten wissen wir, dass die in den letzten Jahrhunderten ausstarben, die Dunkelziffer ist wohl um ein Vielfaches höher. Die Zahl der bedrohten Arten geht in die hunderttausende – und all das, bevor der Klimawandel richtig losgeht.

Die Verheerungen, die die Menschheit auf dem Planeten anrichtet, sind außerordentlich. Aber tatsächlich zeigen diese Statistiken auch, dass wir noch sehr weit vom sechsten Massenaussterben weg sind. Weniger als ein Prozent der weltweiten Tierarten ist bisher ausgestorben. Beim letzten Massenaussterben am Ende der Kreidezeit dagegen gingen nicht nur die meisten Dinosaurier unter, sondern mutmaßlich mindestens drei Viertel aller Tierarten.

Bei einem anderen der »Big Five« vor rund 252 Millionen Jahren wurden große Teile der Erdoberfläche selbst für die genügsamsten und widerstandsfähigsten Tiere unbewohnbar. Ein Massenaussterben ist eine unvorstellbare globale Apokalypse weit jenseits von allem, was wir und vorstellen können.

Wichtiger noch ist allerdings, dass fast alle bisher verschwundenen Arten und Ökosysteme von Menschen meh oder weniger direkt planiert wurden. Würden wir Menschen den Amazonas-Regenwald oder die Nordsee fürderhin komplett in Ruhe lassen, würden sich diese Ökosysteme wieder erholen und zu vielleicht anderer Vielfalt zurück finden. Wären wir bereits in einem echten Massenaussterben, dann wäre das dramatisch anders.

Unaufhaltsamer Kollaps

Die großen Massenaussterben der Erdgeschichte kamen nämlich vermutlich nicht dadurch zustande, dass einfach irgendetwas ganz viele Lebewesen eins nach dem anderen umbrachte. Sie sind etwas grundsätzlich anderes, ein globaler Kollaps fast aller Ökosysteme. Etwa wie ein Haus, das langsam verrottet und dann an einem Punkt plötzlich und unaufhaltsam zusammenbricht.

Avocados, Katzen, Supervulkane – die Welt ist voller Gefahren. In dieser Videoserie stellen die Spektrum-Redakteure Lars Fischer und Mike Zeitz regelmäßig spannende, ungewöhnliche oder einfach kuriose Dinge vor, die auf die eine oder andere Art zum unerwarteten Frühableben führen können.

Die übrigen Folgen der Serie finden Sie auf dieser Sammelseite.

Äußere Einflüsse bringen die Biosphäre an einem Punkt, an dem die Grundlagen der Nahrungsnetze zusammenbrechen und die Arten eine nach der Anderen wie Dominosteine fallen. Und zwar nicht bloß die verwundbaren, sondern auch die verbreiteten widerstandsfähigen. Ein Massenaussterben ist so umfassend und vernichtend, wir würden nicht mehr über den Schutz der Elefanten reden, sondern ob die Ratten überleben.

Die beruhigende Erkenntnis ist also, dass das sechste Massenaussterben noch nicht begonnen hat. Wir haben noch Zeit, es abzuwenden. Das allerdings hat auch eine sehr gruselige Kehrseite. Massenaussterben sind, vergleichbar mit dem Zusammenbruch eines Hauses, plötzlich einsetzende Kettenreaktionen, die durch einen einzelnen, vielleicht klein erscheinenden Auslöser in Gang kommen – und nach diesem Kippunkt unaufhaltsam fortschreiten.

Und wo dieser Kipppunkt ist, und wie nah wir an ihm dran sind, können wir nicht vorhersagen. Vielleicht gibt es eine kritische Kombination von Ozeanversauerung und Erwärmung, vielleicht kippt irgendwann der Stickstoffhaushalt, vielleicht tragen Faktoren wie Invasive Arten und Verschmutzung bei. Wir wissen es vorher nicht.

Aber wenn wir den kritischen Punkt überschreiten und die Dominos zu fallen beginnen, dann ist es auch schon zu spät. Ein Massenaussterben aufzuhalten gleicht dem Versuch, das gerade einstürzende Haus noch schnell zu renovieren, während der Dachstuhl schon durchs Schlafzimmer kracht. Das sechste Massensterben hat zwar noch nicht begonnen, aber das ist nicht allzu tröstlich. Denn wenn die Menschheit diese letzte planetare Grenze erst einmal überschritten hat, dann können wir nur noch hilflos zusehen, wie der Planet um uns herum stirbt, während wir auf unseren eigenen Untergang warten.

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